14.07.2014 - Kategorie "Sanierung"

Gehen Deutschland die Gründer aus?

Die Insolvenzgefahr schwingt auch bei Neugründungen mit

Standpunkt des Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn.


Junge Unternehmen und Neugründungen geben auf Grund ihrer Flexibilität und Innovationskraft wichtige Impulse für eine permanente Erneuerung und Modernisierung der Wirtschaft. Nicht ohne Grund gibt es daher seit den 1990er Jahren vielfältige Gründungsinitiativen auf Bundes- und Landesebene. Gleichwohl lässt sich beobachten, dass seit einigen Jahren die Anzahl der gewerblichen Existenzgründungen in Deutschland sinkt – sieht man einmal vom Gründungshoch Mitte der 2000er Jahre ab. In 2013 waren noch 338.000 gewerbliche Existenzgründungen zu verzeichnen.


Auch das freiberufliche Gründungsgeschehen ist seit Beginn der 2010er Jahre rückläufig. Lediglich in 2013 zeichnet sich in beiden Bereichen eine Konsolidierung ab, zu der eine wieder etwas großzügigere Förderung von gründungswilligen Arbeitslosen durch die Bundesagentur für Arbeit im zweiten Halbjahr 2013 beigetragen hat. Lässt sich aus diesen Entwicklungen nun schließen, dass die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft auf längere Sicht gefährdet ist?


Aktuell steht Sicherheit vor Selbstständigkeit

Die Gründungsentscheidung ist von vielerlei Faktoren abhängig, u. a. von den individuellen Arbeitsmarktchancen, der Einschätzung der unternehmerischen Chancen und der Bewertung des Risikos, mit der zweifellos jede Unternehmensgründung verbunden ist. So hat eine unserer Studien jüngst erneut gezeigt, dass jedes zweite neu gegründete Unternehmen nach vier bis fünf Jahren aus dem Markt ausscheidet oder unter die Umsatzschwelle von 17.500 Euro pro Jahr rutscht.

 

Betrachtet man die Chancen, so bieten sich diese eindeutig für kleinere Unternehmen und Freiberufler durch den fortschreitenden Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft: Unseren Untersuchungen zufolge können sich aktuell Existenzgründungen in den FuE-intensiven und wissensintensiven Bereichen nicht nur besser am Markt behaupten, sondern sie wachsen auch überdurchschnittlich. Angesichts der Entwicklung hin zu Industrie 4.0 wird vor allem die Nachfrage nach unternehmensnahen Dienstleistungen zweifellos weiter ansteigen.

 

Andererseits erleichtert es gerade aber auch die aktuell gute Arbeitsmarktlage gut qualifizierten Personen, eine abhängige Beschäftigung zu finden. Auch Nebentätigkeiten werden tendenziell seltener ergriffen, je besser die Einkommens-Chancen in der in Vollzeit ausgeübten abhängigen Beschäftigung sind. Dies gilt in gleichem Maße für die Angehörigen der Freien Berufe wie für die potenziellen gewerblichen Gründer.



Lieber auf Dauer alleine

Auffallend ist, dass viele Existenzgründer heutzutage alleine starten – und auch für die nähere Zukunft nicht planen, Mitarbeiter einzustellen. Allein zwischen 1991 und 2012 ist die Zahl dieser sogenannten "Solo-Selbstständigen" um 82,4 % auf 2,5 Millionen gestiegen.

 

Die Gründe, warum Einzelpersonen kein personelles Wachstum anstreben, sind vielschichtig: Manche Geschäftsideen bieten schlicht keine Möglichkeit zur Erweiterung. Auch scheut ein Teil der Gründer das Risiko, das mit Wachstum verbunden ist. Daneben begünstigen die modernen elektronischen Kommunikationswege neue Formen der Zusammenarbeit – was sich beispielsweise an der internetbasierten Gründerszene in Berlin beobachten lässt. Dadurch, dass die Solo-Selbstständigen und kleinen dienstleistungsorientierten Einzelunternehmen ortsunabhängig arbeiten und mit wenig Ressourcen auskommen, können sie rasch für einzelne Projekte Teams bilden: In diese "wechselnden Netzwerke" bringen sie über einen bestimmten Zeitraum ihre jeweiligen spezifischen Fähigkeiten und Kompetenzen ein – danach trennen sich die Projektpartner wieder.



Nicht jeder möchte ein Unternehmen neu gründen

Wesentliche Impulse gehen aber auch von den Gründungswilligen aus, die lieber ein bestehendes Unternehmen übernehmen – anstatt es selbst zu gründen. Nach Schätzungen des IfM Bonn wird in den kommenden fünf Jahren für insgesamt rund 135.000 Unternehmen ein Nachfolger gesucht, weil die Eigentümer aufgrund von Alter, Krankheit oder Tod aus der Geschäftsführung ausscheiden. Aufgrund des demografischen Wandels schrumpft zwar das Nachfolgerpotenzial, gleichwohl wird zumindest rechnerisch die Anzahl derjenigen, die an einer Übernahme interessiert sind, weiterhin die Anzahl der übernahmewürdigen Unternehmen übersteigen. Regionale und branchenspezifische Engpässe können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden.

 

Trotz der rückläufigen Entwicklungen im Gründungsgeschehen besteht also gegenwärtig kein Anlass zu übergroßer Sorge. Zum einen deutet sich an, dass eine Talsohle erreicht sein könnte. Zum anderen ist völlig offen, wie viele Gründungen eine Volkswirtschaft benötigt, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Entscheidender ist also weniger die bloße Anzahl als vielmehr die Art der gegründeten Unternehmen. Hier die richtigen Impulse zu setzen, ist weiterhin Aufgabe der Wirtschaftspolitik – gerade auch vor dem Hintergrund des sich beschleunigenden demografischen Wandels, in dessen Zuge mit einer Verringerung des Gründungspotenzials zu rechnen ist.



Bild: © fakhar

Wollen Sie umgehend informiert werden, wenn es Neuigkeiten zu diesem Verfahren gibt?


Testen Sie kostenfrei und unverbindlich 3 Tage lang diese Funktionalität - zum Beispiel über unser "Risk-Paket" - und wir benachrichtigen Sie, sobald zum Verfahren neue Nachrichten oder neue Beschlüsse vorliegen.


Jetzt zur Paketauswahl