Unternehmer sehen Insolvenzverfahren als 2. Chance
Zwei Drittel der befragten Unternehmer wünschen sich ebenso ein Restrukturierungsverfahren außerhalb der Insolvenz
67 Prozent der Unternehmen sehen das Eigenverwaltungs- und Schutzschirmverfahren als eine wichtige Hilfe bei der Krisenbewältigung. Zu diesem Ergebnis kam eine Befragung der Creditreform Wirtschaftsforschung, des Deutschen Instituts für angewandtes Insolvenzrecht (DIAI) und des Bundesverbandes ESUG und Sanierung (BV ESUG). Darüber hinaus wollen 45 Prozent der Befragten in einer wirtschaftlichen Schieflage eines der beiden Verfahren im Rahmen einer Sanierung unter Insolvenzschutz auch wirklich nutzen. „Vier Jahre nach der Reform der Insolvenzordnung erkennen immer mehr Unternehmer die Chancen, die das neue Recht und die Eigenverwaltung zur Krisenbewältigung bietet. Allerdings wünschen sich die Unternehmer ebenso ein Restrukturierungsverfahren, das außerhalb der Insolvenz durchgeführt werden kann“, erklärt Robert Buchalik, BV ESUG-Vorsitzender.
Akzeptanz der Eigenverwaltung gestiegen
In der Herbstbefragung 2016 haben sich 1.200 Unternehmer zum Einsatz der Sanierungsverfahren, zur Mitwirkung innerhalb eines Gläubigerausschusses sowie zu einem vor- bzw. außerinsolvenzlichen Restrukturierungsverfahren geäußert. Noch vor zwei Jahren bewerteten die befragten Unternehmer die Eigenverwaltung skeptischer. Damals sahen 61 Prozent der Befragten darin ein probates Hilfsmittel und vier von zehn Unternehmen wollten die Eigenverwaltung in der Krise nutzen. „Die Akzeptanz für die reformierten Insolvenzverfahren ist zwar gestiegen, aber trotzdem ist das Sanierungsinstrument noch nicht bei allen Unternehmen angekommen. Auch zeigen sich in den Branchen erhebliche Unterschiede“, sagt Prof. Dr. Hans Haarmeyer, Leitender Direktor des DIAI. Während der Großhandel (75 Prozent) die Chancen eher erkannt hat, liegt die Akzeptanz im Einzelhandel (59 Prozent) deutlich darunter.
Verfahren ist in Krisenbranchen unbekannt
Auffällig in der Befragung ist, dass insbesondere in den
krisengeschüttelten Branchen das Wissen über die neuen Sanierungsmöglichkeiten
besonders niedrig ist. Nur jedes dritte Bauunternehmen und jeder dritte
Einzelhändler kennt in Grundzügen das Sanierungsinstrument unter
Insolvenzschutz. „Dieses Sanierungsverfahren hat einzelne Wirtschaftszweige noch
nicht wirklich erreicht. Hier sind die Industrie- und Fachverbände
aufgefordert, deutlich mehr Aufklärung zu leisten, denn die Eigenverwaltung
steht für die Fortführung des Unternehmens und den Erhalt von Arbeitsplätzen“,
sagt Robert Buchalik. Bedenklich sei zudem, dass sich seit der Befragung vor
zwei Jahren das Wissen über die Sanierung unter Insolvenzschutz in der gesamten
Wirtschaft nicht verbessert hat. „Dieses Ergebnis deckt sich mit unseren
Erfahrungen. Die Insolvenz ist immer noch mit einer Stigmatisierung des
Unternehmers verbunden. Es ist nicht erklärbar, warum die Industrieverbände und
Kammern die Möglichkeiten der Krisenbewältigung nicht flächendeckend aufgreifen
und darüber aufklären. Mit dem neuen Recht wollte der Gesetzgeber den Wirtschaftsstandort
Deutschland stärken. Es ist aber auch Sache der Verbände, die Chancen eines
solchen Verfahrens den Mitgliedsunternehmen näher zu bringen“, so Prof
Haarmeyer.
EU-Kommission und Unternehmer fordern Sanierungsverfahren
außerhalb der Insolvenz
Obwohl der deutsche Mittelstand den Sanierungsverfahren
positiv gegenübersteht und ein grundlegender Wandel gegenüber Krise und
Insolvenz zu erkennen ist, steigt die Forderung (66 Prozent) nach einem
gesonderten und nicht mehr in die Insolvenzordnung eingebetteten
Restrukturierungsverfahren. Damit befinden sich die deutschen Unternehmer auf
einer Linie mit der EU-Kommission, die als Teil ihrer Agenda zur Schaffung
einer Kapitalmarktunion ein Verfahren einführen will, das Sanierungen außerhalb
der Insolvenz ermöglichen soll. Die Brüsseler Behörde hatte in der vergangenen
Woche einen entsprechenden Richtlinienentwurf vorgestellt. Nach den EU-Plänen
sollen Unternehmen gerettet werden, die in erhebliche finanzielle
Schwierigkeiten geraten sind, aber gute Überlebenschancen haben. Voraussetzung
ist, dass die Unternehmen weiterhin zahlungsfähig und damit noch nicht
insolvenzantragspflichtig sind. Das Verfahren soll vom betroffenen Unternehmen
weitgehend eigenständig und nur unter einer „minimalinversiven“ gerichtlichen
Begleitung und Kontrolle stattfinden. Zudem eröffnet es, sich auch nur mit
einigen und nicht mehr mit allen Gläubigern zu verständigen. Dieses Vorgehen
ist dem deutschen Recht bis dato noch fremd. „Unternehmen entscheiden sich
weiterhin noch viel zu spät für ein ESUG-Verfahren. Die EU-Richtlinie, die ein
Verfahren außerhalb einer förmlichen Insolvenz anstrebt, soll die Chancen für
eine erfolgreiche Sanierung erhöhen, indem das Verfahren nicht öffentlich
gemacht wird und der gute Ruf des Unternehmens nicht unter diesem Verfahren
leidet. Unternehmen und Gläubiger sollen in Ruhe den Sanierungsplan
entwickeln“, erklärt Michael Bretz (Creditreform).
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