18.09.2020 - Kategorie "Recht und Gesetz"

Längerer Insolvenzschutz für überschuldete Unternehmen

Zahlungsunfähige Firmen müssen ab Oktober wieder einen Insolvenzantrag stellen

Keine Insolvenzantragspflicht bis Ende des Jahres - Zahlungsunfähige Firmen müssen ab Oktober wieder einen Insolvenzantrag stellen


Überschuldete Unternehmen sollen weiter vor einer Insolvenz geschützt werden. Der Gesetzentwurf wurde gestern Abend im Bundestag von CDU/CSU, SPD, den Linken und Grünen angenommen - FDP und AFD stimmten gegen den Entwurf. Die Fristverlängerung gilt bis Ende des Jahres und nur für Unternehmen, die pandemiebedingt in die Krise gerutscht sind. Überschuldete Unternehmen sollen weitere drei Monate erhalten, sich durch das wieder anziehende Wirtschaftsgeschehen oder durch staatliche Hilfsangebote zu sanieren. Firmen, die ihre Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen können, müssen dagegen ab dem 1. Oktober wieder einen Antrag stellen.


„Die gute Nachricht ist, trotz einer der tiefsten Krisen in der Nachkriegszeit, von der die gesamte Wirtschaft betroffen ist, wurde eine Insolvenzwelle hinausgezögert. Die Antragspflicht für zahlungsunfähige Unternehmen wieder einzusetzen, ist allerdings fast überfällig. Denn Lieferanten und Dienstleister müssen die Sicherheit haben, dass sie mit Kunden zusammenarbeiten, die später die Rechnung auch bezahlen können“, erklärt Falkensteg-Partner Tillmann Peeters.


Züchten von Zombie-Unternehmen

Der Gesetzgeber hatte wegen der Corona-Pandemie im März beschlossen, die Antragspflicht für Unternehmen bis Ende September auszusetzen. Dies galt für zahlungsunfähige und überschuldete Firmen. Aufgrund der Aussetzung und der staatlichen Hilfsmaßnahmen wie dem Kurzarbeitergeld oder KfW-Krediten sanken die Unternehmensinsolvenzen im ersten Halbjahr um 8,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. „Wir retten derzeit Unternehmen, die letztes Jahr unter besseren wirtschaftlichen Bedingungen schon längst vom Markt verschwunden wären. Das ist wirtschaftlich nicht gesund. Damit züchten wir Zombie-Unternehmen, die eigentlich keinen Lebenszweck mehr haben“, weiß Peeters.


Eine Rückkehr zum normalen Insolvenzrecht wäre für den Sanierungsexperte die sinnvolle Konsequenz gewesen. Zumal ein halbes Jahr ausreichen müsste, eine Durchfinanzierung mit den staatlichen Maßnahmen auf die Beine zu stellen. „Wenn das Geschäftsmodell in der Pandemie nicht tragfähig oder das Unternehmen nicht sanierungsfähig ist, nützen auch drei weitere Monate nichts. Dafür verursachen sie in der Zwischenzeit Schäden bei anderen Unternehmen“, befürchtet Peeters.


Sanierung in der Insolvenz

Darüber hinaus warnt er davor, die Insolvenz zu verteufeln, denn die Pleite muss nicht das Ende für ein Unternehmen bedeuten. Mit der Eigenverwaltung oder einem Schutzschirmverfahren kann das Unternehmen grundlegend saniert  und Geschäftsmodelle auf veränderte Märkte ausgerichtet werden. „Voraussetzung für den Schutzschirm ist, dass sich der Unternehmer frühzeitig mit der Krise auseinandersetzt. Er kann nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung beantragt werden“, erklärt Peeters. In diesem Jahr sind so viele Schutzschirmverfahren beantragt worden, wie in den vergangen vier Jahren zusammen. Offensichtlich gibt es Geschäftsführungen, die diese Sanierung als Chance begreifen, aber viele verzögern das Unausweichliche.

Zahlungsunfähigkeit prüfen

Zum Oktober greift auch wieder die persönliche Haftung des Geschäftsleiters, wenn er Zahlungen leistet, obwohl das Unternehmen zahlungsunfähig ist. Deshalb sollten Unternehmen, insbesondere deren Geschäftsmodelle wegen der Pandemie stark gefährdet sind, bis Ende September ihre Liquidität und eine mögliche Antragspflicht prüfen.


Überschuldung liegt dann vor, wenn das Vermögen des Unternehmens die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Hier muss eine zweigeteilte Prüfung erfolgen. Zunächst wird eine Überschuldungsbilanz zu Liquidationswerten und nicht zu Fortführungswerten erstellt. Sofern die Schulden das Vermögen übersteigen, muss eine Fortbestehensprognose erstellt werden. Daraus soll hervorgehen, dass das Unternehmen dauerhaft imstande ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen. Sofern diese Fortbestehensprognose negativ ist, besteht normalerweise Insolvenzantragspflicht. Diese ist bis zum Ende des Jahres ausgesetzt.


Ein Unternehmen ist dagegen zahlungsunfähig, wenn die vorhandenen liquiden Mittel (Guthaben, ungekündigte Kreditlinien, Kassenbestand) nicht ausreichen, um die fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen. Sofern mehr als 90 Prozent der Verbindlichkeiten durch die liquiden Mittel gedeckt sind oder innerhalb der nächsten drei Wochen gedeckt sein werden, liegt keine Zahlungsunfähigkeit vor, sondern lediglich Zahlungsstockung. Sofern jedoch die Liquiditätslücke ≥ zehn Prozent beträgt, ist das Unternehmen zahlungsunfähig. Das Unternehmen ist wieder verpflichtet einen Insolvenzantrag zu stellen.

 

 


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