Das Rettungswerkzeug Eigenverwaltung funktioniert
ESUG Evaluierung zieht positives Fazit: Erwartungen wurden erfüllt
„Das
Rettungswerkzeug Eigenverwaltung funktioniert. Als Erfolgsfaktoren erweisen
sich die rechtzeitige Antragstellung und eine professionelle Beratung. Das
umfasst die Vorabstimmung mit dem Gericht, ein plausibles Sanierungskonzept und
die Unterstützung der wesentlichen Gläubiger für den Sanierungsweg“, sieht sich
Robert Buchalik, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes ESUG und Sanierung
(BV ESUG), durch das Gutachten bestätigt. Er begrüßt die positiven
Einschätzungen von Justizministerin Barley ausdrücklich, die eher in großen
gesamtwirtschaftlichen Bögen und nicht in kleinen Karos denkt. „Frau Barley
zeigt“, so Buchalik, „dass Justizpolitik an dieser schwierigen Schnittstelle
zwischen Krise und Insolvenz immer auch Gesellschafts- und in diesem Fall
besonders auch Wirtschaftspolitik ist, und dieses Denken wird durch die
Ministerin in hervorragender Weise repräsentiert.“
Die
Kritiken zum ESUG sind durchaus unterschiedlich: So bewerten vor allem
Schuldner- und Unternehmensberater, Geschäftsleiter wie auch Gläubiger,
Gläubigerberater und Mitglieder im Gläubigerausschuss das ESUG positiv und
sehen ihre Erwartungen eher als erfüllt an. Die Sachwalter und
Insolvenzverwalter, die bei der Eigenverwaltung anstatt einer Regelinsolvenz
wirtschaftliche Nachteile erfahren, bewerten es zumindest als befriedigend,
fürchten aber erkennbar um ihren Einfluss im Insolvenzverfahren. Einige Richter
und Rechtspfleger stehen dem Gesetz immer noch skeptisch gegenüber. Eine
Rückkehr zum alten Insolvenzrecht wird von der fünfköpfigen Expertenkommission
in dem 330 Seiten starken Bericht jedoch erfreulicherweise nicht empfohlen.
„Der bestehende gesetzliche Werkzeugkasten kann noch verbessert werden, jedoch
ist er im Interesse der Wirtschaft weiter auszubauen“, fordert
Sanierungsexperte Buchalik, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Buchalik
Brömmekamp.
Die
Studie untersuchte rund 1.600 Eigenveraltungsverfahren innerhalb der
vergangenen fünf Jahre. Das ist ein Anteil von rund 3,5 Prozent an allen
Unternehmensinsolvenzen. Besonders beliebt ist das Verfahren bei größeren
Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern und einem Umsatz von über 10 Mio.
Euro. Laut der Expertenanalyse funktioniere das Insolvenzplanverfahren im
Wesentlichen gut und die Anwendungsmöglichkeiten haben sich deutlich erweitert.
Die positiven Auswirkungen vor allem auf die Gläubiger zeigen darüber hinaus die
erzielten Befriedigungsquoten. In der Eigenverwaltung liegen diese
durchschnittlich bei zehn Prozent, so eine erweiterte Studie des BV ESUG.
Dieser Wert liegt damit deutlich über den oft niedrig einstelligen Werten von
zwei bis drei Prozent, die im klassischen Regelverfahren erreicht werden.
Die
Befürchtung, dass durch die Stärkung der Gläubigerrechte die Unabhängigkeit der
Verwalter leide, haben sich nicht bewahrheitet. Zumal viele Sachwalter ihre
Aufsichtsrolle deutlich aktiv wahrnehmen und teilweise Aufgaben des Schuldners
übernehmen. Dass sich auf diese Weise der Kreis der Insolvenzverwalter, die für
solche Sanierungen überhaupt als Sachwalter infrage kommen, deutlich
verkleinert, ist aus der Sicht des Beiratsvorsitzenden des BV ESUG, Prof. Dr.
Hans Haarmeyer, ein zu begrüßender Effekt des ESUG. Das Gesetz fördere die
unternehmerisch denkenden Verwalter mit Sanierungsansatz gegenüber den
„Plattmachern“.
Deutliche
Vorteile des vielfach gerühmten Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO werden
in der Studie nicht gesehen. Diese zweite Form der Eigenverwaltung, die
Unternehmen nutzen können, sofern diese noch nicht zahlungsunfähig sind,
fristet auch aufgrund einer gesetzlichen Fehlkonstruktion ein Schattendasein
und kommt in der Praxis immer weniger zur Anwendung. Lediglich 300 Verfahren
wurden bisher gezählt. Vor diesem Hintergrund fordert der BV ESUG den schnellen
Aufbau eines präventiven, außergerichtlichen Sanierungsverfahrens nach der für
Anfang 2019 zu erwartenden Richtlinie der EU. Bei dessen Inkrafttreten könnte
das Schutzschirmverfahren ersatzlos entfallen.
Bei
der Anordnung der Eigenverwaltung sind sich das Justizministerium und die
Expertengruppe uneins. Der Bericht empfiehlt eine stärkere Begrenzung des
Zugangs zur Eigenverwaltung. Justizministerin Barley bekräftigt dagegen, dass
die Studienteilnehmer keine zu häufige Anordnung der Eigenverwaltung oder gar
eine häufige Anordnung an nicht geeignete Schuldner gesehen hätten. „Hier
sind“, so Prof. Haarmeyer, „insbesondere die Insolvenzgerichte gefordert, um
schon im Rahmen der Zulassung eines Antrags die Ziele des Gesetzgebers
konsequenter zur Anwendung zu bringen. Die dabei anzuwendenden Kriterien liegen
seit Jahren offen, werden aber in der Praxis leider immer noch zu häufig nicht
zur Anwendung gebracht und ungeeignete Schuldner werden gerichtlich
durchgewunken“. Weitere Ausschlusskriterien wie Lohn- und
Gehaltsrückstände oder noch offene öffentlichen Abgaben und Steuern könnten
ungeeignete Unternehmen von vornherein vom Zugang ausschließen.
Während
die Zusammenarbeit mit den Gerichten schon bei den Vorgesprächen als auch
später bei der Abstimmung des Insolvenzplanes gut verläuft, sehen die
Beteiligten die Befähigung der Gerichte im Umgang mit komplexen Sanierungen
eher skeptisch. „Ein für das Insolvenzgericht verpflichtendes Vorgespräch
sollte deshalb zwingend in das Gesetz aufgenommen werden, denn nur so können
etwaige Hürden bereits vor Beginn des Verfahrens beseitigt werden“, erklärt
Robert Buchalik. Ebenso müsste zwingend die Berechtigung des eigenverwaltenden
Schuldners im Rahmen einer Betriebsfortführung Masseverbindlichkeiten begründen
zu können, gesetzlich klar geregelt werden.
Das komplexe Eigenverwaltungsverfahren funktioniert in der Regel immer dann, wenn es von einer vorherigen professionellen Beratung begleitet wird. Im Fokus stehen dabei die Kosten von Verwaltern, Gerichten und Beratern. „Das vordergründige Argument, die Eigenverwaltung produziere Mehrkosten, geht in der Praxis allerdings in Leere. Die Gerichte fordern immer einen Kostenvergleich zwischen Eigenverwaltung und Regelinsolvenz. Liegen die Kosten der Eigenverwaltung höher, wird die Eigenverwaltung von den Gerichten abgelehnt“, meint der Sanierungsexperte und BV ESUG Vorstand Robert Buchalik. Die Steigerung der Kosten wird zudem maßgeblich durch die erhöhten gesetzlichen und gerichtlichen Anforderungen an einen Antrag auf Eigenverwaltung getrieben. Die Vorlage einer solchen Vergleichsrechnung sollte daher zwingend vorgeschrieben werden, um möglichem Missbrauch vorzubeugen und zugleich den Gerichten eine eindeutige Entscheidungsvorlage zur Verfügung stellen zu können.
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