Marktbereinigung durch Scheitern? – Scheitern ist keine Schande
Die Botschaft am Ende des Abends lautete: Deutschland braucht einen Mentalitätswandel. An die Stelle der Kultur des Scheiterns muss eine Kultur der Chance und der Risikobereitschaft treten und so ein positiveres Bild des Unternehmertums etabliert werden.
Nach der Begrüßung durch Stephanie Paris (SK Dienstleistungs GmbH) führte Christian Lindner (Bundesvorsitzender, FDP) in das Thema des Abends ein. Zu Beginn seines Vortrags wurde seine Wutrede eingespielt, die er – durch einen Zwischenruf angesprochen auf sein früheres Scheitern als Unternehmer – 2015 im nordrhein-westfälischen Landtag hielt. Lindner machte in seinem Vortrag zunächst deutlich, dass es in Deutschland eine Kultur des Scheiterns gebe und forderte in diesem Zuge, dass es in Deutschland stattdessen eine Kultur der Chance bzw. Risikobereitschaft geben müsse. Denn nur durch Versuche gelange man zu Wissen. Die deutsche Kultur des Scheiterns verhindere allerdings die Dynamik des Wissensaufbaus und gescheiterte Unternehmer seien oft Häme ausgesetzt. „Wer beruflich scheitert, ist kontaminiert!“, fasst Lindner das deutsche Mentalitätsproblem zusammen. In seinem Vortrag berichtete der Politiker unter anderem von seiner eigenen Gründungsidee, die allerdings zur damaligen Zeit technisch noch nicht umsetzbar war. Lindner plädierte dafür, dass Unternehmer heute schneller scheitern sollten als bisher, anstatt zu lange an einem nicht funktionsfähigen Geschäftsmodell festzuhalten.
In der Podiumsdiskussion – moderiert von Dr. Jan-Philipp Hoos (White & Case) und Burkhard Jung (Restrukturierungspartner) – berichteten die Diskutanten von ihren umfangreichen Erfahrungen mit dem Thema Scheitern. Prof. Dr. Henning Werner (Professor für Restrukturierung und Sanierung, SRH Hochschule Heidelberg) bezeichnete sich selbst zu Beginn der Diskussion als Seriengründer und berichtete, dass er bisher an 5 Gründungen beteiligt gewesen sei. Auch Werner machte deutlich, dass man sich als Gründer mit dem Scheitern zwangsweise auseinandersetzen müsse. Gleichzeitig forderte er, dass in Deutschland trotz der risikoreichen Bedingungen ein Unternehmertum gebraucht werde. Dr. Harald Schwartz (Rechtsanwalt, Insolvenzverwalter, SRI Rechtsanwaltsgesellschaft mbH) war der Meinung, dass Scheitern etwas Individuelles sei und Unternehmer häufig mit vielen Sorgen konfrontiert seien. Wichtig sei, in welcher Lebenslage die Unternehmer scheitern: „Ein 72-jähriger Unternehmer, der scheitert, hat es schwerer, wieder auf die Beine zu kommen als ein 30-jähriger“, so der Rechtsanwalt. Angesprochen auf das Thema Sicherheit berichtete Prof. (a.D.) Dr. Christoph G. Paulus (Professor für Bürgerliches Recht, Zivilprozess- und Insolvenzrecht sowie Römisches Recht, Humboldt-Universität zu Berlin), dass immer weniger junge Menschen ein Unternehmen gründen wollen. Als Gründe für diese Aversion nannte Paulus, dass in der heutigen Zeit jeder erfolgreich sein wolle, jedoch das finanzielle Risiko Ängste schüren würde. Außerdem sei es genetisch bedingt, dass Menschen ein Scheitern verhindern wollen. Schwartz war der Meinung, dass Bildungsinstitute oft ein schlechtes Zukunftsbild für junge Gründer aufzeigten, anstatt Mut und Zuversicht zu vermitteln. Werner plädierte dafür, dass vor allem Studierende für Entrepreneurship sensibilisiert werden sollten. Allgemein solle Entrepreneurship eine größere Rolle in Bildungsinstituten spielen und bereits in der Schule ein Thema sein. An dieser Stelle ergänzte Lindner, dass in den letzten Jahren ein Wertewandel stattgefunden habe. Es würde nicht mehr nur um die Profitmaximierung gehen, sondern um die Sinnhaftigkeit einer Idee. Außerdem sollte sich ein Unternehmer nach 5 Jahren der Selbstständigkeit selbst absichern können, ansonsten handle es sich um ein nicht profitables Geschäftsmodell.
Lindner berichtete des Weiteren, dass Deutschland vor allem technologische Innovationen fehlen und dies negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland gegenüber dem Ausland hat. Außerdem gebe es vor allem auf der mittleren Ebene der Führungskräfte nur sehr wenige Gründungen. Ein Grund dafür seien die zu hohen Opportunitätskosten. An dieser Stelle forderte der Politiker noch einmal eine kulturelle Veränderung im Entrepreneurship sowie mehr Venture Capital, das den Gründern zur Verfügung gestellt werden sollte. Werner ergänzte, dass positive Unternehmensvorbilder benötigt würden, um so mit positivem Beispiel voranzugehen. Dabei auch auf Krisen und Misserfolg zu treffen, sei allerdings oft unumgänglich.
Die Veranstalter des Düsseldorfer Restrukturierungsforums sind Deloitte, hww hermann wienberg wilhelm, Restrukturierungspartner, SK Dienstleistungs GmbH, Taylor Wessing und White & Case. Es bringt zwei Mal pro Jahr alle an der Sanierung eines Unternehmens Beteiligte zusammen. Hochrangige Gäste stellen aus verschiedenen Blickwinkeln ein aktuelles Thema vor und teilen ihr Expertenwissen mit den Gästen in der Diskussion.. Die nächste Veranstaltung findet im Frühjahr 2020 statt.
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