Amtsgericht eröffnet Insolvenzverfahren über BEV
Gläubiger können nun ihre Forderungen anmelden
Das Amtsgericht München – Abteilung für Insolvenzsachen - hat mit Beschluss vom 16. Oktober 2019 das Insolvenzverfahren über die BEV Bayerische Energieversorgungsgesellschaft mbH eröffnet und Rechtsanwalt Axel W. Bierbach von der Kanzlei Müller-Heydenreich Bierbach & Kollegen (München) zum Insolvenzverwalter bestellt. Nach der Insolvenzantragstellung der BEV am 25. Januar 2019 war Axel W. Bierbach bereits zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden. „Die Erstellung des Insolvenzgutachtens hat in diesem außergewöhnlichen Fall auch außergewöhnlich lange gedauert. Dies lag unter anderem daran, dass erst durch die Erstellung von Endabrechnungen festgestellt werden konnte, ob und in welchem Umfang Kunden noch Zahlungen für Energielieferungen zu leisten haben und welcher Kunde in welcher Höhe Gläubiger ist“, sagte Bierbach.
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nun der Weg für die Gläubiger der BEV frei, ihre Forderungen gegenüber dem insolventen Unternehmen zur Insolvenztabelle anzumelden. Das Gericht hat dafür eine Frist bis zum 10. Januar 2020 gesetzt. Das Anmeldeverfahren für die Gläubiger wird sehr kundenfreundlich in elektronischer Form über die Website www.bev-inso.de möglich sein. Der Berichtstermin wird am 15. Januar 2020 in München stattfinden. Dabei wird der Insolvenzverwalter den Gläubigern ausführlich über den aktuellen Stand des Verfahrens berichten und auch zu den Hintergründen der Insolvenz, den Krisenursachen und dem weiteren Vorgehen Stellung nehmen.
Nach aktuellem Stand geht Insolvenzverwalter Bierbach von rund 314.000 Gläubigern aus, die Ansprüche gegenüber der BEV geltend machen können. Sie setzen sich zusammen aus 312.000 BEV-Kunden und ca. 2.000 Lieferanten, zu denen Strom- und Gas-Netzbetreiber sowie Vermittlungsportale gehören. Die Verbindlichkeiten der BEV gegenüber Kunden belaufen sich voraussichtlich auf 53,5 Mio. Euro. Das entspricht einer durchschnittlichen Gesamtforderung pro Kunde von etwa 170 Euro. Die Verbindlichkeiten gegenüber Netzbetreibern wurden mit ca. 57,5 Mio. Euro ermittelt. Die Gesamtverbindlichkeiten der BEV, zu denen weiterhin Forderungen von Finanzbehörden, Energielieferanten sowie Kreditinstituten und Zahlungsabwicklern zählen, betragen nach aktuellem, jedoch immer noch vorläufigem Kenntnisstand rund 207,34 Mio. Euro.
Seit dem Beginn der Rechnungsproduktion im Mai 2019 hat die BEV bereits rund 400.000 Rechnungen erstellt. „Insgesamt gehen wir davon aus, dass ca. 600.000 Abrechnungen erstellt werden müssen. Unser Ziel ist es, sämtliche Endabrechnungen von BEV-Kunden bis zum 20. Dezember 2019 zu erstellen und zu verschicken“, sagte Bierbach. Erst zum Zeitpunkt der Rechnungserstellung wird klar, ob ein Kunde Gläubiger oder Schuldner ist. Der weitaus größere Teil der Kunden hat nach Angaben des Insolvenzverwalters Forderungen gegenüber der BEV. Es zeichne sich ab, dass nur etwa ein Drittel der abgerechneten Kunden Nachzahlungen aus Energieverbrauch leisten müsse. Zwei Drittel der Kunden seien dagegen Gläubiger der BEV, die nun ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden könnten.
Der Versand derjenigen Endabrechnungen, die zu Forderungen der Kunden führen, erfolgt bewusst erst nach Eröffnung des Verfahrens, weil es erst ab diesem Zeitpunkt rechtlich zulässig ist, Forderungen zur Tabelle anzumelden. „Ein Rechnungsversand an die Gläubiger bereits vor Verfahrenseröffnung hätte zu erheblichen Irritationen und Mehraufwand für die Kunden geführt“, erklärte Bierbach. Mehr als 260.000 solcher Endabrechnungen sind bereits erstellt und werden nach Verfahrenseröffnung auf der Website zum Download bereitgestellt.
Die Erstellung aller Endabrechnungen wird rechtzeitig vor Weihnachten erfolgen, damit alle Gläubiger die Möglichkeit haben, ihre Forderungen fristgerecht zur Tabelle anzumelden. „Es handelt sich dabei nicht um eine Ausschlussfrist. Auch bei späteren Anmeldungen oder Einwänden können diese Forderungen noch berücksichtigt oder auch korrigiert werden“, sagte Bierbach.
Die Gläubiger erhalten zwischen dem 21. Oktober 2019 und dem 20. Dezember 2019 in einem per Post versandten Aufforderungsschreiben eine persönliche PINNummer. Mit dieser können sie sich im Gläubigerbereich der Website www.bevinso.de einloggen und ihre Endabrechnung downloaden. Die Forderungshöhe aus der Abrechnung wird zur Vereinfachung bereits vorgeschlagen. „Die Forderungsanmeldung funktioniert ganz einfach. Wir haben uns sehr darum bemüht, die Korrespondenz und die Anmeldung von Forderungen so kundenfreundlich wie möglich zu gestalten“, erklärte Bierbach.
„Angesichts der außergewöhnlichen Größe und Komplexität dieses Insolvenzverfahrens ist es eine gewaltige Herausforderung, die Vertragsverhältnisse sauber abzuwickeln, indem für alle Kunden Endabrechnungen erstellt werden. Wir setzen alles daran, sämtliche Endabrechnungen korrekt und unter Berücksichtigung der Bonusansprüche, soweit vertraglich und gesetzlich zulässig, zu erstellen“, sagte Bierbach weiter. Dies gestalte sich leider sehr viel aufwändiger als ursprünglich erwartet. „Es ist jedoch erfreulich, dass die überwiegende Anzahl der Kunden sehr gut und sachlich auf das notwendige Abrechnungsverfahren reagiert. Die Zahlungsquote der Kunden für ihre offenen Energielieferungen ist bislang sehr hoch“, so der Insolvenzverwalter. Sofern Kunden Einwände gegen ihre Abrechnung, insbesondere aufgrund von Zählerständen oder Bonusforderungen, hätten, würden diese selbstverständlich überprüft. Viele Kunden seien auf die Endabrechnung angewiesen, da sie diese beispielsweise zur Vorlage bei Krankenkassen und Behörden sowie für Steuerberater und Mieter benötigten.
Das Insolvenzverfahren und die Prüfung der Forderungen werden sich angesichts der hohen Gläubigerzahl voraussichtlich über mehrere Jahre hinziehen. Die anteilige Auszahlung ihrer Forderungen über die Insolvenzquote werden die Gläubiger erst am Ende des Verfahrens erhalten. „Wir sind sehr froh, dass es uns angesichts aller Schwierigkeiten in dem Verfahren überhaupt gelungen ist, das Insolvenzverfahren über die BEV eröffnen zu können. Nur so kann dieses Unternehmen ordentlich abgewickelt werden, wozu vor allem auch die Durchsetzung von Ansprüchen jeglicher Art, insbesondere Haftungsansprüchen, gehört. Mit einer nennenswerten Quote für die Gläubiger ist aus heutiger Sicht aber leider nicht zu rechnen“, sagte Bierbach.
Die Höhe der Insolvenzquote werde ganz wesentlich davon abhängen, ob es gelinge, im eröffneten Insolvenzverfahren insolvenzrechtliche Ansprüche gegen die Verantwortlichen geltend zu machen. Die Prüfung entsprechender Ansprüche laufe bereits seit Beginn der vorläufigen Insolvenzverwaltung. Die Forderung der BEV gegen ihre Muttergesellschaft Genie Holding AG in der Schweiz von mehr als 119 Mio. Euro wurde bereits im dortigen Konkursverfahren angemeldet, aber auch dort ist bisher kaum Vermögen gefunden worden.
">Über Müller-Heydenreich Bierbach & Kollegen
Die Kanzlei Müller-Heydenreich Bierbach & Kollegen (www.mhbk.de) ist eine seit vielen Jahren auf Insolvenzverwaltung spezialisierte Sozietät von Rechtsanwälten in München und anderen bayerischen Städten. Insgesamt sechs Verwalter bearbeiten Insolvenzverfahren an mehreren Amtsgerichten in Bayern und Thüringen. Zu den besonderen Stärken der Kanzlei zählen neben der übertragenden Sanierung auch das Insolvenzplanverfahren, die Eigenverwaltung sowie Konzern- und Gruppeninsolvenzen.
Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Axel W. Bierbach (50) ist spezialisiert auf Betriebsfortführungen und Sanierungen in einem breiten Branchenspektrum. Er hat bereits eine Vielzahl von Insolvenzen betreut. Bierbach ist zudem Vorstand im Verband Insolvenzverwalter Deutschlands e.V. (www.vid.de) sowie Mitglied im Gravenbrucher Kreis, dem Zusammenschluss der führenden, überregional tätigen Insolvenzverwalter und Sanierungsexperten Deutschlands, die gemäß dem exklusiven Standard InsO Excellence handeln (www.gravenbrucher-kreis.de).
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