16.12.2015 - Kategorie "Insolvenzgeschehen allgemein"

„Anleihen in Krise und Insolvenz – Schiffbruch oder Rettung aus schwerer See?“

2. Frankfurter Restrukturierungsforum: Anleihen in Krise und Insolvenz

„Anleihen in Krise und Insolvenz – Schiffbruch oder Rettung aus schwerer See?“ – Diesem hochaktuellen und gleichzeitig brisanten Thema ist am 26. Mai das Frankfurter Restrukturierungsforum nachgegangen. Die Diskussion über die Mittelstandsanleihe verfolgten knapp 80 Teilnehmer.


Jedes Jahr geben Anleger mittelständischen Unternehmen Darlehen über mehr als 1 Milliarde Euro in Form von Anleihen. Die Unternehmen locken mit Zinsen, die oft drei- bis sechsmal so hoch sind wie bei Festgeldanlagen. Kommt es jedoch zur Krise oder Insolvenz des Unternehmens müssen die Anleger meist nicht nur hohe Abschläge auf ihr Investment hinnehmen, die Struktur der Anleihen kann sogar die mögliche Sanierung der Firma erschweren. Zamek, Prokon, SiC Processing, Pfleiderer, Praktiker: Fast alle großen mittelständischen Unternehmen, die im letzten Jahr Insolvenz angemeldet haben, haben Anleihen ausgegeben und führen zum Teil sehr kontroverse Diskussionen mit ihren Anleihegläubigern bis hin zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. Die oft als konservativ geltende Unternehmensanleihe entpuppt sich für viele nun als Hoch-Risiko-Papier. Das Frankfurter Restrukturierungsforum hat sich mit der Krise der Mittelstandsanleihen auseinandergesetzt und den Blick auf die Zukunft der Unternehmensanleihe gerichtet: Erleidet der Anleihemarkt Schiffbruch oder können die Gläubiger auf Rettung aus schwerer See hoffen?

Professor Rolf Rattunde, Partner bei LEONHARDT RATTUNDE Rechtsanwälte, hob in seinem Impulsreferat die Komplexität des Anleiherechts hervor. Einige Anleihen unterliegen noch dem Schuldverschreibungsgesetz aus dem Jahr 1899, das erheblich veraltet sei. Zwar habe das neue Schuldverschreibungsgesetz 2009 das Anleiherecht modernisiert, aber viele Dinge wurden nicht klar geregelt. Ein Lichtblick ist für den Insolvenzverwalter das durch das ESUG reformierte Insolvenzrecht, durch das Unternehmen mit Anleihen in Krisensituationen restrukturiert werden können. Das neu eingeführte Schutzschirmverfahren verbunden mit einem Insolvenzplan biete die besten Chancen.


In der anschließenden Podiumsdiskussion berichtet Eva Ringelspacher, Direktorin bei der Commerzbank AG, von der schwierigen Praxis mit Anleihegläubigern: „Oft sind Anleihen sehr kleinteilig gestreut und die Gläubigergruppen sehr intransparent. Oder Kleinstgläubiger haben ihr Geld schon abgeschrieben und beteiligen sich nicht an der Sanierung. Dadurch können die notwenigen Mehrheiten häufig nicht gefunden werden. Eine Sanierung ist dadurch unmöglich oder deutlich erschwert.“


Dr. Ingo Scholz, Partner bei Ashurst LLP, verleiht häufig als gemeinsamer Vertreter den Anleihegläubiger eine Stimme und bündelt deren Interessen. Er appelliert an die Unternehmen: „Unternehmen und Geschäftsführer sollten den gemeinsamen Vertreter ernst nehmen, mit ihm zusammenarbeiten und rechtzeitig seine Unterstützung bei der Sanierung suchen“.


Für die drei Diskutanten ist klar: Das Schuldverschreibungsgesetz von 2009 hat einen neuen Rahmen für das deutsche Anleiherecht geschaffen, aber es gibt auch viel Kritik daran. „Mit dem Schuldverschreibungsgesetz 2009 haben wir einen Mechanismus erhalten, außerhalb der Insolvenz eine mehrheitsgetragene Restrukturierung durchsetzen zu können. Aber gleichzeitig auch das Problem, dass Gerichte aus verschiedenen Gründen dort einen Riegel vorgeschoben haben“, erklärt Dr. Stefan Sax, Partner bei Clifford Chance.


Auch Dr. Scholz sieht das neue Schuldverschreibungsgesetz positiv, auch wenn es noch Verbesserungsbedarf gäbe. Wichtigste Bestandteile einer Reform aus seiner Sicht: „Es muss dringend abgeschafft werden, dass Beschlüsse blockiert werden können. Stichwort hold outs“. Außerdem würde er sich aus seinen Erfahrungen bei Praktiker wünschen, als gemeinsamer Vertreter ein Vorschlagsrecht für einen Insolvenzplan zu haben.


Dr. Sax teilt diese Ansicht, geht aber sogar noch einen Schritt weiter: „Wir sollten nicht nur am Schuldverschreibungsgesetz herum doktern, sondern grundsätzlich ein vorinsolvenzliches Restrukturierungsverfahren einführen – für alle, nicht nur für Schuldverschreibungen“. International sei das schon längst der Trend. Auch Eva Ringelspacher sieht ein außergerichtliches Sanierungsverfahren als dringend notwendig. „Alles was mit dem Begriff Insolvenz überschrieben wird, ist in Deutschland sehr schwierig. Das Schutzschirmverfahren ist ein guter Anfang, da der Insolvenzbegriff in der Öffentlichkeit vermieden werden kann“.


Die Zukunft der Mittelstandsanleihen sehen alle drei Podiumsdiskutanten nicht sehr rosig: Aufgrund der vielen medienwirksamen Insolvenzen werde die Mittelstandsanleihe weiter an Attraktivität verlieren. Vor allem sobald das Zinsniveau wieder ansteigt. Privatanleger werden vorsichtiger werden, viele Unternehmen werden für 2014 geplante Emissionen voraussichtlich zurückstellen. Interessant wird es in 2015/2016, wenn viele Anleihen fällig werden und sich die Frage nach Refinanzierung oder Tilgung stellt.



Die Veranstalter des Frankfurter Restrukturierungsforums sind GSK Stockmann + Kollegen, Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und hww wienberg wilhelm. Im Winter findet die nächste Ausgabe des Frankfurter Restrukturierungsforums statt


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