So wenige Firmenpleiten wie zuletzt in den 90er-Jahren
BDIU warnt: „Konsum auf Pump ist eine tickende Zeitbombe“
Überraschend sinken die Unternehmensinsolvenzen in diesem Jahr auf den niedrigsten Stand seit der Jahrtausendwende. Trotz schwachen Wirtschaftswachstums erwartet der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU) einen Rückgang auf rund 26.000 Fälle (2012: 28.297) – weniger gab es zuletzt 1996. Dennoch bleiben die Gläubigerschäden hoch: Alleine im ersten Halbjahr verursachten Insolvenzen Forderungsverluste von 12,8 Milliarden Euro.
Die gute Binnennachfrage, nicht zuletzt gefördert durch die anhaltende Niedrigzinsphase, bringt den positiven Trend. Genau hier sieht der BDIU aber auch kommende Gefahren. „Ein Konsum auf Pump ist eine tickende Zeitbombe, die bei einem Abschwung der Wirtschaft enormen Schaden zufügen kann“, warnte Verbandspräsident Wolfgang Spitz bei der Vorstellung der Inkasso-Herbstumfrage am Dienstag in Berlin. Laut Angaben der Schufa laufen derzeit etwa 17,4 Millionen Ratenkredite für Verbraucher – die Hälfte mehr als noch vor zehn Jahren.
Stabile Zahlungsmoral – leichte Eintrübung bei Verbrauchern
Die Zahlungsmoral ist aktuell stabil. Das meldet die Mehrheit der Inkassounternehmen in ihrer Herbstumfrage. Allerdings berichten auch 33 Prozent der BDIU-Mitglieder, dass private Schuldner jetzt schlechter zahlen als noch vor einem halben Jahr. Grund sind Überschuldung (laut 80 Prozent der Inkassounternehmen), ein unkontrolliertes Konsumverhalten (69 Prozent) sowie Arbeitslosigkeit (61 Prozent – Mehrfachantworten waren möglich).
53.000 Euro Gläubigerforderungen pro Verbraucherinsolvenz
Gleichzeitig gehen die Verbraucherinsolvenzen auf voraussichtlich 90.000 Verfahren zurück (2012: 97.608). Im Durchschnitt haben insolvente Verbraucher rund 53.000 Euro Verbindlichkeiten. „Viele Überschuldete warten derzeit ab, bis die beschlossene Verkürzung der Wohlverhaltensperiode im Verbraucherinsolvenzverfahren von aktuell sechs auf dann drei Jahre in Kraft tritt“, wie BDIU-Vizepräsidentin Marion Kremer erklärt. Spätestens ab Juli 2014 sei wieder mit steigenden Zahlen zu rechnen.
Problematisch ist laut den Inkassounternehmen das Zahlungsverhalten junger Verbraucher. Unter 25-Jährige stehen durchschnittlich mit 8.200 Euro bei ihren Gläubigern in der Kreide. Zudem zahlen 18- bis 24-Jährige laut 47 Prozent der Umfrageteilnehmer ihre Rechnungen schlechter als über 25-Jährige. Häufige Gläubiger junger Verbraucher sind Telekommunikationsunternehmen (90 Prozent der Inkassounternehmen melden das), Onlinehändler (84 Prozent) und Internet-Serviceanbieter (66 Prozent). Grund, warum diese Konsumschulden eingegangen werden, ist laut Umfrage eine mangelnde Finanzkompetenz. „Wir fordern: Der Umgang mit Geld und das Vermeiden von Schulden müssen Thema in den Schulen werden“, so Marion Kremer. „Wir unterstützen dabei insbesondere das Projekt Schulschwein, das bereits Grundschulkindern und deren Familien den werteorientierten und verantwortungsvollen Umgang mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Geld vermittelt.“
Obwohl sich die finanzielle Lage der Unternehmen derzeit positiv darstellt, melden gleichzeitig 40 Prozent der Inkassounternehmen, dass Handwerker Schwierigkeiten haben, ihre berechtigten Forderungen gegenüber ihren Kunden durchzusetzen. Weitere Problembranchen sind demnach, wie ebenfalls 40 Prozent der BDIU-Mitglieder melden, der Onlinehandel, der Versandhandel (39 Prozent) sowie Energieversorger (35 Prozent).
80 Milliarden Euro Außenstände bei der öffentlichen Hand
Insbesondere Handwerker und Bauunternehmer leiden unter der zögerlichen Rechnungstreue der öffentlichen Hand. Trotz Rekordeinnahmen sind viele Kommunen insolvenzreif verschuldet. Gleichzeitig summieren sich die Außenstände von Kommunen, Ländern und Einrichtungen des Bundes auf inzwischen fast 80 Milliarden Euro. „Das Forderungsmanagement der öffentlichen Hand muss besser werden“, fordert BDIU-Präsident Spitz. „Die neue Bundesregierung muss gesetzliche Möglichkeiten schaffen, dass die öffentliche Hand mit externer Unterstützung, zum Beispiel im Wege der Verwaltungshilfe, ihre überfälligen Forderungen besser realisieren kann und so mehr Mittel für den dringenden Erhalt und die Erneuerung unserer Infrastruktur bekommt. Das wäre ein wichtiger Beitrag zur Zukunftssicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland.“
Der BDIU und der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V. (BGA) kritisieren darüber hinaus die Pläne der EU für eine Datenschutzgrundverordnung. Sie sehen unter anderem vor, dass Personen künftig ihre Zustimmung erklären müssen, bevor Unternehmen ihre Daten weitergeben. In der Praxis würde das bedeuten, dass Gläubiger das Einverständnis von Schuldnern einholen müssten, bevor sie Informationen zu unbezahlten Rechnungen an ein Inkassounternehmen weitergeben. „Dadurch versperrt man Gläubigern den Weg, ihre Zahlungsansprüche kostengünstig, effizient und vor allem schnell mit den Mitteln des außergerichtlichen Inkassos durchzusetzen. Kein Schuldner würde doch einer Weitergabe seiner Daten unter diesen Umständen zustimmen“, kritisiert BDIU-Präsident Spitz. Um die Privatsphäre des Einzelnen besser zu schützen, dürften auf den Forderungseinzug nicht dieselben Regeln angewendet werden, wie sie etwa für soziale Netzwerke im Internet sinnvoll sein könnten.
Ein weiteres Problem für Gläubiger sind laut beider Verbände Vorsatzanfechtungen im Rahmen von Insolvenzverfahren. Dadurch kommt es in immer mehr Fällen vor, dass Firmen Gelder an Insolvenzverwalter zurückführen müssen, die sie zum Teil bereits vor zehn Jahren von ihren Kunden erhalten haben. Der BGA fordert Neuformulierungen im Gesetz, die erreichen, dass von Insolvenzanfechtungen künftig nur noch diejenigen Fälle betroffen sind, in denen es einem Schuldner nicht auf die Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten, sondern auf die Vereitelung der Ansprüche anderer Gläubiger oder die Bevorzugung einzelner Gläubiger ankommt. Der BDIU, der Mitglied im BGA ist, unterstützt diese Forderung nachdrücklich.
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