Textilbranche zum Teil am seidenen Faden trotz stabilem Konsum
Euler Hermes Marktanalyse: Ausfallrisiken hoch, weitere Insolvenzen werden folgen – trotz stabilem Konsum
Die Risiken in der Textilbranche – insbesondere im textilen Einzelhandel – sind weiterhin hoch. Zu diesem Schluss kommt der weltweit führende Kreditversicherer Euler Hermes in einer Marktanalyse. Der Strukturwandel ist in vollem Gange, die Konkurrenz durch den Online-Handel wird immer stärker und damit der Investitionsbedarf höher. Die stagnierenden Umsätze, geringe Margen und ein dadurch anhaltend hoher Wettbewerbsdruck machen vielen Unternehmen jedoch zunehmend zu schaffen – trotz des relativ stabilen Konsums, der die Branche stützt. Nichtsdestotrotz sind die Zahlungsziele in der Branche zum Teil sehr lang und die Lieferantenfinanzierung durch das Ausreizen dieser Fristen nicht selten. Bei einigen Marktteilnehmern ist der finanzielle Spielraum für notwendige Investitionen in den Strukturwandel gering. Andere sind hingegen gut positioniert und es wird weiterhin Gewinner und Verlierer geben.
Am seidenen Faden: Es wird auch in Zukunft Insolvenzen in
der Textilbranche geben
„Einige textile Einzelhändler hängen am seidenen Faden, das
haben auch die jüngsten Ereignisse gezeigt“, sagte Ron van het Hof, CEO von
Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Durch die geringen
Margen ist die Ertragsprognose und Liquiditätsdecke bei einigen Firmen relativ
gering und das Ausfallrisiko in einigen Fällen hoch. Es gab seit Jahresbeginn
bereits einige namhafte Insolvenzen und zudem viele kleinere Pleiten. Insgesamt
beobachten wir, dass die Bonität in der Branche im Durchschnitt abnimmt. Das
werden deshalb vermutlich nicht die letzten Insolvenzen gewesen sein. Es wird
nach unserer Einschätzung auch in der Zukunft das eine oder andere
Textilunternehmen geben, das in Schieflage gerät.“
Preisdruck und wetterbedingte Volatilität machen zu schaffen
– Multi-Channel ein Muss
Der textile Einzelhandel kämpft zum einen mit einem hohen
Preisdruck, vor allem getrieben durch Bekleidungs-Discounter, und zum anderen
mit wetterbedingten Volatilitäten und vor allem der Notwendigkeit einer
umfassenden Multi-Channel-Strategie, die mit hohen Investitionen verbunden ist.
Die Bedeutung des Onlinehandels nimmt zu, er verzeichnet ein überproportionales
Wachstum. Bereits rund 40% aller Waren im Bekleidungssektor werden in
Deutschland heute schon online gekauft – Tendenz steigend, insbesondere auch in
Nischensegmenten.
Reines Filialkonzept weitestgehend veraltet – Pullis kaufen
Verbraucher viel im Netz
„Pullis, Bücher, Handys oder Wasserkocher haben eines
gemeinsam: Es sind Produkte, die sehr gut vergleichbar sind und wenig
beratungsintensiv“, sagte Van het Hof. „Deshalb ist bei Elektronikartikeln,
Büchern und eben auch Textilien der Online-Anteil am Umsatz heute schon sehr
hoch, während Möbel, Heimwerkerbedarf und Lebensmittel noch überwiegend im
stationären Handel gekauft werden. Wichtig und entscheidend für alle Händler
ist deshalb eine ‚richtige‘ Multi-Channel-Strategie. Das Konzept, nur Filialen
zu haben und ausschließlich den stationären Handel betreiben zu wollen, ist
heute weitestgehend veraltet. Ohne eine Kombination mit einem Internetauftritt
haben auch stationäre Händler kaum eine Chance mehr. Das geht heutzutage
höchstens noch bei kleinen regionalen Einzelhändlern mit wenigen kleinen
Filialen.“
Kunden informieren sich heute vor dem Kauf im Internet über Angebot, Material und Produkte, um zu sehen, ob es sich überhaupt lohnt, in den Laden zu gehen. Umgekehrt kaufen aber sehr preisbewusste Kunden online, nachdem sie im Laden Größe und Material geprüft haben – um eventuell einen niedrigeren Kaufpreis zu bezahlen.
Mehr Marge verschafft Wild Card im Strukturwandel
„Allerdings ist der Internetversand auch kein Allheilmittel,
weil Unternehmen für Investitionen und teils sehr lange Anlaufphasen hohe
Kosten einplanen müssen“, sagte Van het Hof. „Händler mit geringer Marge müssen
diese Aufwendungen auch finanzieren können. Deshalb kommt es letztlich auf die
Margen und die Dicke der Finanzdecke an. Wer mehr Marge hat und mehr
finanziellen Spielraum, ist auch automatisch beim Strukturwandel weit vorne
dabei. Eine Wild Card quasi. Auch davon gibt es in der Branche einige gute
Beispiele von Unternehmen, die in einer guten Ausgangslage sind.“
Textilherstellung: uneinheitliche Trends – „fast fashion“ als Herausforderung für Lieferkette
Die Trends in der Textilbranche sind demnach uneinheitlich, auch außerhalb des textilen Einzelhandels: Während sich Hersteller technischer Textilien stark spezialisiert haben und in einem relativ hochpreisigen Nischensegment agieren, sind Hersteller von Bekleidung in Deutschland durch die hohen Lohnkosten kaum noch konkurrenzfähig. Sie sind seit Jahren gezwungen, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern, in asiatische Länder wie China oder Bangladesch oder zuletzt zunehmend auch nach Osteuropa.
„Das schnelllebige Konsumentenverhalten, sogenanntes ‚fast fashion‘, zwingt Hersteller dazu, immer mehr Kollektionen pro Jahr auf den Markt zu bringen“, sagte Van het Hof. „Dies erfordert schnellere Lieferzeiten, die aus osteuropäischen Fabriken besser realisierbar sind als aus Asien. Die Lieferketten verändern sich also ebenfalls und darauf müssen sich Unternehmen einstellen.“
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