Insolvenzreport Q4/2023: Zahl der Großinsolvenzen zum Jahresende leicht rückläufig
Positive Verfahrensausgänge um 32 Prozent eingebrochen - nur noch ein Drittel der insolventen Unternehmen beantragen ein Eigenverwaltungsverfahren
Die deutschen Amtsgerichte verzeichneten im vierten Quartal 2023 einen leichten Rückgang der Großinsolvenzen. Zum Jahresende ging die Zahl von 47 auf 45 Fälle zurück und stoppte damit den dreimaligen Aufwärtstrend seit Anfang des Jahres 2023. Im Vergleich zum Vorjahresquartal stieg die Zahl der Anmeldungen um zwei, von 43 auf 45. In der Branchenauswertung haben sich die Automobilzulieferer wieder an die Spitze gesetzt. In dieser Branche verdoppelte sich die Zahl der Anträge auf insgesamt zehn. Es folgen die Hersteller von Metallerzeugnissen (sieben Insolvenzen), der Einzelhandel (6) und das Gesundheitswesen (6). Der Falkensteg-Insolvenzreport berücksichtigt Verfahren von Großunternehmen mit einem Umsatz von mehr als 20 Millionen Euro.
„Wir verzeichnen zum Jahresende zwar einen kleinen Abwärtstrend, aber das vierte Quartal gehört zu den vier stärksten seit 2018. Das abgelaufene Jahr zeigte ohnehin viel Schatten und wenig Licht. Rückläufige Produktionszahlen, sinkende Konsumlaune, anhaltend hohe Energiekosten und der Fachkräftemangel setzen den Unternehmen immer weiter zu“, erklärt Studienautor und Falkensteg-Partner Jonas Eckhardt. So mussten im Gesamtjahr 2023 insgesamt 158 Großunternehmen Insolvenz anmelden – das sind 22 Prozent mehr als noch 2022 und der zweite Anstieg in Folge. „Die erneut gesenkten Konjunkturprognosen zeigen die weitere Talfahrt der deutschen Wirtschaft und eine Trendwende ist nicht in Sicht. Die Menschen haben einfach weniger Geld und das halten sie zusammen. Investitionen werden auch von den Unternehmen auf längere Zeit verschoben“, ergänzt der Restrukturierungsexperte Eckhardt.
Umsatzklassen unterschiedlich
Entspannt hat sich die Lage in der Umsatzklasse über 100 Millionen Euro. Hier haben sich die Fallzahlen von 13 auf sieben Insolvenzen fast halbiert. Gerade in den Sommermonaten waren die Pleiten der umsatzstarken Unternehmen in die Höhe geschnellt. Dagegen verdoppelten sich die Anmeldungen in der Umsatzklasse 50-100 Mio. Euro von sechs auf zwölf. Die Umsatzklasse 20-50 Mio. Euro bleibt mit 26 Insolvenzen auf hohem Niveau. Im Vorquartal mussten 28 Unternehmen einen Antrag stellen.
Die Bedeutung der Eigenverwaltungsverfahren hat zum Jahresende abgenommen. Vor einem Jahr beantragten noch 60 Prozent der insolventen Unternehmen dieses Sanierungsverfahren. Im vierten Quartal 2023 sank der Anteil der ESUG-Verfahren auf nur noch ein Drittel.
Einbruch bei der „zweiten Chance“
Zum Jahresende sind die erfolgreichen Verfahrensausgänge durch einen Asset Deal oder Insolvenzplan drastisch eingebrochen. So konnten im vierten Quartal 2023 nur noch 15 insolvente Unternehmen gerettet werden. Das entspricht einem Minus von 32 Prozent zum Vorquartal und dem niedrigsten Wert im Jahr 2023. Die Verkäufe an Investoren sanken von 19 auf zwölf Fälle. Wie im Vorquartal konnten drei Insolvenzplanverfahren gerichtlich beendet werden.
Gleichzeitig ist die Zahl der Unternehmen, die nur noch geringe Überlebenschancen haben, um 25 Prozent gestiegen. Sieben Firmen und damit fünf Unternehmen mehr als im Vorquartal mussten ihren Betrieb vorzeitig einstellen. In drei Verfahren wurde Masseunzulänglichkeit angezeigt. Im Vorquartal waren es fünf Fälle.
Im gesamten Jahr 2023 wurden 117 Großinsolvenzen beendet. Davon wurden 70 Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 20 Mio. Euro verkauft, 14 Firmen wurden über einen Insolvenzplan saniert und bei 20 Unternehmen musste der Betrieb vorzeitig eingestellt werden. Gegenüber 2022 sind die Ausgänge jedoch in die Höhe geschnellt. Damals konnten lediglich 79 Insolvenzverfahren abgeschlossen werden.
Prof. Funder: Im Modeeinzelhandel brennt die Hütte
Über 10.000 Einzelhändler schließen jedes Jahr für immer ihre Türen. Inflation, Preisdruck und die geringe Kauflaune setzen der Branche zu. Doch viele Probleme seien hausgemacht, meint der Einzelhandels-Experte Prof. Dr. Jörg Funder im Interview mit dem Insolvenzreport. Das Angebot in den Schaufenstern locke die Kunden nicht mehr in die Innenstädte. Künstliche Intelligenz und mehr Kundennähe sollen helfen, so der Direktor des Instituts für Internationales Handels- und Distributionsmanagement (IIHD). Doch der notwendige Wandel scheitere oft am Können und Wollen.
„Wir gehen auf ein Jahr zu, in dem es quer durch alle Einzelhandelssegmente kräftig ruckeln wird. Der Einzelhandel ist aber keine Krisenbranche, sondern befindet sich in einer längst überfälligen Strukturbereinigung“, so Prof. Funder. Am härtesten werde es den Modeeinzelhandel treffen, der sich seit Jahren in einer strukturellen Schwächephase befindet. Im unteren bis mittleren Preissegment erreichen die Umsätze häufig nur noch 40 bis 60 Prozent des Vorjahresniveaus. Hier brenne die Hütte.
Über den Insolvenzreport „5 nach 12“
Die Restrukturierungsberatung Falkensteg recherchiert für den Insolvenzreport alle drei Monate das Insolvenzgeschehen. Dazu werden Informationen des Insolvenz-Portals, der Creditreform, des Statistischen Bundesamtes sowie von Insolvenzverwaltern ausgewertet und mit eigenen Analysen ergänzt. Während andere Statistiken die eröffneten Insolvenzverfahren auswerten, konzentriert sich der Insolvenzreport auf den früheren Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung. Durchschnittlich liegt zwischen der Anmeldung und der Eröffnung ein Zeitraum von zwei bis drei Monaten. Damit dient der Insolvenzreport als Frühindikator bei den Großinsolvenzen.
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