28.11.2016 - Kategorie "Insolvenzgeschehen allgemein"

Unternehmer sehen Insolvenzverfahren als 2. Chance

Insolvenzverfahren als 2. Chance

Zwei Drittel der befragten Unternehmer wünschen sich ebenso ein Restrukturierungsverfahren außerhalb der Insolvenz


67 Prozent der Unternehmen sehen das Eigenverwaltungs- und Schutzschirmverfahren als eine wichtige Hilfe bei der Krisenbewältigung. Zu diesem Ergebnis kam eine Befragung der Creditreform Wirtschaftsforschung, des Deutschen Instituts für angewandtes Insolvenzrecht (DIAI) und des Bundesverbandes ESUG und Sanierung (BV ESUG). Darüber hinaus wollen 45 Prozent der Befragten in einer wirtschaftlichen Schieflage eines der beiden Verfahren im Rahmen einer Sanierung unter Insolvenzschutz auch wirklich nutzen. „Vier Jahre nach der Reform der Insolvenzordnung erkennen immer mehr Unternehmer die Chancen, die das neue Recht und die Eigenverwaltung zur Krisenbewältigung bietet. Allerdings wünschen sich die Unternehmer ebenso ein Restrukturierungsverfahren, das außerhalb der Insolvenz durchgeführt werden kann“, erklärt Robert Buchalik, BV ESUG-Vorsitzender.

 

Akzeptanz der Eigenverwaltung gestiegen

In der Herbstbefragung 2016 haben sich 1.200 Unternehmer zum Einsatz der Sanierungsverfahren, zur Mitwirkung innerhalb eines Gläubigerausschusses sowie zu einem vor- bzw. außerinsolvenzlichen Restrukturierungsverfahren geäußert. Noch vor zwei Jahren bewerteten die befragten Unternehmer die Eigenverwaltung skeptischer. Damals sahen 61 Prozent der Befragten darin ein probates Hilfsmittel und vier von zehn Unternehmen wollten die Eigenverwaltung in der Krise nutzen. „Die Akzeptanz für die reformierten Insolvenzverfahren ist zwar gestiegen, aber trotzdem ist das Sanierungsinstrument noch nicht bei allen Unternehmen angekommen. Auch zeigen sich in den Branchen erhebliche Unterschiede“, sagt Prof. Dr. Hans Haarmeyer, Leitender Direktor des DIAI. Während der Großhandel (75 Prozent) die Chancen eher erkannt hat, liegt die Akzeptanz im Einzelhandel (59 Prozent) deutlich darunter.

 

Verfahren ist in Krisenbranchen unbekannt
Auffällig in der Befragung ist, dass insbesondere in den krisengeschüttelten Branchen das Wissen über die neuen Sanierungsmöglichkeiten besonders niedrig ist. Nur jedes dritte Bauunternehmen und jeder dritte Einzelhändler kennt in Grundzügen das Sanierungsinstrument unter Insolvenzschutz. „Dieses Sanierungsverfahren hat einzelne Wirtschaftszweige noch nicht wirklich erreicht. Hier sind die Industrie- und Fachverbände aufgefordert, deutlich mehr Aufklärung zu leisten, denn die Eigenverwaltung steht für die Fortführung des Unternehmens und den Erhalt von Arbeitsplätzen“, sagt Robert Buchalik. Bedenklich sei zudem, dass sich seit der Befragung vor zwei Jahren das Wissen über die Sanierung unter Insolvenzschutz in der gesamten Wirtschaft nicht verbessert hat. „Dieses Ergebnis deckt sich mit unseren Erfahrungen. Die Insolvenz ist immer noch mit einer Stigmatisierung des Unternehmers verbunden. Es ist nicht erklärbar, warum die Industrieverbände und Kammern die Möglichkeiten der Krisenbewältigung nicht flächendeckend aufgreifen und darüber aufklären. Mit dem neuen Recht wollte der Gesetzgeber den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken. Es ist aber auch Sache der Verbände, die Chancen eines solchen Verfahrens den Mitgliedsunternehmen näher zu bringen“, so Prof Haarmeyer.

 

EU-Kommission und Unternehmer fordern Sanierungsverfahren außerhalb der Insolvenz
Obwohl der deutsche Mittelstand den Sanierungsverfahren positiv gegenübersteht und ein grundlegender Wandel gegenüber Krise und Insolvenz zu erkennen ist, steigt die Forderung (66 Prozent) nach einem gesonderten und nicht mehr in die Insolvenzordnung eingebetteten Restrukturierungsverfahren. Damit befinden sich die deutschen Unternehmer auf einer Linie mit der EU-Kommission, die als Teil ihrer Agenda zur Schaffung einer Kapitalmarktunion ein Verfahren einführen will, das Sanierungen außerhalb der Insolvenz ermöglichen soll. Die Brüsseler Behörde hatte in der vergangenen Woche einen entsprechenden Richtlinienentwurf vorgestellt. Nach den EU-Plänen sollen Unternehmen gerettet werden, die in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, aber gute Überlebenschancen haben. Voraussetzung ist, dass die Unternehmen weiterhin zahlungsfähig und damit noch nicht insolvenzantragspflichtig sind. Das Verfahren soll vom betroffenen Unternehmen weitgehend eigenständig und nur unter einer „minimalinversiven“ gerichtlichen Begleitung und Kontrolle stattfinden. Zudem eröffnet es, sich auch nur mit einigen und nicht mehr mit allen Gläubigern zu verständigen. Dieses Vorgehen ist dem deutschen Recht bis dato noch fremd. „Unternehmen entscheiden sich weiterhin noch viel zu spät für ein ESUG-Verfahren. Die EU-Richtlinie, die ein Verfahren außerhalb einer förmlichen Insolvenz anstrebt, soll die Chancen für eine erfolgreiche Sanierung erhöhen, indem das Verfahren nicht öffentlich gemacht wird und der gute Ruf des Unternehmens nicht unter diesem Verfahren leidet. Unternehmen und Gläubiger sollen in Ruhe den Sanierungsplan entwickeln“, erklärt Michael Bretz (Creditreform).

 


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