1. Augsburger Restrukturierungslunch: Finanzierung in der Krise – um fünf vor zwölf und um fünf nach zwölf
Der Augsburger Restrukturierungslunch brachte erstmalig alle an einer Sanierung eines Unternehmens Beteiligten zusammen.
Eröffnet wurde die Veranstaltung mit den Impulsvorträgen von Dr. Paul Abel (anchor Rechtsanwälte) zur Finanzierung im Insolvenzverfahren und Eva Ringelspacher (Restrukturierungspartner) zur vorinsolvenzlichen Krisenfinanzierung. Abel schilderte zunächst, dass Unternehmen in der Krise häufig damit konfrontiert seien, dass bisherige Finanzierungsquellen wegfallen würden und Kassen sowie Geschäftskonten nach dem Insolvenzantrag in der Regel leer seien. Nur eingehende Zahlungen auf neu entstehende Forderungen und neue Vorräte stünden als Liquidität zur Verfügung. Der Massekredit stelle ein mögliches insolvenzrechtliches Finanzierungsinstrument dar, um den Liquiditätsbedarf decken zu können. Abel erläuterte, dass bei einem echten Massekredit neues Geld fließen würde. Die Bereitschaft sei vom Interesse des Darlehensgebers an der Unternehmensfortführung abhängig und eine notwendige Voraussetzung seien u. a. angemessene neue Sicherheiten. Sicherheiten für einen unechten Massekredit seien in der Regel durch neue Absonderungsrechte an neu entstehenden Gegenständen des Umlaufvermögens zu begründen. Problematisch sah Abel u. a., dass die Einzelermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten erst ab Anordnung gelte, jedoch nicht rückwirkend. Außerdem würden der Vertrag über den unechten Massekredit sowie die Einzelermächtigungen erst spät vorliegen. In ihrem Impulsvortrag verwies Ringelspacher auf eine Entscheidung des BGH, in welcher dieser klar gestellt hat, dass es einer Bank grundsätzlich überlassen bleibe, ob sie ein notleidendes Unternehmen, dem sie Kredit gegeben habe, fallen lasse. Unternehmen sollten sich zunächst fragen, wie lange die Liquidität noch ausreicht, sich einer Zahlungsunfähigkeitsprüfung unterziehen sowie eine direkte 13-Wochen-Liquiditätsplanung erstellen lassen. Zur Sicherstellung der Finanzierung werde häufig Fresh Money in Form von Überbrückungs- und/oder Sanierungskrediten, aber auch Tilgungsstundungen notwendig. Voraussetzungen für die Gewährung eines Sanierungskredites seien die Vorlage eines Sanierungsgutachtens durch einen externen Dritten, eine positive Fortführungsprognose, die Bestätigung der Sanierungsfähigkeit sowie keine ernsthaften Zweifel seitens der Bank an der Sanierung. Scheitere die Fresh-Money-Variante und damit auch eine konsensuale Restrukturierung würde als Plan-B-Szenario eine Sanierung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens, gleich welcher Ausgestaltung, zur Verfügung stehen.
In der anschließenden Podiumsdiskussion – moderiert von Dr. Konrad Kern (Sonntag & Partner) – berichteten die Panelisten aus ihren jeweiligen Fachbereichen über ihre Erfahrungen mit Unternehmenskrisen. Thomas Harbrecht (Executive/Direktor/Prokurist, Euler Hermes Deutschland NL der Euler Hermes S.A. in Hamburg) machte deutlich, dass gesicherte Finanzierungen in Krise und Insolvenz die frühzeitige und umfassende Einbindung aller Finanzierer erfordere. Dazu gehörten auch die Warenkreditversicherer. Informationsasymmetrien gelte es dabei zu vermeiden: „Volle Transparenz ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Sanierung“, so Harbrecht. Die jeweiligen Finanzierungsbeiträge sollten ausgewogen sein, denn die wirtschaftliche Überforderung einzelner Beteiligter sei zu vermeiden. Auch wenn Kreditversicherer nicht über eine unmittelbare Kreditgeber-Kreditnehmer-Beziehung zum gedeckten Risiko verfügen würden, seien die Unternehmen gut beraten, wenn sie dem Kreditversicherer ihre wesentlichen Finanzdaten rechtzeitig zur Verfügung stellen würden. Nach Meinung Harbrechts sei der Kreditversicherer so besser in der Lage, die Chancen und Risiken für das Unternehmen zu bewerten und das zutreffende Grading zu erstellen.
Helmut Haberl (Partner, Quest Consulting AG) beleuchtete die Unternehmenskrise aus der M&A-Perspektive und hob gleich zu Beginn hervor, dass ein Unternehmensverkauf in der Krise ein radikaler Prozess mit vielen Veränderungen sei. Dies sei für alle Beteiligten oftmals emotional stark belastend. Bei der Beurteilung des richtigen Zeitpunktes sei auf der menschlichen Seite zu berücksichtigen, dass die Unternehmen in der Vergangenheit erfolgreich gewesen wären und die Verantwortlichen sich für die Sanierung einsetzen würden. Ferner gab Haberl zu bedenken, dass ein angeschlagenes Unternehmen auf der Eigenkapitalseite unter Liquiditätsdruck schwierig zu entwickeln sei und es schwerfalle, den strategischen Investoren als Wettbewerber Einblick in die Zahlen zu gewähren. Zusätzlich würden potentielle Finanzinvestoren auf eine Kaufpreissenkung spekulieren. Haberl betonte, dass eine belastbare Transparenz, ein weiterentwickeltes Geschäftsmodell sowie ein auf Vertrauen basierendes Miteinander mit allen Stakeholdern des Unternehmens essentiell sei: „Eine gute Transformationskultur ist Grundlage für den Verkaufserfolg“, so Haberls Meinung.
Gerade in der äußerst knappen Zeit zwischen Insolvenzantrag und Eröffnung sei es für das nachhaltige Gelingen eines erfolgreichen Restrukturierungskonzepts unerlässlich, dass alle Beteiligten vertrauensvoll und eng zusammenarbeiteten, erläuterte Alexander Nerlinger (Rechtsanwalt, Konopatzky Rechtsanwälte). Dabei sei stehts die jeweilige Interessenlage zu beachten. Der Arbeitsrechtler forderte, dass alle Beteiligten mit der Zielrichtung eines schnellen und nachhaltigen Ergebnisses im Interesse der Gläubiger und vor allem der Beschäftigten zusammenwirken müssen. Bei der Einbindung der Medien sei gerade im Hinblick auf den M&A-Prozess oft Fingerspitzengefühl gefragt, um potentielle Interessenten von einem weiteren Engagement nicht abzubringen. „Gerade im Zeitraum des Antragsverfahrens kann ohne psychologisches Fingerspitzengefühl enormer Schaden für die Arbeitnehmer und ihr persönliches Schicksal entstehen“, so der Rechtsanwalt. Er forderte, dass dies zwingend zu vermeiden wäre.
Michael Ammer (Steuerberater, Sonntag & Partner) berichtete aus der steuerlichen Perspektive, dass insbesondere im Rahmen der (vorläufigen) Eigenverwaltung aufgrund der von der BGH-Rechtsprechung abweichenden Handhabung der Finanzverwaltung, nach welcher der Geschäftsführer als Eigenverwalter stets Masseverbindlichkeiten erzeuge, besonders auf Steuerzahlungen zu achten sei, welche ggf. angefochten werden könnten. Ammer empfahl, im Vorfeld proaktiv mit der Finanzverwaltung zu kommunizieren, um sich die Möglichkeit einer Anfechtung aufgrund kongruenter Deckung vorzubehalten. Der Steuerberater führte ferner aus, dass neben den sehr diffizilen Haftungsthemen insbesondere die Umsatzsteuer eine einnehmende Rolle spiele. So seien bspw. Umsatz- und Vorsteuern durch die Bestellung des Insolvenzverwalters und bei späterer Vereinnahmung bzw. Verausgabung zu berichtigen. Auch bei Unternehmen in der Krise würden Steuern eine wichtige Rolle spielen. „Gerade deswegen ist eine rechtzeitige Untersuchung des krisenbehafteten Unternehmens unumgänglich“, so Ammer.
Zusammenfassend waren alle Panelisten davon überzeugt, dass eine transparente Kommunikation und ein fairer Umgang mit allen Beteiligten die Voraussetzung für eine erfolgreiche Restrukturierung seien. Die erste Veranstaltung des Augsburger Restrukturierungslunches war sehr gut besucht und fand bei allen anwesenden Teilnehmern großen Zuspruch.
Die Veranstalter des Augsburger Restrukturierungslunches sind anchor Rechtsanwälte, Restrukturierungspartner und Sonntag & Partner. Im Herbst 2020 wird der nächste Restrukturierungslunch in Augsburg stattfinden.
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