21.08.2020 - Kategorie "Insolvenzverfahren"

Großinsolvenzen nehmen weiterhin zu

mehr Großinsolvenzen durch Covid 19

Verkäufe von insolventen Unternehmen dauern länger


Die Coronakrise lässt die Anzahl von Großinsolvenzen im zweiten Quartal dieses Jahres weiter ansteigen. Zwischen April und Juni meldeten die Amtsgerichte 58 Insolvenzen von Unternehmen mit einem Umsatz größer 20 Mio. Euro. Das ist ein Anstieg von 29 Prozent gegenüber dem ersten Quartal in 2020. Auf den April entfielen 27 Verfahren und damit noch einmal sieben Insolvenzen mehr als im Vormonat März. Seit acht Jahren wurden keine höheren Antragszahlen gemeldet.


Bei den Großinsolvenzen ist die befürchtete Insolvenzwelle aufgrund der Corona-Pandemie schon angekommen. Im ersten Halbjahr dieses Jahres gab es in dem Umsatzsegment insgesamt 103 Unternehmensinsolvenzen. „Es könnten bis Dezember mehr als 200 Firmeninsolvenzen werden. Das Niveau des Vorjahres mit 118 Anträgen ist fast erreicht und es werden noch zwei weitere starke Quartale kommen“, erwartet Falkensteg-Partner und Studienautor Johannes von Neumann-Cosel.


Weiterhin schwierigen Zeiten gehen der Einzelhandel und die automobilnahen Unternehmen entgegen. In beiden Branchen verdoppelten sich die Insolvenzzahlen gegenüber dem ersten Quartal von sieben auf 14. Jedoch waren viele Händler und Automobilzulieferer bereits vor der Krise angeschlagen und in Liquiditätsschwierigkeiten. Staatliche Kredite wurden ihnen meist verwehrt, da sie die Kriterien verfehlten. Denn nur pandemiebedingt verschuldete Unternehmen sollen die Hilfsangebote erhalten. „Eine weitere Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wird die Probleme der beiden Branchen nicht lösen. Weiterhin spricht gegen eine Verlängerung das Risiko, dass diese Unternehmen langfristig ihren Verpflichtungen nicht nachkommen werden können und der Schaden für Lieferanten und Kunden steigt“, so von Neumann-Cosel, „dagegen würde die Verlängerung der Bezugsdauer der Kurzarbeit den angeschlagenen Unternehmen in dieser Notsituation helfen.“


Die Restrukturierungsberatung Falkensteg recherchiert für den Insolvenz-Report alle drei Monate das Insolvenzgeschehen. Dazu werden Informationen des Insolvenz-Portals, der Creditreform, des Statistischen Bundesamtes sowie von Insolvenzverwaltern ausgewertet und mit eigenen Analysen ergänzt.


Schutzschirmverfahren auf dem Vormarsch

Die Coronakrise verschafft dem bereits totgesagten Schutzschirmverfahren eine Renaissance. In der besonderen Form der Eigenverwaltung können Unternehmen bereits einen Antrag stellen, obwohl sie nur drohend zahlungsunfähig sind. Unter den Top-5-Verfahren nutzen mit Galeria Karstadt Kaufhof, Sinn und Nanogate gleich drei Firmen den Rettungsschirm. Sie verfolgen damit die Sanierungsweisheit, je früher der Antrag gestellt wird, umso größer sind die Handlungsoptionen. „Viele Unternehmen gehen in der Pandemiezeit diesen Sanierungsweg. Sie starten gut vorbereitet in das Schutzschirmverfahren. Die Erfolgsaussichten für die Sanierung sind somit sehr hoch“, weiß von Neumann-Cosel.


Das Sanierungsinstrument ist darauf ausgerichtet, dass das Unternehmen erhalten bleibt. Die Firmenleitung hat das Heft des Handelns weiter in der Hand. Lediglich das Insolvenzgericht und ein vorläufiger Sachwalter beaufsichtigen die Geschäftsführung oder den Vorstand. Mit dem Schutzschirm kann das Unternehmen mit den Mitteln des Insolvenzrechtes an die Zeit nach der Pandemie und den sich ändernden Marktgegebenheiten angepasst werden. Unter den 58 Verfahren des zweiten Quartals sind 31 Eigenverwaltungen, darunter elf Schutzschirmverfahren, und 27 Regelinsolvenzen. Im gesamten Vorjahr stellten lediglich fünf Unternehmen einen Antrag auf den Schutzschirm.


Verkaufsprozesse von insolventen Unternehmen dauern länger

Bei den Verfahrensausgängen zeigt die Pandemie ebenfalls ihre Wirkung. Derzeit sind aus diesem und den vergangenen Jahren noch 125 Insolvenzverfahren (39 Prozent) offen. Im Vorjahr waren zu diesem Zeitpunkt lediglich noch 22 Prozent der Verfahren ohne Lösung. „Derzeit dauert es deutlich länger, eine Lösung oder einen Käufer für ein insolventes Unternehmen zu finden. Die Verwalter müssen deshalb unternehmerischer sein und in der Krise länger fortführen“, erklärt der Sanierungsberater.


Hintergrund für das zurückhaltende Kaufinteresse der Investoren sind die Unsicherheiten durch die Pandemie. Sie schafft zusätzliche Risiken und lässt die Frage offen, wie resistent die Geschäftsmodelle gegen die Corona-Nachwehen oder weitere Lockdowns sind. Die Dauer eines distressed M&A-Prozesses hat deshalb deutlich zugenommen. „Potenzielle Investoren führen ausführlichere Verkaufsgespräche und wollen tiefergehende Analysen. Deshalb sollten alle Beteiligten mehr Zeit einplanen. Das schafft aber auch mehr Spielraum für weitere Handlungsmöglichkeiten“, sagt Johannes von Neumann-Cosel.

 


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