Kein Insolvenzgeld für Lindenfarb-Mitarbeiter: Fortbestand des Unternehmens akut gefährdet
Agentur für Arbeit sieht keine Rechtsgrundlage für erneute Auszahlung des Insolvenzgeldes - Sanierungsgeschäftsführer Detlef Specovius: „Haben die Nachricht mit Entsetzen aufgenommen“
Die
Agentur für Arbeit Ulm hat dem für die Sanierung in Eigenverwaltung von
Lindenfarb verantwortlichen Geschäftsführer, Rechtsanwalt Detlef Specovius von
Schultze & Braun, sowie dem vorläufigen Sachwalter Dr. Tibor Braun von
Illig Braun Kirschnek am Mittwochabend überraschend mitgeteilt, dass es für die
320 Mitarbeiter des Textilveredlers kein Insolvenzgeld geben wird. Der
Fortbestand des Unternehmens ist nach dieser Entscheidung akut gefährdet.
„Wir haben die Nachricht mit Entsetzen aufgenommen“, erklärt Geschäftsführer
Specovius. „Die Entscheidung ist für uns nicht nachvollziehbar und gefährdet
die gesamten Sanierungsbemühungen für Lindenfarb. Beharrt die Agentur für
Arbeit auf ihrer Haltung, bleibt uns nichts anderes übrig, als den Betrieb mit
sofortiger Wirkung stillzulegen und alle Mitarbeiter freizustellen.“ Sie hätten
dann lediglich Anspruch auf Arbeitslosengeld I.
Vereinfacht gesagt sieht die Agentur für Arbeit den erneuten Antrag auf
Eigenverwaltung nicht als neues Insolvenzereignis an, sondern argumentiert,
dass die Forderungen aus dem Verfahren 2016/17 nun wieder aufleben würden.
Lindenfarb sei daher als durchgängig zahlungsunfähig anzusehen. Da die
Mitarbeiter aber bereits Ende 2016/Anfang 2017 Insolvenzgeld erhalten hätten
und dies nur einmal pro Verfahren möglich sei, könne nun kein Insolvenzgeld
ausgezahlt werden.
Lindenfarb hatte jedoch im Oktober 2017 seine Gläubiger davon überzeugt, dass
der Erhalt des Unternehmens für die Gläubiger die bessere Alternative darstellt
und einen Insolvenzplan vorgelegt, der deutlich höhere Quoten auf die offenen
Forderungen vorsah als die Gläubiger bei einer Zerschlagung des Unternehmens
hätten erwarten können. Die Gläubiger stimmten dem Insolvenzplan daher zu,
woraufhin das Amtsgericht Aalen das Eigenverwaltungsverfahren Ende Oktober 2017
aufhob.
Inhalt des Insolvenzplans war jedoch nicht wie üblich ein reiner Erlass von
Forderungen, sondern ein anteiliger Verkauf der über die Quotenzahlung
hinausgehenden Forderungen an den neuen Eigentümer der Gesellschaft, welcher
die Anteile von den Alteigentümern übernahm. Hintergrund dieser Konstruktion
war die seinerzeitige gesetzliche Unsicherheit bezüglich der Besteuerung von
Sanierungserträgen. Der Bundesfinanzhof hatte entschieden, dass sogenannte
Sanierungsgewinne besteuert werden müssten. Das Problem dieser
Sanierungsgewinne: Sie entstehen ausschließlich auf dem Papier, echte
Liquidität fließt dem Unternehmen nicht zu. Dennoch würden Steuern fällig,
wodurch viele Unternehmen nicht mehr hätten saniert werden können.
Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber diese Unsicherheiten mit einer
Gesetzesreform ausgeräumt.
„Mit der damaligen Regelung haben wir es geschafft, die rechtlichen
Unsicherheiten zu umgehen und aus unserer Sicht Lindenfarb als saniertes
Unternehmen aus dem Verfahren zu entlassen. Es existiert darüber hinaus ein
Gutachten, das auch der Agentur für Arbeit vorliegt und in dem Lindenfarb
attestiert wird, dass bis in den Januar dieses Jahres keine Zahlungsunfähigkeit
vorlag und daher auch kein erneuter Antrag gestellt werden musste. Das
widerspricht der Argumentation der Agentur für Arbeit und daher handelt es sich
aus unserer Sicht bei der aktuell laufenden Eigenverwaltung ganz klar um ein
neues Sanierungsverfahren. Folglich müssen auch die Arbeitnehmer Anspruch auf
Insolvenzgeld haben“, sagt Geschäftsführer Specovius.
Über Schultze & Braun
Schultze & Braun ist ein führender Dienstleister für Insolvenzverwaltung
und Beratung von Unternehmen in der Krise. Mit rund 700 Mitarbeitern an mehr
als 40 Standorten in Deutschland und im europäischen Ausland vereint Schultze
& Braun als einer der wenigen Anbieter juristischen und
betriebswirtschaftlichen Sachverstand unter einem Dach. Schultze & Braun
unterstützt Unternehmen regional, national und international in allen Sanierungs-
und Restrukturierungsfragen, führt sie durch Krise und Insolvenz oder zeigt,
wie sich Insolvenzen vermeiden lassen. Darüber hinaus berät und vertritt
Schultze & Braun Mandanten in Fragen der klassischen Unternehmens-, Rechts-
und Steuerberatung.
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