29.06.2020 - Kategorie "Sanierung"

Distressed M&A-Studie: Unternehmensbewertungen werden deutlich fallen

Insolvenz und Firmenkauf: M&A-Prozesse werden länger dauern

Distressed Investoren verlieren Interesse an Unternehmen aus Krisenbranchen


Distressed Investoren wenden sich von Unternehmen aus Krisenbranchen ab, zudem werden die Preise beim Verkauf von insolventen Unternehmen künftig deutlich sinken. Zu diesen Ergebnissen kommt die distressed M&A-Studie von Falkensteg zu den Auswirkungen der Pandemie auf den Transaktionenmarkt in Sondersituationen. Hintergrund sind die von den befragten Experten erwartete Insolvenzwelle im Herbst und die wirtschaftlichen Unsicherheiten durch die Corona-Pandemie. „Die steigenden Kaufoptionen ab dem vierten Quartal 2020 und die Covid-19-Risiken werden in die Unternehmensbewertungen eingepreist. Das führt zu erheblichen Abschlägen insbesondere in den Krisenbranchen“, erklärt Johannes von Neumann-Cosel, Studienautor und Partner bei Falkensteg. Die Unternehmensberatung befragte im Mai 450 Investoren nach ihrer Expertenmeinung.


Wenig Einfluss auf aktuelle Transaktionen

Die Covid-19-Pandemie scheint das Geschäft im distressed M&A-Markt nicht auszubremsen. Lediglich 13,5 Prozent der Investoren haben ihre Vorhaben nach dem Ausbruch komplett aufgegeben. Bei 38,7 Prozent der Teilnehmer laufen die Deals im MidCap-Bereich einfach weiter und 40,5 Prozent haben ihre Transaktionsvorhaben lediglich zurückgestellt. Das Investmentinteresse werde darüber hinaus nicht abebben: 73 Prozent der Befragten wollen ungehindert weiter investieren, auch wenn 60 Prozent der M&A-Experten erst in den ersten drei Quartalen des nächsten Jahres eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage erwarten.


Bereits in diesem Herbst könnten die distressed Deals deutlich zunehmen, wenn die gesetzliche Aussetzung der Insolvenzantragspflicht endet. Die Maßnahme soll Unternehmen schützen, die in Folge der Corona-Pandemie in eine finanzielle Schieflage geraten sind, und die Firmenpleiten eindämmen. Rund die Hälfte der Investoren gehen deshalb von einem Anstieg der Insolvenzen in den Monaten September und Oktober aus. Dann sollen die Dealzahlen deutlich nach oben gehen: ein Drittel der Experten erwarten eine Steigerung zwischen 10 - 20 Prozent, ein weiteres Drittel sieht einen Aufwärtstrend um mehr als 20 Prozent. Eine Verlängerung der Aussetzung, so wie Sie derzeit von Teilen der Politik ins Gespräch gebracht wird, würde diesen Anstieg wahrscheinlich weiter in die Zukunft verschieben. Ob die bereits im Gesetz (COVInsAG) vorgesehenen sechs Monate ausreichen, damit die Unternehmen die Insolvenzantragsgründe beseitigen können, ist aus Sicht des M&A-Experten von Neumann-Cosel fraglich.


Übernahmeinteresse in BtoC-Unternehmen und Fahrzeugbau sinkt

Die BtoC-Branchen sowie die Export-Industrien zählen nicht nur zu den Verlierern der Corona-Pandemie, sondern die Studienteilnehmer schließen bei Touristik (57 %), Gastronomie (54 %), Einzelhandel (46 %), Luftfahrt (46 %), Möbel (38 %) und Fahrzeugbau (32 %) eine Übernahmeinteresse generell aus. Einzige Ausnahme ist der Maschinen- und Anlagenbau. 92 Prozent wollen diese Branche bei künftigen Vorhaben berücksichtigen. Lediglich fünf Prozent schlossen ein Engagement durchweg aus. Dagegen suchen die M&A-Experten erstmals nach Übernahmekandidaten in den Branchen Nahrungsmittel (30 %), Pharmazie (27 %) und Logistik (27 %). „Strategische Investoren sollten über Zukäufe beim Wettbewerber nachdenken. Sie können derzeit zu risikoadjustierten Preisen Unternehmen mit einem guten Geschäftsmodell erwerben“, weiß Falkensteg-Partner von Neumann-Cosel.


MAG-Klauseln könnten Standard werden

84 Prozent der Studienteilnehmer erwarten einen substanziellen Einfluss auf die Bewertungen bei Unternehmenskäufen – auch wenn eine realistische Einschätzung der Risiken beispielsweise zur Länge von Lieferstopps, einer zweiten Infektionswelle oder die Höhe des Umsatzrückganges nicht möglich ist. „Erfahrungen aus der Vergangenheit sind nicht auf die aktuelle Situation übertragbar“, so von Neumann-Cosel. Deshalb werde es pauschale Abschläge geben, die sich erst mit der Zeit an die Realität anpassen werden. Insolvenzverwalter als Verkäufer müssen sich deshalb auf geringere Massen einstellen. Zusätzlich werden die Erwartungen durch sinkende Gebrauchtmaschinenpreise angetrieben. Aufgrund der steigenden Insolvenzen werde der Markt mit gebrauchten Maschinen aus Liquidierungen geflutet werden.


Neben sinkenden Unternehmensbewertungen erwarten Investoren in distressed Deals künftig deutlich mehr Sicherheiten von den Verkäufern. 76 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass MAC-Klauseln (Material Adverse Change) mit speziellen Formulierungen zur Minderung der Coronarisiken die Kaufverträge ergänzen werden. Garantien (67,6 Prozent) und „normale“ MAC-Klauseln (43,2 Prozent) könnten zum Standard werden. MAC-Klauseln sollen den Käufer vor einer negativen Entwicklung des gekauften Unternehmens wie Umsatz-Einbrüchen oder dem Wegfall von wichtigen Kunden zwischen Signing und Closing schützen. Üblich sind die zusätzlichen Absicherungen im Distressed-Bereich aufgrund der eigentlich kurzen Verkaufsprozesse bisher nicht.


M&A-Prozesse werden länger dauern

Unsicherheiten gehören für distressed Investoren zum Tagesgeschäft. Doch die Pandemie schafft zusätzliche Risiken wie eine ungenaue Umsatzplanung (94,6 %), unbekannte Lockdown-Folgen (73 %), die gesamtwirtschaftliche Situation (70,3 %) und die restriktive Kreditvergabe der Banken (67,6 %). Ganz oben steht die Frage, wie resistent ist das Geschäftsmodell gegen die Corona-Nachwehen und weitere Infektionswellen? Ausführlichere Verkaufsgespräche, tiefergehende Analysen und die stärkere Selektion von Übernahmekandidaten in der Due Diligence werden die Folgen sein. „M&A-Prozesse sollten so früh wie möglich angestoßen werden. Dadurch erhalten alle Beteiligten mehr Spielraum für Handlungsmöglichkeiten und es kann eine höhere Transparenz bei den oft unzureichenden Finanzzahlen geschaffen werden“, sagt Johannes von Neumann-Cosel.


Vermehrt werde der Zeitrahmen des vorläufigen Insolvenzverfahrens, in dem das Insolvenzgeld Liquidität in die leere Kasse des Unternehmens spült, nicht ausreichen, den Verkaufsprozesse durchzuführen. Insolvenzverwalter müssen daher früher operative Entscheidungen treffen – beispielsweise bei Preisverhandlungen oder Personalmaßnahmen –, um ein Unternehmen auch im eröffneten Verfahren fortzuführen.


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