22.09.2020 - Kategorie "Insolvenzverfahren"

Chance vertan: Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen greift zu spät

Vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren

Die Bundesregierung hat mit dem am Freitag veröffentlichten Referentenentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts nach Auffassung des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) eine wichtige Chance vertan: Der neu geschaffene Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen soll nur solchen Unternehmen offenstehen, die bereits drohend zahlungsunfähig sind.


In diesem Stadium ist die Krise aber schon sehr weit fortgeschritten. "Die Sanierungschancen sind dann bereits eingeschränkt", kritisiert Prof. Dr. Klaus-Peter Naumann, Sprecher des Vorstands des IDW. "Stattdessen sollte der Zugang zum Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen bereits deutlich vor der Insolvenzreife im Stadium der Erfolgskrise möglich sein."

Mit dem Referentenentwurf setzt die Bundesregierung die EU-Restrukturierungsrichtlinie in nationales Recht um. Nach der EU-Richtlinie wäre es möglich gewesen, ein Modell zu entwickeln, in dem einzelne opponierende Gläubiger die Sanierung zu einem frühen Zeitpunkt nicht verzögern oder verhindern können. Dann hätten die Unternehmen dieses Sanierungsinstrument bereits vor Eintritt der Insolvenzeröffnungsgründe nutzen können. Der nun vorgelegte Referentenentwurf ermöglicht den Zugang zu den neuen Sanierungsmöglichkeiten aber erst, wenn das Unternehmen bereits drohend zahlungsunfähig ist. Damit werden vielen Unternehmen nach Auffassung des IDW wichtige Sanierungschancen genommen.


In der Praxis ist zu beobachten, dass häufig sinnvolle Sanierungen an einzelnen Gläubigern, sog. Akkordstörern, scheitern oder zumindest deutlich verzögert werden. Oft müssen diese Unternehmen dann eine Insolvenz anmelden. "Durch die Verzögerung entsteht ein Schaden für alle Gläubiger, der vermieden werden könnte", erklärt Naumann. "Zudem schränkt die fortschreitende Krise die Sanierungschancen ein."


Das IDW hatte daher bereits im November letzten Jahres mit seinem Positionspapier "Präventiver Restrukturierungsrahmen - Umsetzung der europäischen Restrukturierungsrichtlinie in nationales Recht" angeregt, den Zugang zum Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen an - deutlich früher greifenden - betriebswirtschaftlichen und nicht an insolvenzrechtlichen Kriterien zu orientieren. Nach dem Vorschlag des IDW stünden die neuen Sanierungsmöglichkeiten allen Unternehmen offen, die in der Vergangenheit keine Gewinne erwirtschaftet haben, die nicht leicht auf finanzielle Mittel zurückgreifen können und denen eine bilanzielle Überschuldung droht oder bei denen sie schon eingetreten ist. "Akkordstörer könnten dann deutlich früher diszipliniert und die Sanierungschancen gesteigert werden", so Naumann.


Grundsätzlich begrüßt das IDW die rasche Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht ausdrücklich: "Gerade in der jetzigen wirtschaftlichen Krise ist es wichtig, die Sanierungs-Infrastruktur und damit den Standort Deutschland zu stärken", erklärt Naumann. Für einige Unternehmen könnte der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen - auch wenn er erst sehr spät greift - eine sinnvolle Ergänzung der bisherigen insolvenzrechtlichen Instrumente wie dem Schutzschirm, Eigenverwaltungs- und Insolvenzplanverfahren sein.


Die neuen Sanierungsmöglichkeiten eignen sich für einzelne Unternehmen – eine merkliche Abschwächung der drohenden Insolvenzwelle könne damit nicht erreicht werden. "Es wäre ohnehin das falsche Ziel, sämtliche durch die Corona-Pandemie in Schwierigkeiten geratene Unternehmen retten zu wollen", meint Naumann. "Eine künstliche Lebensverlängerung nicht mehr wettbewerbsfähiger Unternehmen würde auch die verbleibenden gesunden Unternehmen der Branche in Mitleidenschaft ziehen."



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