28.11.2023 - Kategorie "Statistik"

Insolvenzreport: Zahl der Großinsolvenzen steigt weiter an

Weniger Neustarts insolventer Unternehmen

Die Großinsolvenzen sind weiter im Aufwind. 45 Insolvenzanträge von Großunternehmen registrierten die deutschen Amtsgerichte im dritten Quartal 2023.


Das sind sechs Fälle mehr als im Vorquartal - ein Plus von 15 Prozent. Damit steigen die Insolvenzzahlen zum dritten Mal in Folge und liegen nun doppelt so hoch wie die durchschnittlichen Quartalszahlen vor der Corona-Pandemie 2020. Allerdings befanden sich die Insolvenzzahlen damals auf einem historischen Tiefstand. Deutlich hat die Umsatzklasse 20-50 Millionen Euro zum Anstieg der Fallzahlen im dritten Quartal beigetragen. Hier stiegen die Anträge von 19 auf 28. Der Höchstwert wurde zuletzt in der Pandemie 2020 erreicht. Der Insolvenzreport berücksichtigt Verfahren von Großunternehmen mit einem Umsatz von mehr als 20 Millionen Euro. 


Spitzenreiter sind in diesem Quartal die Immobilienwirtschaft und das Gesundheitswesen mit zwölf bzw. elf Fällen. Danach verteilen sich die Insolvenzen mit drei bis fünf Fällen auf viele Branchen. „Noch ist keine Welle erkennbar. Dennoch sollte die Branchenverteilung eine Warnung sein, denn das Insolvenzgeschehen hat mittlerweile die gesamte Wirtschaft erreicht“, erklärt Studienautor und Falkensteg-Partner Jonas Eckhardt. Betroffen seien vor allem Unternehmen, die schon vor Corona kein tragfähiges Geschäftsmodell hatten und nur durch staatliche Maßnahmen überleben konnten. „Dass diese Unternehmen nach dem Wegfall der Förderung und den Zinserhöhungen aus dem Markt ausscheiden, ist positiv. Sie haben Personal und Rohstoffe gebunden, die in profitablen Unternehmen besser eingesetzt werden können“, so Eckhardt.


Vermehrt umsatzstarke Unternehmen betroffen

Vor allem umsatzstärkere Unternehmen sind von den Polykrisen mehr betroffen. So setzten die 111 Unternehmen, die zwischen Januar und September 2023 Insolvenz anmelden mussten, insgesamt 13,4 Milliarden Euro um. Das ist mehr als doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum. Damals erwirtschafteten die 86 insolventen Unternehmen nur rund 5,9 Milliarden Euro.


Prognose 2023: 150 Großinsolvenzen erwartet

Bis Ende des Jahres könnte die Marke von 150 Großinsolvenzen erreicht werden, schätzt Sanierungsexperte Jonas Eckhardt. In den vergangenen sieben Jahren gab es nur im Jahr 2020 mit insgesamt 182 Großinsolvenzen mehr Fälle. Im Durchschnitt waren es 119 Insolvenzen pro Jahr. Vor allem im Baugewerbe, im Gesundheitswesen sowie im Maschinen- und Anlagenbau dürften die Zahlen in den kommenden Monaten steigen. So könnten Insolvenzen von Projektierern auf das Baugewerbe und das Handwerk übergreifen. Auch im Gesundheitswesen ist noch keine Trendwende in Sicht. Bislang haben in diesem Jahr 28 Krankenhausgesellschaften Insolvenz angemeldet.


Angesichts weiter steigender Kosten und flächendeckender Gewinneinbrüche ist für das kommende Jahr mit einem erneuten Anstieg der Insolvenzen zu rechnen. Insbesondere die Logistik und Gastronomie rücken in den Fokus. Bereits jetzt leiden Speditionen aufgrund der hohen Energiepreise. Nun verdoppelt sich ab Dezember 2023 die Lkw-Maut mit dem neuen CO₂-Aufschlag. Mitte 2024 gilt die Mautpflicht dann auch für kleinere Transporter ab 3,5 Tonnen. In der Gastronomie wird die Mehrwertsteuer, die während der Pandemie von 19 auf 7 Prozent gesenkt wurde, wieder auf den alten Satz angehoben. „Die Folgen sind höhere Verbraucherpreise und ein weiterer Kostendruck in beiden Branchen, der zu Insolvenzen führen wird“, so Eckhardt.


Dämpfer bei den Neustarts insolventer Unternehmen

Die erfolgreichen Verfahrensbeendigungen durch einen Asset Deal oder Insolvenzplan sind im dritten Quartal 2023 gegenüber dem Vorquartal leicht von 25 auf 22 Fälle zurückgegangen. Während 19 insolvente Unternehmen – und damit ein Unternehmen mehr als im Vorquartal – über einen Asset Deal einen neuen Eigentümer fanden, halbierten sich die Insolvenzplanlösungen von sechs auf drei. Insgesamt konnten in diesem Jahr bisher 70 Firmen aus der Insolvenz fortgeführt werden. Das sind 26 Unternehmen mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.  


„Insolvenzen werden immer komplexer. Die gestiegenen Finanzierungskosten erschweren zudem Asset Deals von Risikounternehmen oder die Finanzierung innerhalb eines Verfahrens. In den nächsten Monaten werden die positiven Verfahrensausgänge sicherlich zurückgehen“, erwartet Jonas Eckhardt.


Prof. Dr. Sebastian Dullien (IMK): Politik muss für mehr Planungssicherheit sorgen

Hohe und unkalkulierbare Energiepreise verhindern Investitionen in Deutschland. Das koste Wirtschaftsleistung und die Dynamik für einen Aufschwung, so der Ökonom Prof. Dr. Sebastian Dullien im Interview mit dem Insolvenzreport. Der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) sieht die Politik beim Kampf gegen den Fachkräftemangel, die marode Infrastruktur und der hinterherhinkenden Digitalisierung in der Pflicht. „Die Politik muss einerseits Planungssicherheit für die Unternehmen schaffen und andererseits eingreifen, um Preisspitzen abzufangen. Fehlt die Planungssicherheit, werden Investitionen verschoben oder die Unternehmen wandern dorthin, wo diese Sicherheit herrscht. Gerade die Chemie- und die Stahlindustrie stehen unter Druck. Entlang der Wertschöpfungskette kann dies zu Unternehmensschließungen oder Pleiten hier in Deutschland führen“, so Prof. Dullien.




Über den Insolvenzreport „5 nach 12“

Die Restrukturierungsberatung Falkensteg recherchiert für den Insolvenzreport alle drei Monate das Insolvenzgeschehen. Dazu werden Informationen des Insolvenz-Portals, der Creditreform, des Statistischen Bundesamtes sowie von Insolvenzverwaltern ausgewertet und mit eigenen Analysen ergänzt. Während andere Statistiken die eröffneten Insolvenzverfahren auswerten, konzentriert sich der Insolvenzreport auf den früheren Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung. Durchschnittlich liegt zwischen der Anmeldung und der Eröffnung ein Zeitraum von zwei bis drei Monaten. Damit dient der Insolvenzreport als Frühindikator bei den Großinsolvenzen.


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