Distressed M&A-Studie: Unternehmensbewertungen werden deutlich fallen
Distressed Investoren verlieren Interesse an Unternehmen aus Krisenbranchen
Distressed
Investoren wenden sich von Unternehmen aus Krisenbranchen ab, zudem werden die
Preise beim Verkauf von insolventen Unternehmen künftig deutlich sinken. Zu
diesen Ergebnissen kommt die distressed M&A-Studie von Falkensteg zu den
Auswirkungen der Pandemie auf den Transaktionenmarkt in Sondersituationen.
Hintergrund sind die von den befragten Experten erwartete Insolvenzwelle im
Herbst und die wirtschaftlichen Unsicherheiten durch die Corona-Pandemie. „Die
steigenden Kaufoptionen ab dem vierten Quartal 2020 und die Covid-19-Risiken
werden in die Unternehmensbewertungen eingepreist. Das führt zu erheblichen
Abschlägen insbesondere in den Krisenbranchen“, erklärt Johannes von
Neumann-Cosel, Studienautor und Partner bei Falkensteg. Die
Unternehmensberatung befragte im Mai 450 Investoren nach ihrer Expertenmeinung.
Wenig Einfluss auf aktuelle Transaktionen
Die
Covid-19-Pandemie scheint das Geschäft im distressed M&A-Markt nicht
auszubremsen. Lediglich 13,5 Prozent der Investoren haben ihre Vorhaben nach
dem Ausbruch komplett aufgegeben. Bei 38,7 Prozent der Teilnehmer laufen die
Deals im MidCap-Bereich einfach weiter und 40,5 Prozent haben ihre
Transaktionsvorhaben lediglich zurückgestellt. Das Investmentinteresse werde
darüber hinaus nicht abebben: 73 Prozent der Befragten wollen ungehindert
weiter investieren, auch wenn 60 Prozent der M&A-Experten erst in den
ersten drei Quartalen des nächsten Jahres eine Verbesserung der
wirtschaftlichen Lage erwarten.
Bereits
in diesem Herbst könnten die distressed Deals deutlich zunehmen, wenn die
gesetzliche Aussetzung der Insolvenzantragspflicht endet. Die Maßnahme soll
Unternehmen schützen, die in Folge der Corona-Pandemie in eine finanzielle
Schieflage geraten sind, und die Firmenpleiten eindämmen. Rund die Hälfte der
Investoren gehen deshalb von einem Anstieg der Insolvenzen in den Monaten
September und Oktober aus. Dann sollen die Dealzahlen deutlich nach oben gehen:
ein Drittel der Experten erwarten eine Steigerung zwischen 10 - 20 Prozent, ein
weiteres Drittel sieht einen Aufwärtstrend um mehr als 20 Prozent. Eine
Verlängerung der Aussetzung, so wie Sie derzeit von Teilen der Politik ins
Gespräch gebracht wird, würde diesen Anstieg wahrscheinlich weiter in die
Zukunft verschieben. Ob die bereits im Gesetz (COVInsAG) vorgesehenen sechs
Monate ausreichen, damit die Unternehmen die Insolvenzantragsgründe beseitigen
können, ist aus Sicht des M&A-Experten von Neumann-Cosel fraglich.
Übernahmeinteresse in BtoC-Unternehmen und Fahrzeugbau sinkt
Die
BtoC-Branchen sowie die Export-Industrien zählen nicht nur zu den Verlierern
der Corona-Pandemie, sondern die Studienteilnehmer schließen bei Touristik (57
%), Gastronomie (54 %), Einzelhandel (46 %), Luftfahrt (46 %), Möbel (38 %) und
Fahrzeugbau (32 %) eine Übernahmeinteresse generell aus. Einzige Ausnahme ist
der Maschinen- und Anlagenbau. 92 Prozent wollen diese Branche bei künftigen
Vorhaben berücksichtigen. Lediglich fünf Prozent schlossen ein Engagement
durchweg aus. Dagegen suchen die M&A-Experten erstmals nach
Übernahmekandidaten in den Branchen Nahrungsmittel (30 %), Pharmazie (27 %) und
Logistik (27 %). „Strategische Investoren sollten über Zukäufe beim
Wettbewerber nachdenken. Sie können derzeit zu risikoadjustierten Preisen
Unternehmen mit einem guten Geschäftsmodell erwerben“, weiß Falkensteg-Partner
von Neumann-Cosel.
MAG-Klauseln könnten Standard werden
84
Prozent der Studienteilnehmer erwarten einen substanziellen Einfluss auf die
Bewertungen bei Unternehmenskäufen – auch wenn eine realistische Einschätzung
der Risiken beispielsweise zur Länge von Lieferstopps, einer zweiten
Infektionswelle oder die Höhe des Umsatzrückganges nicht möglich ist.
„Erfahrungen aus der Vergangenheit sind nicht auf die aktuelle Situation
übertragbar“, so von Neumann-Cosel. Deshalb werde es pauschale Abschläge geben,
die sich erst mit der Zeit an die Realität anpassen werden. Insolvenzverwalter
als Verkäufer müssen sich deshalb auf geringere Massen einstellen. Zusätzlich
werden die Erwartungen durch sinkende Gebrauchtmaschinenpreise angetrieben.
Aufgrund der steigenden Insolvenzen werde der Markt mit gebrauchten Maschinen
aus Liquidierungen geflutet werden.
Neben
sinkenden Unternehmensbewertungen erwarten Investoren in distressed Deals
künftig deutlich mehr Sicherheiten von den Verkäufern. 76 Prozent der Befragten
gehen davon aus, dass MAC-Klauseln (Material Adverse Change) mit speziellen
Formulierungen zur Minderung der Coronarisiken die Kaufverträge ergänzen
werden. Garantien (67,6 Prozent) und „normale“ MAC-Klauseln (43,2 Prozent)
könnten zum Standard werden. MAC-Klauseln sollen den Käufer vor einer negativen
Entwicklung des gekauften Unternehmens wie Umsatz-Einbrüchen oder dem Wegfall
von wichtigen Kunden zwischen Signing und Closing schützen. Üblich sind die zusätzlichen
Absicherungen im Distressed-Bereich aufgrund der eigentlich kurzen
Verkaufsprozesse bisher nicht.
M&A-Prozesse werden länger dauern
Unsicherheiten
gehören für distressed Investoren zum Tagesgeschäft. Doch die Pandemie schafft
zusätzliche Risiken wie eine ungenaue Umsatzplanung (94,6 %), unbekannte
Lockdown-Folgen (73 %), die gesamtwirtschaftliche Situation (70,3 %) und die
restriktive Kreditvergabe der Banken (67,6 %). Ganz oben steht die Frage, wie
resistent ist das Geschäftsmodell gegen die Corona-Nachwehen und weitere
Infektionswellen? Ausführlichere Verkaufsgespräche, tiefergehende Analysen und
die stärkere Selektion von Übernahmekandidaten in der Due Diligence werden die
Folgen sein. „M&A-Prozesse sollten so früh wie möglich angestoßen werden.
Dadurch erhalten alle Beteiligten mehr Spielraum für Handlungsmöglichkeiten und
es kann eine höhere Transparenz bei den oft unzureichenden Finanzzahlen
geschaffen werden“, sagt Johannes von Neumann-Cosel.
Vermehrt werde der Zeitrahmen des vorläufigen Insolvenzverfahrens, in dem das Insolvenzgeld Liquidität in die leere Kasse des Unternehmens spült, nicht ausreichen, den Verkaufsprozesse durchzuführen. Insolvenzverwalter müssen daher früher operative Entscheidungen treffen – beispielsweise bei Preisverhandlungen oder Personalmaßnahmen –, um ein Unternehmen auch im eröffneten Verfahren fortzuführen.
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