20.11.2015 - Kategorie "Sanierung"

Deutschland auf einem guten Weg

Deutsche Restrukturierungsverfahren haben bei ausländischen Investoren einen schlechten Ruf.

Deutsche Restrukturierungsverfahren haben bei ausländischen Investoren einen schlechten Ruf.


Fälle wie Q-Cells und Pfleiderer brachten Unsicherheit in den Markt. Deutsche Gerichte erscheinen gelegentlich überfordert, Verwalter überbrücken die rückläufige Zahl an neuen Verfahren durch eine Überdehnung des Anfechtungsrechts.

Auf europäischer Ebene gibt es positive Nachrichten: Die jahrelange Forderung der TMA nach einer EU Harmonisierung des Insolvenzrechts greift – die EU Kommission ist voller Tatendrang. Anlässlich der Jahreskonferenz in Frankfurt diskutiert der Verbandder Restrukturierungsexperten die aktuelle Lage und formuliert Forderungen, um deutsche Insolvenzverfahren im internationalen Vergleich weiter zu optimieren und um den Standort Deutschland für Investoren wieder attraktiv zu machen.

Die Restrukturierungsbranche steht unter Handlungszwang: Deutsche Restrukturierungsverfahren gehen oft nur langsam voran, sind teuer und - spätestens nach QCells und Pfleiderer - in ihren Kosten, ihrer Dauer und den Auswirkungen nicht immer berechenbar. „Wir brauchen mehr Rechtssicherheit“, fordert Kolja von Bismarck, Partner bei Linklaters LLP und Vorstandsmitglied der TMA, dem Verband der Restrukturierungsexperten, „damit die Beteiligten in die Lage versetzt werden, rechtliche Risiken nachvollziehbar zu quantifizieren, förmliche Insolvenzverfahren vermieden werden, wo dies vertretbar ist und gebotene Verfahren zügig und effektiv durchgeführt werden können.“ 


Gründe für die Missstände gibt es viele:

1) Im Falle des Holzverarbeiters Pfleiderer hatte das LG Frankfurt die Restrukturierungsbranche aufgewirbelt: Restrukturierungsberater hatten das neue Schuldverschreibungsgesetz angewendet, wonach Gläubiger abstimmen sollen, wann und ob Anleihen oder Darlehen zurückgezahlt werden müssen. Das LG Frankfurt hatte jedoch entschieden, das seit 2009 gültige Schuldverschreibungsgesetz sei nicht anwendbar. Das OLG hatte dies zur Bestürzung der gesamten Branche bestätigt. Pfleiderer und kurz danach der Solarzellenhersteller Q-Cells gingen pleite, die Gläubiger mussten sich in einem Insolvenzverfahren widerfinden und im Fall Q-Cells mit der Quote begnügen. Erst vor einem Jahr hat der BGH klargestellt, das neue Schuldverschreibungsgesetz kann sehr wohl angewendet werden. Q-Cells, Pfleiderer und anderen Unternehmen nutzt das rückwirkend nicht mehr. Durch das BGH-Urteil ist zwar die Rechtssicherheit im deutschen Sanierungsverfahren teilweise hergestellt, doch ausländische Investoren sehen seither mit nachvollziehbarem Misstrauen nach Deutschland.


2) Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Insolvenzverwalter von Q-Cells nach besagtem Urteil des LG Frankfurt und dessen Bestätigung durch das OLG die Honorare der Restrukturierungsberater per Anfechtungsklage zurückgefordert hat. So sollten die Berater von Q-Cells Millionenbeträge an den Insolvenzverwalter Henning Schorisch zurückzahlen. Das Argument: Die Berater hätten nach dem Urteil des LG Frankfurt wissen müssen, dass die Sanierung nicht erfolgreich sein würde. Um rechtliche Unsicherheiten auch insoweit zu reduzieren, muss an den Stellschrauben der Anfechtungsklage gedreht werden. Dies hat inzwischen auch der Gesetzgeber erkannt und hat einen Entwurf zur Reform des Anfechtungsrechts vorgelegt.


3) Die geschilderten Fehlurteile verdeutlichen ein weiteres Manko im deutschen Insolvenzverfahren: Die Gerichte sind oft überfordert mit der Masse an Daten und Schriftsätzen. Dies führt zu langwierigen Prozessen, unter denen letztlich alle Beteiligten zu leiden haben, am meisten der eigentliche Patient, das zu sanierende Unternehmen. „Die deutschen Verfahren sind zwar besser als vor 10 Jahren“, erklärt Oliver Kehren, Managing Director bei Morgan Stanley und Vorstandsmitglied TMA Deutschland. „Sie sind oftmals auch besser als ihr Ruf.“


Dennoch präferieren es internationale Investoren, insbesondere aus den USA, Verfahren in England oder nach Chapter 11 abzuwickeln, auch da Gerichte dort deutlich entscheidungsfreudiger und professioneller sind. „In Deutschland hingegen kann es immer noch passieren, dass ein großes mittelständisches Unternehmen mit Millionenumsatz bei einem relativ kleinen und in Insolvenzfragen unerfahrenen Amtsgericht abgewickelt wird, da dort der Stammsitz ist“, erklärt Oliver Kehren weiter. Hier muss weiter nachgebessert werden, ebenso wie in folgendem Punkt: Nicht selten fordern Insolvenzverwalter vom zuständigen Richter, den Gebührensatz um ein Vielfaches erhöhen zu dürfen. Angeblich, weil die Verfahren besonders aufwendig seien. Doch die Gerichte haben selten Einblick, gewähren mangels besseren Wissens hohe Summen. Auch dies führt dazu, dass Verfahren regelmäßig sehr teuer werden und aufwendiger gestaltet werden, als nötig. „Die Verhältnismäßigkeit muss in allen Fällen und bei allen Beteiligten bewahrt bleiben! Es gibt eine Tendenz, die Honorare vor Insolvenzeröffnung sehr kritisch zu prüfen, bei den Honoraren der Insolvenzverwalter und dessen Beratern fehlt aber oft eine vergleichbar intensive Prüfung. Hier sollte den betroffenen Gläubigern die Möglichkeit gegeben werden, die Honorare einer effektiven gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen“, erklärt Dr. Leo Plank, Partner bei Kirkland & Ellis LLP und Vorstandsmitglied der TMA Deutschland. Die Branche befindet sich im Wandel. Die Forderung der TMA Deutschland nach einem vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren – auch dies dient zur Beschleunigung und zur Erleichterung von deutschen Verfahren – wird inzwischen auf europäischer Ebene gehört. Desweiteren müssen kulturelle Verhaltensmuster im europäischen Kontext angepasst werden.


„Einheitliche Gesetze und auch eine einheitliche Sanierungskultur würden vielen Unternehmen in der Krise helfen, die auch Verpflichtungen und Standorte in anderen kontinentaleuropäischen Ländern haben“, so Dr. Leo Plank. Die EU-Kommission prescht vor und sucht nach vielversprechenden Wegen, dieses Instrument einzuführen. Dr. Leo Plank: „Wir als Verband der  Restrukturierungsexperten haben bereits eine Stellungnahme abgegeben und werden auf der Jahrestagung eine neue Stellungnahme diskutieren . Wir hoffen, dass bereits im nächsten Jahr ein Meilenstein in der EU-Harmonisierung erreicht wird.“ Denn multinationale Unternehmen, die in mehreren Ländern operieren, sind unterschiedlichen Insolvenzordnungen der jeweiligen Länder unterworfen. Dies kann zu dem leidlichen Resultat führen, dass in einem Land bereits eine Insolvenz angemeldet werden muss, während in einem anderen noch Restrukturierungsmaßnahmen vorgenommen werden können. Die TMA Deutschland setzt sich für eine EU-Harmonisierung mit einheitlichen Rahmenbedingungen und Regeln ein, um Unternehmens-Know-how, Industrieinfrastruktur, Lieferanten- und Kundenbeziehungen zu erhalten und Arbeitsplätze zu sichern. Dadurch wäre auch auf europäischer Ebene mehr Verfahrenssicherheit gewährleistet.


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