| II.
Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und
die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--). |
|
| Entgegen
der Auffassung des FG sind die Entgelte für die von der GmbH vor der
Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung erbrachten
steuerpflichtigen Leistungen durch die Bestellung des Klägers zum
starken vorläufigen Insolvenzverwalter gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1
UStG uneinbringlich geworden (erste Berichtigung). Die nachfolgende
Vereinnahmung der Entgelte für diese Leistungen durch den Kläger führt
gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer zweiten Berichtigung und
begründet gemäß § 55 InsO Masseverbindlichkeiten. Die vom FG geäußerte
Kritik an der Rechtsprechung des BFH greift nicht durch. |
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| 1.
Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Steuerbetrag
für steuerpflichtige Ausgangsleistungen des Unternehmens zu berichtigen,
wenn das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist. Wird das
Entgelt für eine uneinbringliche Forderung nachträglich vereinnahmt,
sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2
Nr. 1 Satz 2 UStG). Diese erneute Berichtigung ist nach § 17 Abs. 2
i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung
vorzunehmen. |
|
| a)
Uneinbringlich ist ein Entgelt i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG,
wenn bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende
die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare
Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann (ständige
Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 20. Juli 2006 V R 13/04, BFHE
214, 471, BStBl II 2007, 22, Leitsatz 1; vom 12. August 2009 XI R 4/08,
BFH/NV 2010, 393, Rz 20; vom 24. Oktober 2013 V R 31/12, BFHE 243, 451,
BStBl II 2015, 674, Rz 19). |
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| b)
Nach der Rechtsprechung des V. Senats des BFH werden noch ausstehende
Entgelte für zuvor erbrachte steuerpflichtige Leistungen eines
Unternehmers gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG uneinbringlich, wenn
über sein Vermögen gemäß § 27 InsO das Insolvenzverfahren eröffnet wird.
Denn gemäß § 80 Abs. 1 InsO geht durch die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse
gehörende Vermögen zu verwerten oder über es zu verfügen, auf den
Insolvenzverwalter über. Folglich ist der Unternehmer dann aus
rechtlichen Gründen nicht mehr in der Lage, rechtswirksam
Entgeltforderungen in seinem eigenen vorinsolvenzrechtlichen
Unternehmensteil selbst zu vereinnahmen, da sie im Rahmen der
Masseverwaltung und Masseverwertung zu vereinnahmen sind und damit zum
Bereich der Masseverbindlichkeiten i.S. von § 55 InsO gehören (vgl.
BFH-Urteile in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 30; vom
24. November 2011 V R 13/11, BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298,
Rz 51 ff.; vom 24. September 2014 V R 48/13, BFHE 247, 460, BStBl II
2015, 506, Rz 27). |
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| c)
Auch wenn das Insolvenzgericht --vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens
(§ 27 InsO)-- gemäß § 21 InsO einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit
allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit Recht zum Forderungseinzug
bestellt, ist der Steuerbetrag für die steuerpflichtigen Leistungen, die
der Unternehmer vor oder nach der Verwalterbestellung bis zum Abschluss
des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbracht hat, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1
Satz 1 UStG zu berichtigen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 247, 460, BStBl II
2015, 506, Leitsatz 2). |
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| Zwar
ergibt sich das Recht zum Forderungseinzug hier nicht aus den einem
Insolvenzverwalter gemäß §§ 80 ff. InsO zustehenden Befugnissen. Erlässt
das Insolvenzgericht aber entsprechend § 23 Abs. 1 Satz 3 InsO bei der
Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit
Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 2 InsO) das
Verbot an Drittschuldner, an den Schuldner zu zahlen, und ermächtigt es
den vorläufigen Insolvenzverwalter, Forderungen des Schuldners
einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen (§ 22 Abs. 2 InsO),
wird damit das Rechtsverhältnis zwischen dem Schuldner und dem
vorläufigen Insolvenzverwalter gegenüber Drittschuldnern gemäß § 24
Abs. 1 InsO in einer Weise geregelt, die § 80 Abs. 1 und § 82 InsO
entspricht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 28,
m.w.N.). |
|
| d)
Nichts anderes gilt für die im Streitfall vorliegende Bestellung eines
starken vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
Alternative 1 InsO). Auch hierdurch ist das Rechtsverhältnis zwischen
dem Insolvenzschuldner und dem (starken) vorläufigen Insolvenzverwalter
gemäß § 24 Abs. 1 InsO in einer Weise geregelt worden, die § 80 Abs. 1
und § 82 InsO entspricht. |
|
| Wird
ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und dem Schuldner ein
allgemeines Verfügungsverbot auferlegt (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
Alternative 1 InsO), so geht gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO die
Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf
den (starken) vorläufigen Insolvenzverwalter über (vgl. dazu BFH-Urteil
vom 28. Februar 2008 V R 44/06, BFHE 221, 415, BStBl II 2008, 586,
unter II.4.b cc, Rz 52 ff.). Die Bestimmungen in §§ 81 und 82 InsO
gelten entsprechend (§ 24 Abs. 1 InsO). Die rechtlichen Befugnisse des
starken vorläufigen Insolvenzverwalters entsprechen denjenigen eines
Insolvenzverwalters, der ebenfalls berechtigt ist, das zur
Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Schuldners zu verwalten und über
es zu verfügen (§ 80 Abs. 1 InsO; vgl. z.B. Beschluss des
Bundesgerichtshofs vom 11. Januar 2007 IX ZB 271/04, Zeitschrift für das
gesamte Insolvenzrecht 2007, 267, unter III.2.b cc (b), Rz 17;
FK-InsO/Schmerbach, § 22 Rz 8; MünchKommInsO/Haarmeyer, 3. Aufl., § 22
Rz 36; Böhm in Braun, Insolvenzordnung, 6. Aufl., § 22 Rz 9). |
|
| 2.
Nach diesen Grundsätzen sind die von der GmbH vor der Anordnung der
vorläufigen Insolvenzverwaltung erbrachten Leistungen durch die
Bestellung des Klägers zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter über
das Vermögen der GmbH uneinbringlich geworden. Vereinnahmt der Kläger
danach Entgelte für diese Leistungen, ist die Umsatzsteuer (zum zweiten
Mal) zu berichtigen. Die dadurch entstehende Umsatzsteuer stellt eine
Masseverbindlichkeit dar. |
|
| a)
Die Umsatzsteuer für die von der GmbH ausgeführten steuerpflichtigen
Leistungen ist mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der
Leistungsausführung entstanden (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG). Die
Steuerbeträge sind allerdings durch die Bestellung des starken
vorläufigen Insolvenzverwalters uneinbringlich geworden und nach § 17
Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen (vgl. dazu
BFH-Urteile in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 52; in BFHE 247,
460, BStBl II 2015, 506, Rz 26 ff.; BFH-Beschluss vom 11. März 2014
V B 61/13, BFH/NV 2014, 920, Rz 6). |
|
| b)
Die Vereinnahmung der zuvor uneinbringlich gewordenen Entgelte durch
den Kläger führt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer zweiten
Berichtigung (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 232, 301, BStBl II 2011,
996, Rz 31; in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 33). |
|
| c) Die aufgrund dieser Vereinnahmung entstehende Umsatzsteuer stellt eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 InsO dar. |
|
| aa)
Masseverbindlichkeiten sind Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des
Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung,
Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu
den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO).
Nach § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO gelten als Masseverbindlichkeiten nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verbindlichkeiten, die von einem
vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die
Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist.
Ebenso gelten Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem
Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter
oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters
begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als
Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 4 InsO). |
|
| bb)
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 27 InsO) begründet die
aufgrund der Vereinnahmung der ausstehenden Entgelte durch den Kläger
(als Insolvenzverwalter) gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG entstehende
Umsatzsteuer eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.
Denn der sich aus § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG ergebende
Steueranspruch ist mit der Vereinnahmung vollständig verwirklicht und
damit abgeschlossen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011,
996, Rz 32, m.w.N.). Für die Umsatzsteuer, die aufgrund der vom Kläger
zuvor (als starker vorläufiger Insolvenzverwalter) vereinnahmten
Entgelte entsteht, folgt die Einstufung als Masseverbindlichkeiten aus
§ 55 Abs. 2 Satz 1 InsO i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG. Deswegen
braucht hier nicht auf § 55 Abs. 4 InsO eingegangen zu werden. |
|
| 3. Die vom FG und vom Kläger an dieser Rechtsprechung geübte Kritik dringt nicht durch. |
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| a)
Entgegen der Auffassung des FG kommt es nach der Rechtsprechung des BFH
für den Eintritt der Uneinbringlichkeit nicht auf den (formellen)
Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den
Insolvenzverwalter an. Maßgeblich ist vielmehr das damit einhergehende
rechtliche Unvermögen der GmbH (als Gläubigerin und spätere
Insolvenzschuldnerin), die ausstehenden Forderungen für die von ihr
ausgeführten Leistungen einzuziehen. Das rechtliche Unvermögen des
Gläubigers, seine Forderung durchzusetzen, steht --anders als das FG und
der Kläger meinen-- wirtschaftlich der Zahlungsunfähigkeit oder dem
mangelnden Zahlungswillen des Schuldners gleich, die die
Hauptanwendungsfälle des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG bilden (vgl.
BFH-Beschlüsse vom 10. März 1983 V B 46/80, BFHE 138, 107, BStBl II
1983, 389, unter 3., Rz 14; vom 7. Januar 1998 V B 106/97, BFH/NV 1998,
1003; Abschn. 17.1 Abs. 5 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses; s.
auch BFH-Beschluss vom 26. Februar 2008 XI B 169/07, BFH/NV 2008, 830,
unter 3., Rz 10 f.). |
|
| b)
Diese --hier allein maßgebliche-- Auslegung von § 17 Abs. 2 Nr. 1
Satz 1 UStG verstößt entgegen der Auffassung des FG weder gegen den
Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (§ 1 InsO) noch führt sie zu
einer ungerechtfertigten Privilegierung des Fiskus (vgl. dazu
BFH-Urteile vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009,
682, unter II.2.c, Rz 20 ff.; in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298,
Rz 54; BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 920, Rz 7). |
|
| c)
Soweit der Kläger der Auffassung ist, die Aufteilung in
"Unternehmensteile" finde keine Stütze im Umsatzsteuergesetz, vermag der
Senat dem nicht zu folgen. |
|
| Der
Grundsatz der Unternehmenseinheit nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG gilt auch
nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des
Unternehmers fort. Bedingt durch die Erfordernisse des Insolvenzrechts
besteht das Unternehmen nach Verfahrenseröffnung jedoch aus mehreren
Unternehmensteilen (vorinsolvenzrechtlicher Unternehmensteil,
Insolvenzmasse und insolvenzfreies Vermögen), zwischen denen einzelne
umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht
miteinander verrechnet werden können (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 232,
301, BStBl II 2011, 996, Rz 28 f.; in BFHE 235, 137, BStBl II 2012,
298, Rz 11; vom 20. Dezember 2012 V R 23/11, BFHE 240, 377, BStBl II
2013, 334, Rz 9; jeweils m.w.N.). |
|
| d)
Die unter II.2. dargelegte Rechtsprechung des BFH ist --entgegen der
Auffassung des FG-- mit Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL vereinbar. Das hat der
V. Senat des BFH bereits im Einzelnen dargelegt (vgl. BFH-Urteil in
BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 38; ebenso BFH-Beschluss in BFH/NV
2014, 920, Rz 12). Dem schließt sich der erkennende Senat an. |
|
| e)
Eine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die
Arbeitsweise der Europäischen Union (vgl. dazu Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 30. August 2010 1 BvR 1631/08, Neue
Juristische Wochenschrift 2011, 288, unter B.II.1.; BFH-Urteil vom
12. Dezember 2012 XI R 36/10, BFHE 239, 534, BStBl II 2013, 412,
Rz 39 ff., m.w.N.) besteht trotz der im österreichischen Recht
möglicherweise abweichenden insolvenzrechtlichen Behandlung von
Umsatzsteuerverbindlichkeiten (vgl. dazu Kahlert, Deutsches Steuerrecht
2015, 1485, 1488) nicht (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 920, Rz 12). |
|
| 4.
Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen; sein Urteil ist
daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Es ist weder vorgetragen
noch sonst ersichtlich, dass die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der
nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung, aber vor der
Bestellung des Klägers zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter
ausgeführten Umsätze die Höhe der im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid
festgesetzten Umsatzsteuer beeinflusst. |
|
| 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. |
|