Großinsolvenzen: dunkle Wolken am Horizont
Sondereffekte drücken Insolvenzzahlen
Das niedrige Niveau bei den Insolvenzanmeldungen von Großunternehmen bleibt weiterhin unverändert. Im dritten Quartal 2021 mussten lediglich 14 Unternehmen mit einem Umsatz größer 20 Mio. Euro bei den Amtsgerichten einen Insolvenzantrag stellen. Damit sanken die Tiefstände der vergangenen beiden Quartale mit jeweils 17 Verfahren weiter um rund 18 Prozent. Im Vorjahreszeitraum meldeten 33 Firmen eine Insolvenz an, so der Insolvenz-Report von Falkensteg.
Mittelständische Autozulieferer besonders betroffen
Eine Trendwende scheint sich allerdings im September anzukündigen. Neun der 14 Insolvenzen entfielen auf diesen Monat. Während der Einzelhandel und die Dienstleister gut über den Sommer kamen, ist das produzierende Gewerbe besonders betroffen. Hier stechen die vier Automobilzulieferer Bolta-Werke, Heinze-Gruppe, A-Kaiser und Emil Bucher heraus. Mit einem Umsatz von jeweils mehr als 100 Mio. Euro gehören sie zu den größten Insolvenzen in diesem Quartal.
Die Liste der Zulieferer in diesem Umsatzsegment könnte noch länger werden. Je nach Prognose sollen in 2021 zwischen sieben und elf Millionen Fahrzeuge weniger gebaut werden als Anfang des Jahres geplant – vorwiegend in Europa. Dazu belasten die steigenden Rohstoffpreise und Energiekosten. Das trifft nun die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die nur regional aufgestellt sind und die steigenden Kosten aufgrund der langfristigen Verträge nicht weiterreichen können. „Wenn weitere exogene Schocks hinzukommen, obwohl die Überbrückungshilfe und das Kurzarbeitergeld wieder verlängert werden, werden die Insolvenzen in dieser Branche deutlich steigen“, so Studienautor und Falkensteg-Partner Johannes von Neumann-Cosel. Eine Welle erwartet der Sanierungsexperte nicht, jedoch hänge die Zahl der Insolvenzen insbesondere von der Wirtschaftspolitik der neuen Regierung ab.
Bisher
hat die Branche die Corona Krise gut überwunden. Jedoch fahren viele Zulieferer
auf Sicht, denn die Lücke zwischen den faktischen Abrufen der OEM und ihren
Bestellungen vergrößert sich schon seit Mitte des Jahres. Viele Unternehmen
steuern proaktiv dagegen und passen die eigene Produktionsplanung und
Materialbeschaffung an die tatsächlichen Lieferungen der Vorwochen an. „Noch
wichtiger ist es aber, einen täglichen Blick auf die Liquiditätssituation zu
werfen. Die Abrufe in den nächsten vier Monaten werden kaum besser. Das muss
jetzt in die Unternehmensplanung einfließen“, rät von Neumann-Cosel.
Steigende Insolvenzgefahr bei Retailern
Einem kritischen Jahresendgeschäft gehen auch die Retailer entgegen. Wegen Engpässen vorwiegend bei Elektronikwaren aus Asien, Kaufzurückhaltung bei den Kunden und steigenden Inzidenzwerten könnte im klassischen Einzelhandel die Bescherung im Weihnachtsgeschäft gering ausfallen. Bisher haben die staatlichen Maßnahmen die Insolvenzahlen in dieser Branche auf einem Normalmaß gehalten. Nach dem Höhenflug im vergangenen Jahr mit 41 Insolvenzen, sanken die Firmenpleiten in 2021 wieder auf derzeit zehn Retailer-Verfahren.
Allerdings
drücken weitere Sorgenkinder. Die ersten Rückzahlungen der Corona-Kredite
werden fällig, viele Mitarbeiter haben sich in der Coronakrise und während der
Lockdowns umorientiert und das Onlinegeschäft hinkt oftmals hinterher.
„Weihnachten ist das Hauptgeschäft, in dem der Einzelhandel seine Gewinne
erzielt und damit den Wareneinkauf vorfinanziert. Knirscht es zu dieser Zeit,
hat das erhebliche Auswirkungen. Da bei vielen Händlern die Substanz inzwischen
aufgebraucht ist, könnte nach dem Auslaufen der staatlichen Hilfen eine
Pleitewelle der Retailer folgen“, befürchtet von Neumann-Cosel.
Mehr Verfahren beendet
Kommt es zu einer Insolvenz, muss das nicht das Ende des Unternehmens sein. So stellten 180 Firmen in 2020 einen Insolvenzantrag. Bis zum Oktober 2021 erhielten davon 125 Firmen eine zweite Chance. Sie wurden entweder an einen Investor veräußert (85) oder konnten sich durch einen Insolvenzplan sanieren (40). Die Rettungsquote ist mit 69 Prozent ungewöhnlich hoch. In den Vorjahren wurden lediglich rund 60 Prozent der Unternehmen fortgeführt. Mit der Insolvenz kam für 36 Unternehmen aber auch das endgültige Aus. Sie wurden liquidiert, stellten ihren Betrieb bereits ein oder meldeten Masseunzulänglichkeit an. Drei Unternehmen nahmen ihren Antrag wieder zurück. 16 Verfahren sind weiterhin ohne eine Lösung.
Besonders positiv hat sich die Verfahrensausgangsquote auch in diesem Jahr entwickelt. Für 25 Verfahren (53 Prozent) der insgesamt 48 Insolvenzen konnte bereits eine Lösung gefunden werden. Zehn Unternehmen wurden verkauft, bei vier Firmen stimmten die Gläubiger einem Insolvenzplan zu, sieben Antragsteller stellten ihren Betrieb ein und vier Verfahren wurden zurückgenommen. In den Vorjahren waren zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 44 Prozent (2020) bzw. 42 Prozent (2019) der Verfahren beendet.
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