„Kreative Lösungen“ im Arbeitsrecht in der Sanierung
Das Düsseldorfer Restrukturierungsforum beschäftigte sich am 4. April mit der Fragestellung „Arbeitsrecht in der Sanierung: unnötiges Hindernis oder erforderlicher Schutz der Arbeitnehmer?“.
Rund 130 Gäste verfolgten die Diskussion, in der ein kleiner Ausschnitt der arbeitsrechtlichen Herausforderungen in der Sanierung betrachtet wurde.
Eröffnet wurde der Abend mit einem Impulsvortrag von Dr. Axel Dahms (Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB). Er beleuchtete zwei ausgewählte Fragestellungen rund um das Thema Arbeitsrecht unter Abwägung der Gesetzgebung und der herrschenden Rechtsprechung. Bei der Haftung der Organe und der vorläufigen Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter für (nicht abgeführte) Arbeitnehmer-Sozialversicherungsbeiträge hob er die fehlende Harmonisierung von Insolvenz-, Straf- und Sozialversicherungsrecht als enormes Problem hervor. Hier sei dringend der Gesetzgeber gefragt, einen klaren und eindeutigen Rahmen zu liefern. Ausgangssituation für alle sei, dass der Arbeitgeber zur Abführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge verpflichtet ist. Jedoch hätten sich aufgrund von geringer Liquidität inzwischen „Lösungsansätze“ etabliert, liquiditätsschonend zu arbeiten. Die gängigen Vorgehensweisen der Beteiligten stellte Dr. Dahms je nach Art des Verfahrens (vorläufige Eigenverwaltung § 270a, Schutzschirmverfahren oder vorläufiges Regelverfahren) vor. Der zweite Fokus seines Impulsvortrages lag auf dem Umgang mit Arbeitszeitkonten der Arbeitnehmer im Rahmen des Insolvenzgeldzeitraums. Hier zeigte er die Haftungsrisiken der Organe wegen fehlender Insolvenzsicherung auf.
In der anschließenden Podiumsdiskussion – geleitet von Stephanie Paris (SK Dienstleistungs GmbH) und Dr. Stefan Weniger (hww hermann wienberg wilhelm) – berichteten die Panelisten aus ihren umfangreichen Erfahrungen mit dem Arbeitsrecht in der Sanierung. Dr. Thomas Kluth (Rechtsanwalt und Partner, Kluth Rechtsanwälte) bemängelte das Fehlen einer klaren Richtlinie hinsichtlich der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen der Arbeitnehmer. „Ich will ja nichts falsch machen. Von daher sind praxisrelevante Tipps, wie man es richtig macht, wünschenswert“, so der Rechtsanwalt. Eindeutig und einfach hingegen sei es, wenn genügend Liquidität vorhanden sei.
Cornelia Weber-Arnoldt (Erste Fachkraft Insolvenzgeld Refinanzierung, Stützpunkt Frankfurt, Bundesagentur für Arbeit) stellte in der Diskussion klar, dass Sozialversicherungsbeiträge nicht durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) vorfinanziert werden dürfen, weil es dazu keine gesetzliche Grundlage gibt. Auch wenn das für einige an der Sanierung Beteiligte wünschenswert sei und es vermutlich „kreative Lösungen“ vermeiden würde. Da die Sozialversicherungsbeiträge von der Krankenversicherung eingezogen werden und eben nicht bei der BA angesiedelt seien, könne ein solches Ansinnen einer Einbeziehung in die Vorfinanzierung nur der Gesetzgeber ändern. Weber-Arnoldt gab mehrfach Einblicke in die Arbeit der BA und stellte klar, warum Arbeitsagenturen nur in sehr begründeten Ausnahmefällen einer Rollierung des Antragszeitraumes zustimmen. Zum einen sei das im Gesetz nicht vorgesehen, zum anderen hätte dies aber auch rein verfahrenstechnische Gründe. Letzteres sei vor allem bei Unternehmen mit vielen Arbeitnehmern relevant. Bei einer Rollierung müssen alle Mitarbeiterdaten angepasst werden. Es bedarf neuer Verträge in jedem Einzelfall und einer neuen Genehmigung. Ein enormer Aufwand. Daher werden entsprechende Anträge sehr genau geprüft.
Stefan Meyer (Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht und Geschäftsführer/Gesellschafter, PLUTA Rechtsanwalts GmbH) berichtete von seinen letzten Fällen, bei denen die Liquidität glücklicherweise insoweit ausreichend vorhanden war, als dass die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung bezahlt werden konnten. „Die Zahlung unter Anfechtungsvorbehalt ist für mich persönlich natürlich die klar präferierte Lösung“, so der Rechtsanwalt. Auch er kritisierte wie seine Mitreferenten, dass es ein ernsthaftes Problem sei, bei dem man bei fehlender Liquidität von der Gesetzgebung allein gelassen werde. Wichtig sei ihm in Bezug auf Insolvenzgeld- und
Vorfinanzierungsfragen die offene und ehrliche Kommunikation mit der Belegschaft und den Arbeitnehmervertretern: „Erst dann wenn ich weiß, ob die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes klappt, nehme ich dazu in einer Belegschaftsversammlung Stellung. Insoweit die Vorfinanzierungsvoraussetzungen nicht vorliegen, sprechen wir das offen an und suchen in enger Abstimmung mit Arbeitnehmern und Arbeitnehmervertretern Alternativlösungen; wir werden dabei in der Regel auch fündig“.
Andrej Wroblewski, beim Vorstand der IG Metall für Insolvenz- und Arbeitsrecht zuständig, wies als erfahrener Gewerkschafter eindringlich darauf hin, alle Stakeholder an einen Tisch zu holen: „Beziehen sie bei allen – nicht nur arbeitsrechtlichen – Maßnahmen zur Restrukturierung unbedingt den Betriebsrat und die Gewerkschaften vor Ort mit ein. Und machen sie nichts gegen die Belegschaft“. Denn an der Belegschaft und der Stimmung hänge es auch, ob eine Sanierung gelingt. Aus seinen Erfahrungen heraus berichtete er, dass in den meisten Fällen die Insolvenzgeldvorfinanzierung sichergestellt werden kann: „Wenn alle Beteiligten ihr Handwerk verstehen, dann funktioniert das“.
Ein Knackpunkt arbeitsrechtlicher Natur in der Sanierung sei die Finanzierung neu eingestellter Mitarbeiter. Hier berichtete Dr. Dahms von der Herausforderung, sich mit der Bundesagentur für Arbeit über Neueinstellungen zu einigen. Sein Wunsch wäre es, dass die BA ihre Zustimmungspraxis ändern würde. Das sah Weber-Arnoldt natürlich anders und appellierte an alle Anwesenden: „Reden sie mit uns. Wenn sie die Gründe transparent machen und wir das nachvollziehen können, dann finden wir höchstwahrscheinlich eine gemeinsame Lösung – im Sinne des Fortbestandes der Firma und für den Erhalt der Arbeitsplätze“.
Die Veranstalter des Düsseldorfer Restrukturierungsforums sind Deloitte, hww hermann wienberg wilhelm, SK Dienstleistungs GmbH, Taylor Wessing und White & Case. Im Herbst 2017 findet die nächste Ausgabe des Düsseldorfer Restrukturierungsforums statt.
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