29.11.2013 - Kategorie "Insolvenzverfahren"

Behindertenhilfe Dieburg: Arbeitnehmervertreter verweigern Unterstützung zur Insolvenzvermeidung

Behindertenhilfe Dieburg muss Insolvenz anmelden

Verfahren in Eigenverwaltung soll Erhalt der Betreuungs- und Arbeitsplätze sichern.


 

Der Verein der Behindertenhilfe Dieburg und Umgebung e.V. hat am Mittwoch Insolvenz in Eigenverwaltung beim Darmstädter Amtsgericht beantragt. Vorrangiges Ziel des Verfahrens ist die Weiterführung des Betriebs und der Erhalt der Arbeitsplätze. Sanierer und Geschäftsführender Vorstand Thomas Wieler will so alle Betreuungs- und Beschäftigungsangebote für Klienten mit und ohne Behinderung und alle Arbeitsplätze erhalten.

 

Unmittelbar vor dem Antrag hatte der Verwaltungsrat des Vereins Rechtsanwalt Olaf Seidel als weiteren Vorstand berufen. Der Jurist ist Fachanwalt für Insolvenzrecht und verfügt über langjährige Erfahrung, u.a. auch mit Insolvenzen von sozialwirtschaftlichen Unternehmen, was ausschlaggebend war für seine Berufung. Die Dieburger Unternehmensleitung konnte mit diesem Schritt die gerichtliche Zustimmung zu ihrem Antrag der Eigenverwaltung erreichen.

 

Als gerichtlich bestellter Sachwalter wurde dem Verein Herr Rechtsanwalt Mirko Lehnert, Rae Schiebe und Collegen, aus Darmstadt an die Seite gestellt. Bis zuletzt wollte Wieler die drohende Insolvenz abwenden, hatte diesen Weg zugleich nie a priori ausgeschlossen. Seit Übernahme der Geschäftsleitung im Sommer dieses Jahres hatte er sich auf Sanierungsmaßnahmen wie Steigerung der Auslastung der Werkstatt, Erhöhung des Auftragsvolumens oder Verhandlungen mit dem Landeswohlfahrtsverband zur Erhöhung der Vergütungssätze konzentriert. Erfolgreich verliefen die Verhandlungen mit der Stadt Dieburg zur Übernahme des Kita-Defizits. Diese Schritte sollten zur Sanierung aus eigener Kraft führen. Erst als deutlich wurde, dass sie nicht in der gebotenen Kürze der Zeit greifen, schlug die Geschäftsleitung einen Sanierungstarif vor mit dem Ziel einer vorübergehenden Absenkung der Personalkosten. Als Minimalkonsens wurde jedoch zunächst nur die Stundung der Jahressonderzahlungen für 2013 erreicht. Leider wurde dieses Verhandlungsergebnis von ver.di und einer ver.di-Mitgliederversammlung abgelehnt. Das machte den heutigen Insolvenzantrag juristisch unausweichlich.

 

Besonders bedauert der Sanierer, dass trotz des vorbildlichen Engagements eines Teils der Belegschaft in den letzten Monaten die Insolvenz nicht abgewendet werden konnte. Zahlreiche Mitarbeiter der Behindertenhilfe hatten die umfangreichen Sanierungsmaßnahmen der Geschäftsleitung nachdrücklich unterstützt. „Verdi nahm diese Anstrengungen leider nicht wahr und missachtet so letztlich das Interesse vieler Mitarbeiter an der Vermeidung einer Insolvenz“, stellt Wieler fest. Ausdrücklich stellt er klar, dass ein Sanierungstarif Teil der erwähnten Sanierungsmaßnahmen war, die den Mitarbeitern frühzeitig als unvermeidbare Maßnahme bekannt gegeben wurde – wenn eine Sanierung aus eigener Kraft Erfolg haben soll.

 

Gegenwärtig bewertet Interimsmanager Thomas Wieler die Situation folgendermaßen: 

Durch die Weigerung der Arbeitnehmervertretung, einer vorübergehenden Absenkung der Gehälter oder zumindest einer Stundung der Jahressonderzahlungen zuzustimmen, ist eine weitere Existenz des Vereins für Behindertenhilfe aus eigener Kraft deutlich erschwert. Dieser Umstand führt dazu, jetzt parallel die bereits bestehenden Verhandlungen mit größeren Trägern der Behindertenhilfe zu intensivieren, die ihrerseits Interesse an einer Übernahme des Vereins bekundet haben. Es gibt eine Reihe von Interessenten sodass der Vorstand zuversichtlich ist, nach Abschluss der Verhandlungen eine Lösung mit einer guten Zukunftsperspektive für alle Beteiligte verkünden zu können.

 

Ausdrücklich weist er darauf hin, dass die Betreuung aller Klienten in allen Einrichtungen im gewohnten Umfang fortgeführt werden kann.

 

Die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Zahlung ihrer Gehälter sind über das gesetzlich geregelte Insolvenzgeld abgesichert. Der Vorstand beantragt bei der Agentur für Arbeit eine Genehmigung der Vorfinanzierung dieser Ansprüche durch ein Kreditinstitut. Wird diese erwartungsgemäß erteilt können die MitarbeiterInnen bereits in wenigen Tagen mit der Zahlung der Novemberentgelte rechnen.




Hintergrundinformation zum Verein: 

Der Verein für Behindertenhilfe Dieburg und Umgebung e. V. unterhält vielfältige, qualifizierte Einrichtungen zur Förderung von Menschen mit Behinderung. Die bereits 1973 gegründete südhessische Institution will Menschen mit Behinderung die aktive Teilhabe in der Gesellschaft erleichtern und die Wiedereingliederung in das Berufsleben ermöglichen.

Die Angebote sind in drei Bereiche untergliedert: Werkstatt, Kindertagesstätte und Wohnen. Zudem bietet der Verein einen weiteren Dienst an, das Ambulant Unterstützte Wohnen, bei dem behinderte Menschen in ihrer eigenen Wohnung unterstützt werden. 

Insgesamt beschäftigt der Verein rund 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon rund 236 mit körperlicher und/oder geistiger Behinderung. Im Kompetenzbereich Wohnen werden rund 75 Personen betreut. Der Kita- und Hortbereich bietet gegenwärtig 53 Plätze für behinderte und nicht behinderte Kinder und Jugendliche.


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