Amtsgericht Chemnitz eröffnet Insolvenzverfahren bei Harmona Akkordeon GmbH
Sanierungsberater Walterscheid will Unternehmen retten. Erste Gespräche mit potenziellen Investoren werden bereits geführt.
Das Amtsgericht Chemnitz hat am Donnerstag, dem 30. April 2015, das Insolvenzverfahren bei der Harmona Akkordeon GmbH eröffnet. Das Verfahren wird in Eigenverwaltung unter Leitung des Geschäftsführers Andreas Schertel und des erfahrenen Sanierungsberaters Rechtsanwalt Joachim Walterscheid durchgeführt. Als Sachwalter, der die Geschäftsleitung überwacht, setzte das Gericht den Insolvenzrechtsexperten Helgi Heumann ein. Die wahrscheinlich älteste Akkordeonfabrik der Welt beschäftigt aktuell 85 Mitarbeiter, davon 9 Auszubildende.
„Das Gericht ist unserem Antrag auf ein eigenverwaltetes
Insolvenzverfahren gefolgt. Ein solches Verfahren kommt in Betracht, wenn das
in Schieflage geratene Unternehmen selbst am besten das Insolvenzverfahren
leiten kann. Dies ist bei der Harmona Akkordeon GmbH der Fall“, erklärt
Walterscheid, der sich auf die Insolvenzverwaltung und Sanierung von
Unternehmen spezialisiert hat. „Wir werden mit dem vom Gericht eingesetzten
Sachwalter Herrn Heumann eng zusammenarbeiten. Unser Ziel ist es, gemeinsam das
Unternehmen, die Arbeitsplätze und eine über 160-jährige vogtländische
Handwerkstradition zu retten.“
Heumann hatte sich in seinem am 28. April 2015 beim Amtsgericht Chemnitz eingereichten Gutachten dieser Empfehlung angeschlossen. Zu den Gründen führt Heumann aus: „Das Unternehmen produziert Akkordeons unter anderem der Marke Weltmeister, die weltweit bekannt und deren Produkte sehr gut nachgefragt werden. In Anbetracht der aktuellen Auftragslage und der Prognosen für die nächsten Monate rechne ich damit, dass das Unternehmen liquiditätsmäßig ein ausgeglichenes Geschäftsjahr 2015 erreichen wird.“
Der Gutachter sah als weiteren Pluspunkt für eine
erfolgreich verlaufende Sanierung die im Unternehmen arbeitenden Mitarbeiter
an: „Hier arbeiten Experten mit einem umfassenden Erfahrungsschatz im
Musikinstrumentenbau. Von dieser einmaligen Konzentration an exzellent
qualifizierten Mitarbeitern und dem damit verbundenen Know-how profitiert der
Traditionshersteller maßgeblich. Würde das Unternehmen aufgelöst, würden nicht
nur die Arbeitsplätze, sondern das seit über 160 Jahren angehäufte Wissen
unwiederbringlich verloren gehen.“
Heumanns Gutachten weist aber auch auf Managementmängel in
der Vergangenheit hin. So arbeitet die Harmona Akkordeon GmbH mit einem
veralteten, aus dem Jahre 1993 stammenden EDV-System. Die Lizenz für ein neues
System wurde zwar für 30.000 Euro gekauft, dieses aber nie installiert. Aber
auch die Kalkulationsgrundlagen, so das Gutachten, sind veraltet und stammen
teilweise noch aus DDR-Zeiten.
„Die Leitungs-, Vertriebs- und Sortimentsstrukturen
entsprechen nicht den aktuellen Erfordernissen. Sie sind auch ein Grund dafür,
dass das Unternehmen seit 2009 nicht mehr wirtschaftlich arbeitet“, ergänzt
Walterscheid, der auch die Investition in einen neuen Produktionsstandort in
Markneukirchen als Fehlentscheidung des Managements ansieht.
In seinem Gutachten empfiehlt auch der Sanierungsexperte
Heumann die Optimierung des Marketings und der Produktpalette. Darüber hinaus
soll ein Investor oder Kapitalgeber gewonnen werden, der finanzielle Mittel für
Produktinnovationen und zur Modernisierung der Fertigung bereitstellt.
„Wir haben bereits mit der Investorensuche begonnen und
erste Gespräche mit zwei solventen und ernstzunehmenden Interessenten geführt.
Allerdings ist es noch zu früh für eine Prognose, welchen Verlauf die Gespräche
nehmen werden. Wir werden mit dem Gutachter und jetzt eingesetzten Sachwalter
Herrn Heumann eng zusammenarbeiten. Unser Ziel ist es, das Unternehmen und eine
über 160-jährige vogtländische Handwerktradition zu retten“, betont
Sanierungsexperte Rechtsanwalt Walterscheid.
Die Harmona Akkordeon GmbH hatte am 13. Februar 2015
vertreten durch Rechtsanwalt Walterscheid einen Insolvenzantrag beim
Amtsgericht Chemnitz wegen unzureichender liquider Mittel eingereicht. Zu
dieser Insolvenz führten neben der schleichenden Verschlechterung der
Ertragslage und dem 2012 begonnenen Aufbau eines neuen Standortes auch das im
Januar 2015 eingeführte Mindestlohngesetz.
Rechtsanwalt Joachim Walterscheid ist auf
betriebswirtschaftlich orientierte Sanierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen
sowie auf die Insolvenzberatung spezialisiert. Sein Ziel ist es, durch
frühzeitiges Eingreifen krisengebeutelte Unternehmen vor der Insolvenz zu
bewahren oder im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erfolgreich zu sanieren.
Mit Beschluss vom 24. März 2015 hat das Amtsgericht Chemnitz Rechtsanwalt Helgi Heumann bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Heumann prüft fortlaufend als Sachwalter die wirtschaftliche Lage des Unternehmens und überwacht die Geschäftsführung im Laufe des Insovenzverfahrens.
Als Insolvenzverwalter und Sanierungsberater ist Rechtsanwalt Helgi Heumann seit 1985 tätig. Er sanierte unter anderem die Pulsnitzer Lebkuchenfabrik GmbH, die Mühle-Glashütte GmbH – Nautische Instrumente und die Sächsische Sandsteinwerke GmbH. Er führte Ende April 2015 auch die Feingerätebau K. Fischer GmbH aus Drebach, einen erzgebirgischen Traditionshersteller für Wetter- und Klimamessinstrumente, erfolgreich aus der Insolvenz.
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