Digitalisierung – Chance oder Risiko in der Restrukturierung?
Frankfurter Restrukturierungsforum: Die Digitalisierung bietet viele Möglichkeiten, die in der Restrukturierung die Arbeit erleichtern werden, jedoch lässt sich die persönliche Kommunikation bei wichtigen Verhandlungen nicht durch moderne Medien ersetzen.
Digitalisierung ist
inzwischen fast zu einem „Modewort“ verkommen. Aber jede Branche und jeder
Lebensbereich ist davon durchzogen. Grund genug, sich beim neunten Frankfurter
Restrukturierungsforum mit dem Thema „Digitalisierung – Chance oder Risiko in
der Restrukturierung?“ auseinanderzusetzen. Eine wichtige Erkenntnis des
Abends: Die Digitalisierung bietet viele Möglichkeiten, die in der
Restrukturierung die Arbeit erleichtern werden, jedoch lässt sich die
persönliche Kommunikation bei wichtigen Verhandlungen nicht durch moderne
Medien ersetzen.
Digitalisierung sei die „Automatisierung von Prozessen und Geschäftsmodellen durch das Vernetzen von digitaler Technik, Informationen und Menschen.“ Mit dieser Eingangsdefinition eröffnete Markus Plankemann (Direktor und Projektmanager Digital Business Development, Commerzbank AG) das Frankfurter Restrukturierungsforum. Die besondere Herausforderung, so der Banker, sei es, dass die Entwicklung der Technik exponentiell verläuft, der Mensch es jedoch gewohnt sei, linear zu denken. Daraus ergibt sich eine Lücke, die man schließen muss. Plankemann betonte in seinem Vortrag, dass „Digitalisierung kein Trend ist und alles was digitalisiert werden kann, digitalisiert wird. Ganze Geschäftsmodelle ändern sich“. Sein Rat an die Gäste des Frankfurter Restrukturierungsforums: Nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern sich aktiv mit den Themen beschäftigen. Die Technik sei wichtig und sicherlich auch der Treiber, aber nicht der kritische Erfolgsfaktor. Notwendig sei ein „neues Denken“ in Form von Know-how. „Die Qualifikation und Befähigung der eigenen Mitarbeiter ist entscheidend. Es braucht Impulse von innen sowie außen und ein neue Kultur, die offen ist für Veränderung, und neue Impulse für das eigene Geschäftsmodell“, so Plankemann. Das gelte sowohl für die Restrukturierungsbranche selbst als auch für die kriselnden Kundenunternehmen.
In der anschließenden Diskussionsrunde – moderiert von Dr. Raoul Kreide (GSK Stockmann) und Eva Ringelspacher (hww Unternehmensberater GmbH) – diskutierten Frank Lembke (Vorstand, STP Informationstechnologie AG), Reinhard Voß (Rechtsanwalt, Vorsitzender des Aufsichtsrats, Andersch AG) und Markus Plankemann weiter über die Digitalisierung im Umfeld der Restrukturierung.
Einig waren sich alle Diskutanten, dass der deutsche Mittelstand völlig anders mit der Digitalisierung umgeht als beispielsweise Start-up-Unternehmen, man aber sicherlich von letzteren einiges lernen könne. „Diese brechen einfach die Regeln, die in etablieren Märkten vorhanden sind, und haben keine Scheu, auch in etablierte Geschäftsmodelle einzugreifen. Sie tun Dinge einfach, ohne ewig zu diskutieren, ohne immerfort Risiken abzuwägen oder ohne ein bis ans Ende perfekt entwickeltes Produkt zu haben“, beschrieb Frank Lembke seine Wahrnehmung von Start-ups. Reinhard Voß war überzeugt, dass der Mittelstand in Deutschland bisher nur sehr schwach digitalisiert sei. Im Zuge einer Restrukturierung sei es daher eine entscheidende Aufgabe der Beratungs- und Finanzierungseite, auch die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen – im Lichte der Digitalisierung – zu betrachten. Seine Einschränkung: „Wir dürfen dabei aber nicht das Wesentliche aus den Augen verlieren: die Liquidität und die Rentabilität der Unternehmen“.
Die Frage, ob Sanierungsentscheidungen auch auf Computer verlagert werden könnten, verneinte Voß. Bei Krisenunternehmen seien die Situationen und vor allem auch die Finanzierungsstrukturen derartig komplex geworden, dass die Digitalisierung nur ein Hilfsmittel sei, der Mensch aber für die Entscheidung nach wie vor unersetzlich wäre: „Häufig kommt es darauf an, in der entscheidenden Situation die richtige Entscheidung zu treffen. Und vor allem in der Restrukturierung müssen wir Entscheidungen adhoc treffen. Dazu gehört natürlich Mut und eben nicht nur relativ viel Zeit“. Jedoch würde die Digitalisierung eine große Effizienzsteigerung auf der Personal- und Kostenseite bringen, was sich vor allem im reinen Privatkundengeschäft bemerkbar machen würde. Auch Plankemann zeigte sich von einer effizienten Bearbeitung bei den Kreditinstituten überzeugt: Dank der digitalen Entwicklungen könnten Informationen schnell aufbereitet und Entscheidungen vorbereitet werden, damit der Mensch dann schnellere Entscheidungen treffen kann. Das sei vor allem im Zeitalter von Big Data eine enorme Erleichterung. Lembke konnte das ebenfalls bestätigen: Seiner Erfahrung nach seien die Restrukturierer – egal ob Verwalter oder Berater – mit einer riesigen Menge an Daten und Dokumenten der Kunden konfrontiert. Anders als früher seien diese heute eben digital und würden nicht mehr hunderte Ordner füllen. Die erste Stufe, die dank der Digitalisierung inzwischen erreicht werden konnte, sei es, diese Unterlagen sinnvoll abzulegen, so dass die Beteiligten damit arbeiten können. Die nächste Stufe sei dann die Automatisierung, also das automatisierte Abarbeiten der Themen – teilweise durch die Technik vorbereitet. Die nächste Stufe wäre dann die künstliche Intelligenz. Jedoch stecken die zweite und dritte Stufe noch in den Anfängen.
Einen großen Einfluss würde die Digitalisierung auf die Kommunikation haben, so Plankemann. Die größte Herausforderung sei es, multikanalfähig zu werden. Voß ging sogar noch einen Schritt weiter. Er vertrat die Ansicht, dass die Wahl der Verhandlungsart und -weise eine taktische, wenn nicht sogar strategische, Entscheidung sei. „Wir werden sicherlich dazu kommen, mehr Videokonferenzen durchzuführen. Jedoch sind meine Erfahrungen, dass diese bei schwierigen Entscheidungen nicht geeignet sind. Man erreicht eher das Ziel bzw. einen Konsens, wenn man sich live Auge in Auge gegenübersitzt“, so der langjährige Banker. Dabei würden Aspekte wie die nonverbale Kommunikation ebenso eine Rolle spielen wie Flurgespräche oder Raucherpausen. Eine Videokonferenz sei gut, wenn es nur im den reinen Austausch oder die regelmäßige Kommunikation gehen würde. Bei der täglichen Zusammenarbeit in Restrukturierungsprojekten würde die Branche vermehrt über Projekträume arbeiten, so Lembke. Pro Kunde gebe es dann einen Projektraum mit allen Daten mit Messagingfunktion. „Sicherlich werden wir nach wie vor Mails schreiben, aber eben ohne Anhänge. Dokumente werden wir immer stärker in Cloudspeichern oder Datenräumen ablegen und via Mail die entsprechenden Links teilen“, so Lembke.
Die Veranstalter des Frankfurter Restrukturierungsforums sind Brinkmann & Partner Rechtsanwälte Steuerberater | Insolvenzverwalter, GSK Stockmann Rechtsanwälte, Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und hww hermann wienberg wilhelm. Das Restrukturierungsforum ist eine Plattform für Experten der Branche und bringt zwei Mal pro Jahr alle an der Sanierung eines Unternehmens Beteiligten zusammen. Hochrangige Gäste stellen aus verschiedenen Blickwinkeln ein aktuelles Thema vor und teilen ihr Expertenwissen mit den Gästen in der Diskussion.
Die nächste Veranstaltung findet im Frühjahr 2018 statt.
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