17.05.2022 - Kategorie "Insolvenzverfahren"

Eigenverwaltungsverfahren der Westiform Germany

Westiform: Löhne und Gehälter der 130 Mitarbeiter sind durch Insolvenzgeld gesichert.

Die Westiform Germany GmbH aus Ortenberg saniert sich innerhalb eines Eigenverwaltungsverfahrens


Die Westiform Germany GmbH hat vor dem Amtsgericht Offenburg ein gerichtliches Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung beantragt. Das Amtsgericht hat den Antrag auf eine gerichtliche Sanierung in Eigenregie mit Beschluss vom 12.05.2022 bewilligt.


Das Wichtigste in Kürze:

Der Geschäftsbetrieb an den Standorten in Ortenberg und Bretzfeld läuft in vollem Umfang fort.

Die Löhne und Gehälter der 130 Mitarbeiter sind gesichert.

Die wesentlichen Gläubiger und Vertragspartner unterstützen das Eigenverwaltungsverfahren.

Ziel ist die Sanierung und Restrukturierung des Unternehmens und ggf. die Suche nach einem Investor.


Stand des Verfahrens

Neben dem Antrag auf Eröffnung eines Eigenverwaltungsverfahrens wurde auch die vorläufige Eigenverwaltung beantragt. Dies berechtigt die Westiform Germany GmbH die Geschäfte in Eigenregie unter Aufsicht eines gerichtlich bestellten Sachwalters weiterzuführen. Das zuständige Amtsgericht Offenburg hat den Anträgen stattgegeben.

Damit hat das Unternehmen nunmehr die Gelegenheit, einen Sanierungsplan zur Restrukturierung des Unternehmens vorzulegen.


Zum Hintergrund:

Die Westiform Germany GmbH ist Nachfolge-gesellschaft der Westiform GmbH & Co. KG, über deren Vermögen im Jahr 2020 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Westiform Germany GmbH hatte die Assets vom Insolvenzverwalter der Westiform GmbH & Co. KG herausgekauft.


Ziel des Verfahrens

Ziel des Verfahrens ist die Restrukturierung und Sanierung der Westiform Germany GmbH und deren zukunftsfähige Ausrichtung. Alternativ soll auch nach einem potentiellen Investor gesucht werden. Damit wird sichergestellt, dass sowohl für das Unternehmen, als auch für die Gläubiger im Verfahren die beste Lösung gefunden und umgesetzt wird. Nach derzeitigem Stand ist davon auszugehen, dass das Verfahren, zumindest in den wesentlichen Punkten, im 3. Quartal 2022 abgeschlossen werden kann.


Ursachen der Krise

Ein Auslöser der Krise war insbesondere die Rohstoffpreisentwicklung. Aufgrund der gegenwärtigen Marktsituation kam es zu nicht unerheblichen Preiserhöhungen. Hierdurch stieg der Materialaufwand seit Ende 2020 deutlich an.

Daneben führten Projektverschiebungen zu ausbleibenden bzw. verzögerten Umsätzen im Jahr 2021. Auch im ersten Quartal 2022 mussten weitere Umsatzverluste verzeichnet werden.Gründe hierfür sind der Krieg in der Ukraine sowie kundenseitige Projektverzögerungen.

Schließlich fiel der alleinige Geschäftsführer Herr Dreser krankheitsbedingt aus. Die Krise wurde neben den coronabedingten Entwicklungen letztlich auch durch die Auswirkungen der Ukraine-Krise ausgelöst. Die Fehlentwicklungen wurden aufgrund des krankheitsbedingten Ausfalls des alleinigen Geschäftsführers nicht rechtzeitig erkannt. Ebenso konnten Gegenmaßnahmen hierdurch nicht mehr rechtzeitig eingeleitet werden.

Das Unternehmen rutschte somit in eine akute Liquiditätskrise.


Stellungnahme des Sanierungsgeschäftsführers / Beratung

Herr Sven Pursche (Partner der novaerion) wurde am 5.5.2022 als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer bestellt. Sven Pursche hat in seiner langjährigen Berufserfahrung eine Vielzahl von Sanierungs-, Refinanzierungs- und M&A-Prozessen erfolgreich umgesetzt sowie kaufmännische Leitungsfunktionen (CFO) übernommen. Er sieht in der Eigenverwaltung eine große Chance, dass sich die Westiform Germany GmbH noch einmal neu und nachhaltig aufstellen kann:

„Die Rahmenbedingungen für die Westiform waren Anfang des Jahres 2022 alles andere als einfach. Wie viele andere Unternehmen auch, hatte die Westiform aufgrund der externen Umstände im Zuge der Material- und Energiekrise mit massiven Auswirkungen auf den Produktionsprozess zu kämpfen. Insbesondere die hierdurch ausgelösten Projektverzögerungen und -verschiebungen führten zu Liquiditätsengpässen. Dass der ehemalige Geschäftsführer in dieser Zeit nicht vor Ort war, war für das Unternehmen problematisch. Hierzu werde ich nun meine Erfahrung einbringen“, so der Geschäftsführer Sven Pursche.

Auch der die Eigenverwaltung begleitende Rechtsanwalt Matthias Kühne sieht in der Eigenverwaltung eine Chance für das Unternehmen:

„Die Eigenverwaltung bietet nunmehr die Chance, eine nachhaltigen Sanierungsplan zu erarbeiten und auch im Unternehmen umzusetzen“.

Das sieht auch die verantwortliche Projektleiterin, Frau Rechtsanwältin Hackl-Fingado so:

„Für die Mitarbeiter, die Kunden und die Lieferanten ist die Situation sicherlich nicht einfach, zumal sich das Vorgängerunternehmen im Jahr 2020 in Insolvenz befand. Trotzdem haben wir bislang von allen - trotz der Umstände - ein positives Feedback erhalten. Es besteht der Wille, das Unternehmen in der schwierigen Situation zu unterstützen“.


Fortführung Geschäftsbetrieb

Die Westiform Germany GmbH erzielte im Geschäftsjahr 2021 rd. 28,5 Mio. Euro Umsatzerlöse. Der Geschäftsbetrieb des Unternehmens wird in vollem Umfang fortgeführt. Die vorliegenden Kundenaufträge werden wie gewohnt ausgeführt.

Zur Steuerung der für die Betriebsfortführung erforderlichen Liquidität unterhält die Westiform Germany GmbH eine Liquiditätsplanung und -steuerung unter Aufsicht des bestellten (vorläufigen) Sachwalters.


Handelnde Personen

Durch die Anordnung der Eigenverwaltung bleibt die Westiform Germany GmbH selbst handlungsfähig.

Der Sanierungsgeschäftsführer Herr Sven Pursche (Partner bei novaerion) leitet weiter das Unternehmen. Dabei wird er von der KANZLEI NICKERT und dem Team um den Partner Matthias Kühne unter Federführung von Frau Rechtsanwältin Hackl-Fingado unterstützt. Damit steht auch das erforderliche rechtliche Know-how für das gerichtliche Eigenverwaltungsverfahren zur Verfügung.

Das Gericht hat Herrn Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Kaiser, von der Kanzlei Kaiser & Sozien, Freiburg als vorläufigen Sachwalter antragsgemäß beratend und begleitend zur Seite gestellt.


Die Rolle der Gläubiger

Die Gläubiger werden aktiv über den Stand des Verfahrens und die geplanten Maßnahmen informiert. Hierzu ist auf der Homepage der KANZLEI NICKERT ein Datenraum eingerichtet, in dem die wesentliche Situation dargestellt ist und fortlaufend Statusberichte eingestellt werden. Der Datenraum ist nur für die Gläubiger einsehbar.


Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern

Aktuell sind bei der Westiform Germany GmbH rund 130 Mitarbeiter an den Standorten in Ortenberg und Bretzfeld beschäftigt. Die Lohn- und Gehaltszahlungen der Arbeitnehmer werden während des vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens durch die Arbeitsagentur in voller Höhe sichergestellt. Die Lohn- und Gehaltszahlungen erfolgen wie gewohnt.

Die Mitarbeiter wurden umfassend über den aktuellen Stand informiert.


Zukunftsfähigkeit des Unternehmens

Die Westiform Germany GmbH genießt bei den Kunden und auch in Fachkreisen einen guten Ruf. Mit den bereits begonnenen und zu Teilen auch umgesetzten Maßnahmen im Rahmen des Restrukturierungsprozesses soll die Zukunft des Traditionsunternehmens gesichert werden. Der Weg soll in der Eigenverwaltung weiter konsequent verfolgt werden. Hierzu hat das Unternehmen bereits ein Restrukturierungskonzept erarbeitet, was mit dem vorläufigen Sachwalter und dem vorläufigen Gläubigerausschuss abgestimmt werden soll. Ziel ist es, die beiden Standorte und die Arbeitsplätze zu erhalten.




Über Westiform: Eine über 100-jährige Historie

Die Westiform Germany GmbH in ihrer gegenwärtigen Form existiert seit August 2020.

Die Westiform Germany GmbH ist Nachfolgegesellschaft der Westiform GmbH & Co. KG, über deren Vermögen mit Beschluss des Amtsgerichts Offenburg vom 1.1.2020 (Az.: 30 IN 430/19) das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Westiform Germany GmbH hatte die Assets vom Insolvenzverwalter der Westiform GmbH & Co. KG, Herrn Rechtsanwalt Dr. Dirk Pehl, mit Vertrag vom 2.7.2020 herausgekauft.

Die Westiform GmbH & Co. KG gehörte zur Unternehmensgruppe Westiform, die als Schweizer Familienunternehmen im Jahr 1959 durch die Familie Imfeld gegründet wurde, als diese die Neon-Abteilung der amerikanischen Firma Westinghouse kaufte. Daraus entstand zunächst eine Aktiengesellschaft mit dem Namen Westineon mit Sitz in Lausanne, CH.

1984 wurde das Unternehmen von Westineon in Westiform umbenannt.

Im Jahr 1989 übernahm die Westiform-Unternehmensgruppe den Konkurrenten Boos+Hahn in Ortenberg, die dann als Westiform GmbH & Co. KG firmierte. Das Leistungsspektrum umfasst die Beratung, Entwicklung, Herstellung, Lieferung, Montage von Leuchtwerbeanlagen im analogen und digitalen Bereich. Vor ca. 6 Jahren wurde zudem das neues Geschäftsfeld „Technische Kunststoffteile“ etabliert, in dem die Gesellschaft die Entwicklung, Beratung und Herstellung von Kunststoffelementen und Baugruppen vornahm.

Seit dem Erwerb des Geschäftsbetriebes der Westiform GmbH & Co. KG im Rahmen eines Asset-Deals führt die Westiform Germany GmbH nunmehr den Betrieb fort.


Zur Eigenverwaltung

Die Eigenverwaltung ermöglich es einem insolventen Unternehmen, eine Sanierung innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens in Eigenregie zu gestalten. Bei der Eigenverwaltung wird auf die Einsetzung eines Insolvenzverwalters verzichtet. Durch das ESUG im Jahr 2012 sollte die Eigenverwaltung gestärkt werden. Dadurch sollte ein höherer Anreiz für frühzeitige Insolvenzanträge geschaffen werden. Neu geschaffen wurde die Möglichkeit der vorläufigen Eigenverwaltung. Um missbräuchlichem Verhalten vorzubeugen hat der Gesetzgeber seit dem 1.1.2021 die Eintrittsvoraussetzungen in die (vorläufige) Eigenverwaltung erhöht. Damit soll der Missbrauch der Eigenverwaltung verhindert werden. Wird von Seiten des Gerichts die vorläufige Eigenverwaltung angeordnet ist dies die Bestätigung durch das Gericht, dass dieses das Eigenverwaltungsverfahrens für die Gläubiger als vorteilhaft einschätzt.

Durch die Bestellung eines (vorläufigen) Sachwalters und auch durch die Bestellung des (vorläufigen) Gläubigerausschusses ist sichergestellt, dass die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen kontrolliert wird und auch die Gläubiger frühzeitig in Entscheidungsprozesse mit eingebunden sind.

Damit soll nicht nur der bestmögliche Weg zum Erhalt des Unternehmens bzw. des Geschäftsbetriebes verfolgt werden, sondern die Gläubiger auch eine möglichst hohe Befriedigung durch die Insolvenzquote erreichen.


">Über KANZLEI NICKERT, Gesellschafter Matthias Kühne und Frank Lienhard, Offenburg:

Die KANZLEI NICKERT, Gesellschafter Matthias Kühne und Frank Lienhard, ist eine Unternehmerkanzlei im besten Sinne: Sie bietet in den Bereichen Rechtsberatung, Steuerberatung und betriebswirtschaftliche Beratung all diejenigen Dienstleistungen an, die ein Unternehmen / Unternehmer klassischerweise benötigt. Rechtsanwälte, Fachanwälte für Insolvenzrecht, Fachanwälte für Steuerrecht, Betriebswirte und Steuerberater arbeiten dabei Hand in Hand.

Mit ihren über 20 Mitarbeitern begleitet die Kanzlei Firmen von der Unternehmensgründung über Wachstumsfragen und Umstrukturierungsaufgaben bis hin zu Nachfolgethemen – stets getreu dem Motto: „Wir denken schon mal vor.“ Die KANZLEI NICKERT versteht sich dabei als Partner zur strategischen Unternehmensausrichtung. Mit ihren Experten aus Wirtschafts-, Rechts- und Steuerberatung berät die Kanzlei Firmen kompetent zu individuellen Unternehmenssituationen.

Im Projektgeschäft bietet die Kanzlei Beratung in ihren Spezialgebieten an, insbesondere in der Sanierungsberatung, Unternehmensbewertung und beim Unternehmenskauf und -verkauf. Hier sind wir auch Ansprechpartner für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte zur gemeinschaftlichen Betreuung Ihrer Mandanten.

Die KANZLEI NICKERT ist seit März 2009 zertifiziert nach ISO 9001:2015 und für die Steuerberatung zusätzlich nach dem DStV-Qualitätssiegel, dem Qualitätsstandard des Deutschen Steuerberaterverbandes.

2009, 2011, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020, 2021 wurde die KANZLEI NICKERT von FOCUS MONEY in die Liste der TOP-Steuerberater aufgenommen. 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020, 2021 erhielt sie von FOCUS SPEZIAL die Auszeichnung als Top-Steuerberaterkanzlei.

Die DATEV e.G. hat der KANZLEI NICKERT 2019, 2020, 2021 und 2022 das Label „Digitale Kanzlei“ verliehen. Diese Auszeichnung vergibt die DATEV e. G. seit März 2019 – die KANZLEI NICKERT ist damit von Anfang an dabei. Mit dem Label zeichnet die DATEV eG innovative Kanzleien aus, die eine hohe Digitalisierungsquote in ihrer Arbeitsweise erreichen.


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