Stuttgarter Restrukturierungsforum: Chinesische Investoren: Weiße Ritter in der Krise?
Das Stuttgarter Restrukturierungsforum richtete am 26. November 2019 seinen Blick nach China.
Dr. Alexandra
Schluck-Amend (CMS Hasche Sigle) eröffnete den Abend und leitete zum
Impulsvortrag, der von Dr. Hermann Meller (Partner, Dentons Europe LLP)
gehalten wurde, über. Der China-Experte informierte das Publikum zunächst über
einige Spezifika chinesischer Investitionsentscheidungen. Das chinesische
staatliche Devisenamt (State Administration of Foreign Exchange (SAFE)) müsse
Investitionen oberhalb von fünf Mio. US$ genehmigen. Meller machte deutlich,
dass dies für den Investor einige formelle und materielle Hürden bedeute, die
er zunächst überwinden müsse. Hintergrund sei, dass chinesische Devisenreserven
in den vergangenen Jahren in erheblichem Umfang verbraucht worden seien. Aber
auch in Deutschland bestünden für ausländische Investoren Schwierigkeiten. „Nicht
nur das Kartellrecht macht manche Unternehmenskäufe unmöglich, auch das BMWI
kann den Erwerb inländischer Unternehmen prüfen und im Zweifel verhindern“, so
Meller. Nicht zuletzt würde auch die Skepsis in Deutschland bezüglich
chinesischer Investments die Investoren zögerlich machen.
Dr. Dietmar
Haffa (Schultze & Braun) und Bernhard Steffan (Ebner Stolz) moderierten die
Podiumsdiskussion. Steffan berichtete zunächst, dass zum Beispiel vor Kurzem
die Steigenberger-Dach-Hotelgesellschaft für 700 Mio. € an chinesische
Investoren verkauft worden sei und stellte im Anschluss daran die Frage, ob das
Interesse chinesischer Investoren wirklich abklinge. Darauf entgegnete Meller,
dass Schlüsseltechnologien für chinesische Investoren grundsätzlich am
interessantesten seien. Allerdings würden gute Beziehungen in Ausnahmefällen
helfen. Alexander Manus (Director, Sigma Corporate Finance GmbH) ergänzte, dass
aber auch andere konkrete Gründe, wie zum Beispiel der Ausbau einer globalen
Hafeninfrastruktur wie in Piräus und Triest, im Zuge der chinesischen „One
Belt, One Road Initiative“ („Neue Seidenstraße“) beim Investment in die
Steigenberger-Dach-Hotelgesellschaft ausschlaggebend gewesen seien.
Auf die Frage,
welche Unterschiede es bei staatlichen und privaten Unternehmen, die als
Investor auftreten – insbesondere beim Kauf aus der Insolvenz – nannte Manus
neben der Schwierigkeit, Entscheidungsträger zügig erreichen zu können vor
allem die mangelnde Prozesserfahrung im Rahmen von internationalen
Unternehmenstransaktionen. Mit erfahrenen chinesischen Privatunternehmen und
börsennotierten Gesellschaften seien Transaktionsverfahren zwar in der Regel
machbarer, allerdings stelle auch hier der Berater des Käufers eine wichtige
Figur dar. „Er kann den Kontakt zu Entscheidungsträgern beschleunigen und auf
der Kaufseite, in enger Abstimmung mit dem Berater des Verkäufers, den
chinesischen Investor effektiv durch den Transaktionsprozess führen“, so Manus.
Diese Meinung teilten auch Norbert Hettstedt (Managing Director, Zhongding
Europe GmbH) und Dr. Peter Veranneman (Partner Deutschland, Bird & Bird
LLP). Prof. Dr. Lucas F. Flöther (Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht,
Partner, Flöther & Wissing Insolvenzverwaltung) konnte dies aus
Verkäufersicht ebenfalls bestätigen und ergänzte, dass chinesische Investoren
von den im Insolvenzverfahren häufig sehr engen, zeitlichen Vorgaben oft nicht
zu überzeugen seien.
Des Weiteren berichtete Meller, dass häufig Targets gesucht würden, die es dem Investor ermöglichten, im deutschen Markt Fuß zu fassen. Es sei vorstellbar, dass das Kaufinteresse in der Zukunft wieder wachse. Nur bei Käufen aus der Insolvenz seien die zeitlichen Vorgaben für Chinesen – auch aufgrund der schwierigen, formellen Hürden – häufig nicht machbar. An dieser Stelle ergänzte Hettstedt, dass in China aktuell auch Angst vor weiterem Wachstumsrückgang herrsche. Bereits bei einem Wachstum von weniger als sechs Prozent entstünden Beschäftigungssorgen. Auch andere Krisen auf der Welt würden hier nicht stabilisierend wirken. Dass die Investorenaktivität von 2017 noch einmal erreicht werde, glaubte Hettstedt nicht.
Angesprochen
auf Investitionsanreize aus chinesischer Sicht erklärte Hettstedt, dass
beispielsweise beim Kauf einer überzeugenden Technologie ein chinesischer
Investor das im Verhältnis zu anderen Märkten immer noch starke Wachstum in
China zur rascheren Gewinnsteigerung nutzen könne. Außerdem würde dazu
beitragen, dass solche Investments mitunter staatlich gewollt seien. An dieser
Stelle ergänzte Veranneman, dass chinesische Investoren seiner Erfahrung nach
auch langfristiger planen. „Planungen mit Gewinnen über wenige Jahre, wie unter
deutschen Investoren üblich, sind in China seltener ein beschränkender Faktor“,
so Veranneman. Flöther teilte diese Erfahrung nicht: „Die gebotenen Preise sind
in der Vergangenheit nicht auffällig hoch gewesen.“ Er berichtete, dass
chinesische Investoren mit Beteiligungen auch häufig unstrukturiert umgingen,
sodass bisweilen recht ungesteuerte Folgeinsolvenzen auftreten würden.
Auffällig sei außerdem die Beratungsresistenz in China. Hier versuchte Meller
zwischen den beiden Kulturen zu vermitteln: „Für Chinesen sind der hiesige
Markt und seine Spezifika so fremd wie der chinesische Markt für Deutsche.“
Meller ergänzte, dass gegenüber westlichen Beratern häufig, u. a. aus
historischen Gründen, ein Vertrauensrückstand bestünde.
Angesprochen auf kulturelle Unterschiede, die beim Umgang mit chinesischen Investoren zu beachten seien, gab Veranneman zu bedenken, dass es in China aufgrund seiner Größe und regionalen Vielfalt viele unterschiedliche, kulturelle Einflüsse gebe. Vor allem eine aufmerksame Kommunikation sei sehr wichtig, da sich Chinesen im Investitionsprozess häufig schwer damit täten, Entscheidungsprobleme einzuräumen. Auch Hierarchieebenen blieben im Austausch häufig unklar. Allerdings helfe es, sich auch privat – in geselliger Runde – mit den Partnern zu umgeben. Dem pflichteten Hettstedt und Manus aus ihren Erfahrungen vor Ort in China bei.
Die Veranstalter des Stuttgarter Restrukturierungsforums sind CMS Hasche Sigle, Ebner Stolz, Restrukturierungspartner und Schultze & Braun. Das Stuttgarter Restrukturierungsforum ist eine Plattform für Experten der Branche und bringt zweimal pro Jahr alle an der Sanierung eines Unternehmens Beteiligten zusammen. Hochrangige Gäste stellen aus verschiedenen Blickwinkeln ein aktuelles Thema vor und teilen ihr Expertenwissen mit den Gästen in der Diskussion. Die nächste Veranstaltung findet im Frühjahr 2020 statt. Mehr unter: www.stuttgarter-restrukturierungsforum.de.
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