Insolvenzen – wieder höherer Gläubigerschaden

Eine gute oder eine schlechte Nachricht? Die aktuellen Insolvenzzahlen zu den Unternehmen zeigen ein zweigeteiltes Bild.
Auf der einen Seite ist ein weiteres Plus bei den Insolvenzanträgen zu registrieren, denn 11.900 Insolvenzen bedeuten eine Steigerung gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres von 9,4 Prozent und damit die höchste Zahl der letzten zehn Jahre. Auf der anderen Seite sind die Zuwachsraten im ersten Halbjahr des laufenden Jahres gegenüber den beiden Vorjahreswerten gefallen. Zum Jahresultimo 2023 und 2024 lagen sie bei 22,9 bzw. 22,5 Prozent.
Ausdruck der Krise
An
den gesamtökonomischen Ursachen der steigenden Insolvenzen hat sich,
selbst wenn aktuell das Plus geringer geworden ist, nichts geändert, so
dass bestenfalls von einem Gipfelplateau gesprochen werden kann.
Deutschlands Wirtschaft steckt in der Rezession fest und die Unternehmen
sind mit einer Vielzahl von Krisenherden konfrontiert. Die Ausfuhren
lahmen im Zeichen der Zollpolitik des amerikanischen Präsidenten, aber
eben auch der Kriege sowie den damit verbundenen Bedrohungen und
Sanktionen. Auch die Binnenwirtschaft schwächelt, denn angesichts der
Inflation und der wirtschaftlichen Unsicherheiten können sich die Bürger
nicht zum Konsum entschließen. Hinzu kommen die Strukturprobleme
hierzulande, die im Begriff der Bürokratie ihren Ausdruck finden. Viele
gut gemeinte Vorschriften aus dem Umweltschutz oder dem Sozialrecht
führen zu Belastungen gerade in den mittelständischen Betrieben. Die
Produktion verteuert sich und die Kosten im Einkauf nehmen zu. Die
Unternehmen geraten in Finanzierungsprobleme, die in letzter Konsequenz
bis zur Insolvenz gehen können.
Im Zeichen der Krise ist eine weitere Rubrik hinzuzufügen, die in der amtlichen Statistik als „Sonstige Insolvenzen“ geführt wird und damit suggeriert, dass sie bei der Betrachtung des Gesamtgeschehens zu vernachlässigen sei. Mit über 12.000 Insolvenzen von Selbstständigen oder ehemals Selbstständigen, die den Weg über ein Insolvenzverfahren eingeschlagen haben, übertrifft diese Anzahl sogar noch die der eigentlichen Unternehmensinsolvenzen. Sie liegen im ersten Halbjahr 2025 bei 12.100 Fällen und damit höher als die 11.900 Fälle, die als Unternehmen gezählt werden. Tendenziell nahm die Zahl der Sonstigen Insolvenzen gegenüber den Unternehmensinsolvenzen in den letzten zehn Jahren zu. Die alleinige Betrachtung der Unternehmensinsolvenzen würde also nur ein unvollständiges Bild des Gesamtgeschehens geben. Im Zusammenhang mit den vielen „kleinen“ Selbstständigen ist auch darauf zu verweisen, dass die Hilfen für die Betriebe in den Zeiten des Lockdowns wohl mit der Gießkanne verteilt und Betriebe am Leben erhalten wurden, die in anderen Zeiten insolvent geworden wären.
Verbraucher ohne Konsum
Den
größten Teil der Gesamtinsolvenzen machen die Verbraucherinsolvenzen
mit 37.700 Fällen in den ersten sechs Monaten 2025 aus. Der Zuwachs von
6,6 Prozent liegt etwa auf der Höhe vom ersten Halbjahr 2024 mit 6,7
Prozent. Damit deutet sich allerdings kaum an, dass bei den
Verbraucherinsolvenzen ein Zuwachs seit 2023 hinzunehmen ist. Dieser
fällt weniger dramatisch aus als bei den Unternehmen, ist aber auch
Ausdruck der Krise und den Steigerungen der Lebenshaltungskosten etwa
bei den Mieten für Wohnungen oder den Nahrungsmittelpreisen. Die
Arbeitslosenzahlen steigen und die Wohlfahrtsverbände sprechen von einer
zunehmenden Verarmung. Das Instrument der Verbraucherinsolvenz soll
gerade einer solchen Verarmung, wie sie etwa in den Obdachlosenzahlen
zum Ausdruck kommt, entgegenwirken. Sie bietet einen Ausweg aus der
Verschuldungsspirale.
Die Gesamtinsolvenzen summieren sich im ersten Halbjahr 2025 auf 64.300 Fälle. Im ersten Halbjahr des Vorjahres waren es 60.020 Insolvenzen. Das entspricht einer Steigerung von 7,1 Prozent und damit insgesamt immerhin einer Abkehr von den hohen zweistelligen Zuwachsraten.
Arbeitsplätze gefährdet, Forderung vor dem Ausfall
Unternehmensinsolvenzen
sind aber nicht nur Ausdruck der Krise. Mit ihren Schäden im Hinblick
auf Gläubigerforderungen oder Arbeitsplätze schaffen sie selbst Krisen
oder verstärken sie zumindest. Die Gläubiger, seien es Banken,
Lieferanten oder die Sozialversicherungsträger, können ihre offenen
Forderungen nicht mehr realisieren. Auch wenn manche größere Insolvenz
in einem Sanierungsverfahren vielleicht noch Möglichkeiten bietet,
offene Beträge einzutreiben, zeigt die Statistik, dass die Quoten nur
wenige Prozentpunkte einer offenen Rechnung betragen. Die
Forderungsverluste können nur geschätzt werden, weniger weil manches
noch im Verfahren eingebracht werden kann (sie wären also niedriger
anzusetzen), sondern weil eben auf der anderen Seite wegen der
Aussichtslosigkeit viele Forderungen nicht angemeldet werden. Insgesamt
sind die drohenden Verluste der Gläubiger im ersten Halbjahr dieses
Jahres bei 33,4 Mrd. Euro anzusetzen. Ein deutlich höherer Wert als im
Vergleichszeitraum des Vorjahres mit 29,7 Mrd. Euro. Nur im ersten Jahr
der Corona-Krise 2021 lag der Forderungsausfall mit 3.609 Euro je
Insolvenz höher als aktuell mit 2.807 Euro.
Auch die Zahl zu den Arbeitsplatzverlusten kann nur eine Schätzung sein. Bereits in der Schieflage haben sich viele Betriebe von Mitarbeitern getrennt, um sich zu sanieren. Aber auch in der Sanierung wiederum bleiben Arbeitsplätze erhalten – eine Insolvenz muss nicht gleichzusetzen sein mit dem Verlust des Arbeitsplatzes. Im ersten Halbjahr 2025 waren rund 141.000 Arbeitnehmer von der Insolvenz ihres Arbeitgebers betroffen – ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vergleichszeitraum 2024 mit 133.000 Betroffenen. Waren 2023 und 2024 bei den durch Insolvenz bedrohten Arbeitsplätzen noch Steigerungen von deutlich über 40 Prozent zu registrieren, so ist das aktuelle Plus von 6,0 Prozent geradezu eine Erholung. Wenn auch hier, abgesehen von 2020 mit 332.000 gefährdeten Arbeitsplätzen im Gesamtjahr, der zweithöchste Wert der vergangenen zehn Jahre zu erleiden war.
Für die aktuelle Insolvenzentwicklung gilt ähnliches wie für die Inflation: Es zeigen sich leichte Besserungen, besiegt ist das Problem aber noch nicht.
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