Dauertief für Großinsolvenzen
Rettungsquote für insolvente Unternehmen steigt weiter
Die
Talfahrt bei den Insolvenzanmeldungen von Großunternehmen geht auch im zweiten
Quartal 2021 weiter. Zwischen April und Juni dieses Jahres stellten lediglich
14 Unternehmen mit einem Umsatz größer 20 Mio. Euro bei den Amtsgerichten einen
Insolvenzantrag. Drei Monate zuvor waren es noch 17 Firmen – ein Minus von 17
Prozent. Gegenüber dem Vorjahresquartal sank die Quote sogar um 78 Prozent, so
der Finance Insolvenz-Report von Falkensteg. Das Auslaufen der Aussetzung der Antragspflicht
Ende April 2021 hatte somit keinen steigenden Einfluss auf die Antragszahlen.
Dagegen
wirken eher die staatlichen Bausteine wie Kurzarbeitergeld, KfW-Kredite und
Überbrückungshilfen. Seit Beginn der Pandemie im Februar 2020 hat der Bund über
153,1 Mrd. Euro an Unternehmen ausgeschüttet. Die meisten Gelder flossen laut
EU-Beihilfedatenbank in die Gastronomie, dem Maschinenbau und Automotive
(Produktion, Handel und Vermietung). Die drei Branchen erhielten zwischen einer
und 1,5 Mrd. Euro aus den Bundestöpfen. In der Aufstellung sind jedoch erst ein
Viertel der Hilfen ohne die Kredite des Wirtschaftsstabilisierungsfonds
berücksichtigt.
Maßnahmen dürfen keine Langzeitpille werden
„Der
weitere Sinkflug zeigt eindeutig, dass die Maßnahmen weit über das Ziel
hinausgeschossen sind. Natürlich muss den unverschuldet in die Krise geratenen
Firmen geholfen werden, aber das andauernde Gießkannenprinzip hemmt in vielen
Branchen den erforderlichen Strukturwandel und hält unrentable Unternehmen am
Leben“, sagt Studienautor Johannes von Neumann-Cosel von Falkensteg. Laut einer
KfW-Studie haben rund zwei Drittel der befragten Unternehmen im vergangenen
Jahr ihre Investitionen deutlich reduziert. Knapp die Hälfte hat mindestens
eine Investition komplett gestrichen. Nur ein Drittel nannte die schlechte
Wirtschaftslage als Grund. Das lege den Schluss nahe, so von Neumann-Cosel,
dass die Unternehmen die Hilfsmaßnahmen lediglich zur Schuldenbeseitigung und
nicht zur Zukunftssicherung genutzt haben. „Nach anderthalb Jahren muss die
Notfallmedizin nun beendet werden. Die Hilfsgelder dürfen nicht zur
Langzeitpille werden. Vielmehr sollten weitere Förderungen gezielt und
befristet eingesetzt werden, die das Wachstum finanzieren und die
Liquiditätsfalle verhindern.“
Liquiditätsfalle vermeiden
Überraschender
Weise nehmen die Insolvenzen nicht in, sondern erst nach einer Krise zu. So
stiegen die Pleiten erst zwei Jahre nach der Finanzkrise 2008 und der
Dotcom-Blase um zehn bzw. 16 Prozent an. Die Zeichen nach der Pandemie sind ähnlich:
Je nach Branche sind die Umsätze stark eingebrochen und die Reserven
aufgebraucht. Zusätzlich halten sich die Banken bei neuen Krediten zurück.
Damit fehlt den meisten Unternehmen die Liquidität, um Rohstoffe
vorzufinanzieren, zusätzliche Mitarbeiter einzustellen und die laufenden
staatlichen Krisenkredite zu bedienen. „Die Unternehmen müssen deshalb ihre
Hausaufgaben machen. Die Kosten an die zu erwartenden Umsätze anpassen, die
Eigenkapitalquote wieder in den Mittelpunkt rücken und das Working-Capital-Management
optimieren“, rät Johannes von Neumann-Cosel.
Insolvenzen retten Unternehmen
Neben
der Anzahl der Insolvenzanträge untersucht der Finance Insolvenz-Report zudem
die Ausgänge der Verfahren. Die Rettungsquote für Unternehmen, die im Vorjahr einen
Insolvenzantrag stellten, konnte sich zum Halbjahr 2020 noch einmal deutlich
verbessern. 45 Prozent der insolventen 182 Unternehmen gingen an einen
Investor, obwohl die Distressed-Transaktionen durch die Pandemie deutlich
erschwert wurden. Bei über zwanzig Prozent der Verfahren stimmten die Gläubiger
einem Insolvenzplan zu. Lediglich 17 Prozent der Unternehmen mussten bisher
liquidiert oder der Betrieb eingestellt werden. Die Fortführungsquote von 79
Prozent dürfte noch weiter steigen, da noch 29 Verfahren offen sind. Im
laufenden Jahr 2021 konnten erst neun der insgesamt 31 Verfahren (29 Prozent)
beendet werden.
Starke Unterschiede gibt es allerdings in den einzelnen Branchen bei der Wahl des Sanierungsmittels. Während der Unternehmensverkauf und der Insolvenzplan im Einzelhandel (jeweils zehn Verfahren) und im Fashion-Bereich (jeweils 13) als Verfahrensabschluss fast gleichauf liegen, wird der Asset Deal in den klassischen Branchen Automotive (27 Verkäufe bei 39 Verfahren), Maschinenbau (15 / 26) und Bau (10 / 20) bevorzugt. Die Planlösung erreicht in den drei Branchen gerade einmal einen Anteil zwischen acht und 15 Prozent.
Über den Insolvenz-Report „5 nach 12“
Die Restrukturierungsberatung Falkensteg recherchiert für den Insolvenz-Report alle drei Monate das Insolvenzgeschehen. Dazu werden Informationen des Insolvenz-Portals, der Creditreform, des Statistischen Bundesamtes sowie von Insolvenzverwaltern ausgewertet und mit eigenen Analysen ergänzt. Während andere Statistiken die eröffneten Insolvenzzahlen auswerten, konzentriert sich der Insolvenz-Report bereits auf die angemeldeten Insolvenzen. Durchschnittlich liegt zwischen der Anmeldung und der Eröffnung ein Zeitraum von zwei bis drei Monaten. Damit dient der Insolvenz-Report als Frühindikator bei den Großinsolvenzen.
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