17.11.2020 - Kategorie "Insolvenzverfahren"

Neustart der Pfungstädter Brauerei

Die Pfungstädter Brauerei kann das Insolvenz-Schutzschirmverfahren verlassen

Die meisten Arbeitsplätze werden erhalten und die Gläubiger vollständig befriedigt


Die Pfungstädter Brauerei kann das Schutzschirmverfahren verlassen und Anfang Dezember neu starten. Heute haben die Gläubiger dem von der Geschäftsführung mit der Restrukturierungskanzlei Schiebe und Collegen erarbeiteten Insolvenzplan zugestimmt. Die Gläubiger erhalten eine Quote von 100 Prozent. Auch konnten 46 Vollzeitstellen und damit die meisten Arbeitsplätze erhalten werden. Neuer Eigentümer wird der hessische Anlagenbauer Lauer.

 

Nach der einstimmigen Entscheidung der Gläubiger hat das Amtsgericht Darmstadt heute den Insolvenzplan bestätigt. Die südhessische Traditionsbrauerei konnte sich damit im Schutzschirmverfahren von allen Schulden befreien. Vor allem will Lauer, der in der benachbarten Gemeinde Seeheim-Jugenheim auch Anlagen für Brauereien fertigt, in die Brauerei investieren, um mit modernster Technik Premiumbiere zu brauen. In den historischen Gebäuden plant er einen BrewPub mit Craftbierbrauerei und schattigem Biergarten und im Industriegebiet Pfungstadt einen CO2-neutralen Brauereineubau mit modernem Abfüll- und Logistikzentrum. Geplant ist eine Braukapazität von rund 200.000 Hektoliter, die deutlich unter der bisherigen Kapazität von 450.000 Hektoliter liegt.

 

46 der 78 Vollzeitkräfte werden übernommen. Zusätzlich hat Lauer fünf weitere Mitarbeiter in der Lauer GmbH übernommen. Fünf weitere Mitarbeiter sind im September in eine neu gegründete Transfergesellschaft gewechselt.

 

Seit 2. Juni befand sich die 1831 gegründete Privatbrauerei im Schutzschirmverfahren. Wesentliche Ursache der Unternehmenskrise war der sinkende Bierabsatz. Trotz Kostensenkungen, Repositionierung und neuer Absatzmärkte im Ausland litt das Unternehmen unter der allgemeinen Marktentwicklung. Die Corona-Krise hat die Situation dann weiter verschärft.

 

Unter dem Schutzschirm konnte die Brauerei die bisherige Betriebsimmobilie verkaufen und die operative und interne Organisation verschlanken. Ebenso wurde die Verwaltung gestrafft und auf digitale Abläufe umgestellt. Wesentliche IT-Aufgaben werden zukünftig von der neuen Schwestergesellschaft Lauer übernommen. In den nächsten Monaten werden weitere Kooperationen geschlossen und die Fernlogistik an Partner abgegeben. Mit dem neuen Geschäftsmodell können einige Dienstleistungen an Dritte ausgelagert werden. Über den Brauereineubau sollen die derzeitigen Strukturkosten mit überdimensionierten und in die Jahre gekommenen, ineffizienten Anlagen reduziert und über neue Verpackungsformate neue Absatzkanäle erschlossen werden. 

 

"Innerhalb von einem halben Jahr konnten wir die Brauerei im Schutzschirmverfahren entschulden und nachhaltig sanieren. In dieser schwierigen Lage konnten wir die Kunden im Handel und in der Gastronomie halten. Der neue Gesellschafter Lauer stellt jetzt die erforderlichen Mittel für ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell bereit. Damit haben wir unsere wichtigsten Ziele erreicht: den Erhalt der Brauerei und des überwiegenden Teils der Arbeitsplätze sowie die hundertprozentige Befriedigung von Forderungen der Gläubiger," erklärte Rechtsanwältin Annemarie Dhonau von der Restrukturierungskanzlei Schiebe und Collegen. Zusammen mit ihrem Kollegen, Rechtsanwalt Mirko Lehnert, und dem betriebswirtschaftlichen Restrukturierungsberater Michael Weimar unterstützte sie die Brauerei in dem Verfahren. Rechtsanwalt Dr. Jan Markus Plathner von Brinkmann & Partner, der im Auftrag des Amtsgerichtes Darmstadt das Verfahren als Sachwalter begleitet, wird auch die Umsetzung des Insolvenzplans überwachen.

 

"Die heutige Entscheidung ist ein Meilenstein in der Unternehmensgeschichte. Wir können mit einem hessischen Eigentümer neu durchstarten und in Pfungstadt weiter Premiumbiere brauen. Vor dem Hintergrund des Brauereisterbens und der Corona-Krise ist das ein großer Erfolg. Bedanken möchten wir uns bei allen Mitarbeitern - ausdrücklich auch bei jenen, die wir leider entlassen mussten - für ihre engagierte Arbeit und bei unseren Kunden und Lieferanten für ihre Treue," so Stefan Seibold, Geschäftsführer der Pfungstädter Brauerei. "Jetzt sind alle Weichen gestellt und wir können unsere volle Energie auf die Marktbearbeitung und den Brauereineubau legen. Noch arbeiten wir intensiv an der Ausgestaltung unseres neuen Konzepts. Im Dezember werden wir dann unsere Marktinitiativen 2021 und erste Details zur Neubauplanung vorstellen. "

 

 


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