Insolvenzrechtlicher Rang eines Abfindungsanspruchs nach §§ 9, 10 KSchG
Bundesarbeitsgericht Erfurt, Urteil vom 14. März 2019 - 6 AZR 4/18 - Zur Abfindung eines Arbeitnehmers im Insolvenzverfahren
Macht erst der Insolvenzverwalter einen Antrag auf Auflösung
des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG rechtshängig und löst das Gericht das
Arbeitsverhältnis daraufhin auf, ist der Anspruch auf Abfindung nach § 10 KSchG
eine Masseverbindlichkeit, die nach § 53 InsO vorweg zu berichtigen, also wie
geschuldet in voller Höhe zu erfüllen ist. Das gilt auch dann, wenn die der
Auflösung zugrunde liegende Kündigung noch vom späteren Insolvenzschuldner
erklärt worden ist.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2014 kündigte die spätere Insolvenzschuldnerin
das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 15. Januar 2015. Während des
erstinstanzlichen Kündigungsschutzverfahrens kündigte sie in einem an den
Klägeranwalt vom Arbeitsgericht formlos übersandten Anwaltsschriftsatz vom 26.
Januar 2015 den Hilfsantrag an, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer
Abfindung aufzulösen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. April 2015
hat der Kläger das unterbrochene Verfahren gegen den zum Insolvenzverwalter
bestellten Beklagten aufgenommen. In der mündlichen Verhandlung vor dem
Arbeitsgericht am 9. Juni 2016 hat der Beklagte auch den Auflösungsantrag „vom
26.01.2015“ gestellt. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage
stattgegeben und das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe
von 1.558,75 Euro aufgelöst, die „zur Insolvenztabelle festgestellt wird“. Das
Landesarbeitsgericht hat die auf die insolvenzrechtliche Einordnung des
Abfindungsanspruchs beschränkte Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner
Revision begehrt der Kläger weiterhin die Zahlung des Abfindungsanspruchs als
Masseverbindlichkeit. Die Antragstellung des Beklagten in der mündlichen
Verhandlung stelle die maßgebliche Handlung dar, auf der die Auflösung des
Arbeitsverhältnisses und damit der Abfindungsanspruch beruhten. Demgegenüber
hat der Beklagte den Standpunkt vertreten, sowohl die Kündigungserklärung als
auch die erstmalige Einführung des Auflösungsantrags in den Prozess als
maßgebliche Handlungen seien durch die Insolvenzschuldnerin erfolgt.
Die Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts
Erfolg. Mangels Zustellung hat nicht schon der Schriftsatz der späteren
Insolvenzschuldnerin vom 26. Januar 2015, in dem der Auflösungsantrag
angekündigt war, zu dessen Rechtshängigkeit geführt. Diesbezüglich war auch
keine Heilung eingetreten. Den Auflösungsantrag als die für die
insolvenzrechtliche Einordnung maßgebliche Handlung hat erstmals der beklagte
Insolvenzverwalter in der mündlichen Verhandlung des Arbeitsgerichts vom 9.
Juni 2016 rechtshängig gemacht (§ 261 Abs. 2 1. Alt. ZPO).
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