26.05.2015 - Kategorie "Insolvenzgeschehen allgemein"

Anwaltskanzlei Siemon feiert 20-jähriges Firmenjubiläum

Die Situation des Insolvenzverwalterberufs

Kritische Betrachtung der Situation des Insolvenzverwalterberufs


Die Anwaltskanzlei Siemon hat im Mai 2015 im Kreis der aktiven und ehemaligen Mitarbeiter das 20- jährige Firmenjubiläum gefeiert. Die Kanzlei wurde am 1.5.1995 in Düsseldorf und Chemnitz von RA Klaus Siemon gegründet. Geprägt durch die Zeit nach der Wiedervereinigung ist die Kanzlei heute bundesweit in der Insolvenzverwaltung und Sachwaltung aktiv.

 

Rechtsanwalt Siemon nahm diesen Tag zum Anlass, die Situation des Insolvenzverwalterberufs einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Er verwies auf die dramatisch veränderte Wettbewerbssituation, in der sich Insolvenzverwalter heute befinden. RA Siemon: „Der Insolvenzverwalter befindet sich heute in einem sehr stark ausgeprägten Verdrängungswettbewerb. Selten sind derart viele Umstände gleichzeitig zum Tragen gekommen“. Siemon verwies auf die teilweise grenzenlose Öffnung der Listen, was für die Verwalter einen harten Wettbewerbsdruck bedeutet. Die Ausweitung der Anzahl der Verwalter, die sich insbesondere ab den Jahren 2000 folgende auf jetzt ca. 2000 Verwalter vollzog, verstärkte diese Wirkung. Das ESUG und die Stärkung der Eigenverwaltung entziehen den Verwalterbüros - zumindest teilweise - gerade die lukrativen Verfahren. Siemon: „Wie selbstverständlich erwarten nicht selten in Insolvenzsachen unerfahrene Eigenverwalter, dass der Verwalter in der Sachwaltung „sein Insolvenzverwalter Know-How“ zur Verfügung stellt, um das Verfahren zu unterstützen. Dies geschieht dann aber zu deutlich schlechteren Konditionen als früher und es ist so, dass der sich im Sinne der Sanierung oder etwa der Insolvenzgeldvorfinanzierung engagierende Sachwalter nach herrschender Meinung der Insolvenzgerichte dafür keine Vergütung erhält, weil er damit überobligationsmässig handelt.“

 

Am Markt sind inzwischen sehr professionelle Beratungsunternehmen aktiv, die zum Wohle der Gläubiger in der Lage sind, Eigenverwaltungsverfahren mit bestmöglicher Gläubigerbefriedigung durchzuführen. Aber hier hat der Gesetzgeber Unterschiede in der Vergütungsstruktur zugelassen, die den Sachwalter stark benachteiligen. Während nach der Gesetzeslage kein Vergütungskonzept für die Eigenverwaltung vorhanden ist und die Vergütung und die Stundensätze deshalb frei ausgehandelt werden, muss der Sachwalter die Vergütung, die erfolgsorientiert ist und nicht auf Stundensätze abstellt, bei Gericht beantragen und unterliegt dabei einer teilweise sehr restriktiven Betrachtungsweise. Besonders nachteilig wirkt sich aber aus, dass die Eigenverwaltung die Vergütung pro rata temporis ausgezahlt erhält und der Sachwalter erst am Ende des Verfahrens vergütet wird. Siemon verwies auf diese beträchtliche Ungleichbehandlung: „Das verstößt gegen den Gleichheitssatz, weil es keinen sachlichen Grund dafür gibt, den Sachwalter derart schlechter zu stellen. Insbesondere ist es sachwidrig, dass der Sachwalter durch diese Gesetzeslage einen Teil der Finanzierung des Verfahrens leistet und dabei dem Risiko ausgesetzt ist, aufgrund von Masseunzulänglichkeit auszufallen. Dieses Risiko ist in Ordnung, wenn ein Insolvenzverwalter das Verfahren selbst führt. Ein Sachwalter ist aber von der Führung des Verfahrens durch den Eigenverwalter abhängig, was eine vom Gesetzgeber nicht erkannte völlig andere Ausgangslage bedeutet.“ Das Vergütungssystem des ESUG ist das alte InsO – System und es wurde versäumt, dies den veränderten Bedingungen anzupassen.

 

Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass sich in vielen Verwalterbüros die Kostenquoten massiv verschlechtert haben. Siemon: „Die Kostenquoten sind teilweise so hoch, dass ein Restrukturierungsbedarf zu konstatieren ist und es gibt Monate, da gibt es keinen Gewinn. Die rückläufigen Verfahren bewirken dabei ihr übriges.“ Eine unabhängige, qualitativ gute  Insolvenzverwaltung benötigt ein angemessenes Auskommen. Siemon: „Die Erosion der wirtschaftlichen Grundlagen gefährdet die Unabhängigkeit, aber auch die Qualität der Arbeit und dadurch kann das Gesamtsystem Schaden nehmen.“ In der Diskussion um das ESUG und die Stärkung des Sanierungsgedankens sei vergessen worden, dass Insolvenzverwaltung in weiten Teilen schlicht Mangelverwaltung bedeutet. Siemon: „In 80 % - 90 % aller Verfahren gibt es nichts zu sanieren. Dort entfaltet das Insolvenzrecht eine volkswirtschaftlich sehr bedeutsame Ordnungsfunktion.“ Die Erfüllung dieser Ordnungsfunktion ist im Gesamtsystem gefährdet, wenn Verwalterbüros nicht mehr rentierlich und spezialisiert arbeiten. Siemon: „Hobbyverwalter mit ein, zwei, drei Insolvenzverfahren im Jahr können der Komplexität des Insolvenzrechts und insbesondere des Insolvenzanfechtungsrechts nicht gerecht werden.“ Von den Insolvenzgerichten werden ausweislich der veröffentlichten Statistiken immer noch hunderte Verfahren an Hobbyverwalter vergeben, die nicht mehr als einige wenige Verfahren im Jahr bearbeiten. Die Ursache dieser Entwicklung sieht Siemon in der Rechtsprechung der Obergerichte. „Die Obergerichte lassen die Insolvenzgerichte mit dem Problem allein. Für die Praxis handhabbare Kriterien in Bezug auf die qualitative Eignung eines Bewerbers werden durch die Obergerichte praktisch nicht zugelassen.“ In der Konsequenz wird dadurch das Kriterium der Ortsnähe zu dem einzigen Mittel, um Listen zu begrenzen. Darin sieht Siemon aber eine gravierende Fehlentwicklung. „Insolvenzverwaltung bedeutet heute, Insolvenzmanager zu sein. Der Verwalter muss Unternehmer und zugleich Dienstleister für alle Verfahrensbeteiligten sein. Unternehmer müssen heute global denken, sonst sind sie in einer globalisierten Welt nicht überlebensfähig. Die insolventen Unternehmen sind global aktiv, die Gläubiger ebenso. Regionale Begrenztheit ist nicht der richtige Weg, um qualitativ hochwertige, unabhängige Insolvenzverwaltung zu betreiben.“

 

Nach umfassender Analyse der Anwaltskanzlei Siemon wurde in der ZInsO 2010, 401 f ein Beitrag zu den Grundlagen der Verwalterbestellung veröffentlicht, der heute aktueller denn je ist. Die einseitige Fokussierung der Obergerichte auf die Interessen der Bewerber auf ein Insolvenzverwalteramt bei Gestaltung der Vorauswahllisten ist methodisch fehlerhaft. Das mehrpolare Rechtsverhältnis, die mehrpolare Konfliktlage, welche durch den Rechtsakt der Bestellung des Insolvenzverwalters gestaltet werden, erfordern die Einbeziehung der grundgesetzlich geschützten Interessen der anderen Verfahrensbeteiligten in den Abwägungsprozess bereits bei Gestaltung der Vorauswahllisten. Eine an Art. 3 GG orientierte „gleichmäßige“ Bestellung und Aufnahme aller Bewerber in die Liste, zu der die Rechtsprechung der Obergerichte führt, verstößt gegen den richtig verstandenen § 56 InsO. Notwendig ist die Schaffung einer angemessenen Wettbewerbssituation durch die Insolvenzgerichte, wobei das Kriterium der qualitativen Eignung am ehesten den Zielen des § 1 Inso entspricht. Siemon: „ Die Insolvenzgerichte in Deutschland wissen und sind bestens geeignet dafür, zu entscheiden, welcher Verwalter für ein Verfahren gut ist oder nicht. Es liegt in der Natur der Sache, dass man als Verwalter oder Beteiligter damit nicht immer einverstanden ist, aber es ist zu akzeptieren.“ Eine angemessene Rotation bei den Bestellungen in einem vom Gericht bestimmten Rhythmus verhindert Abhängigkeiten. Zur Erhaltung der angemessenen Wettbewerbssituation ist es essentiell, einer ausreichenden Anzahl von geeigneten, jungen Bewerbern eine faire Chance einzuräumen. Notwendig ist eine Prognose des Gerichts zu der Frage, ob der junge Neubewerber in der Lage sein wird, eine ausreichende Anzahl von Bestellungen akquirieren zu können, um wirtschaftlich in der Lage zu sein, Insolvenzverfahren über lange Zeiträume abzuwickeln. Daraus ergibt sich der Unterschied zum Hobbyverwalter.


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