21.10.2016 - Kategorie "Insolvenzverfahren"

Textilbranche zum Teil am seidenen Faden trotz stabilem Konsum

Etliche bekannte Modemarken meldeten Insolvenz an

Euler Hermes Marktanalyse: Ausfallrisiken hoch, weitere Insolvenzen werden folgen – trotz stabilem Konsum


Die Risiken in der Textilbranche – insbesondere im textilen Einzelhandel – sind weiterhin hoch. Zu diesem Schluss kommt der weltweit führende Kreditversicherer Euler Hermes in einer Marktanalyse. Der Strukturwandel ist in vollem Gange, die Konkurrenz durch den Online-Handel wird immer stärker und damit der Investitionsbedarf höher. Die stagnierenden Umsätze, geringe Margen und ein dadurch anhaltend hoher Wettbewerbsdruck machen vielen Unternehmen jedoch zunehmend zu schaffen – trotz des relativ stabilen Konsums, der die Branche stützt. Nichtsdestotrotz sind die Zahlungsziele in der Branche zum Teil sehr lang und die Lieferantenfinanzierung durch das Ausreizen dieser Fristen nicht selten. Bei einigen Marktteilnehmern ist der finanzielle Spielraum für notwendige Investitionen in den Strukturwandel gering. Andere sind hingegen gut positioniert und es wird weiterhin Gewinner und Verlierer geben.

 

Am seidenen Faden: Es wird auch in Zukunft Insolvenzen in der Textilbranche geben
„Einige textile Einzelhändler hängen am seidenen Faden, das haben auch die jüngsten Ereignisse gezeigt“, sagte Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Durch die geringen Margen ist die Ertragsprognose und Liquiditätsdecke bei einigen Firmen relativ gering und das Ausfallrisiko in einigen Fällen hoch. Es gab seit Jahresbeginn bereits einige namhafte Insolvenzen und zudem viele kleinere Pleiten. Insgesamt beobachten wir, dass die Bonität in der Branche im Durchschnitt abnimmt. Das werden deshalb vermutlich nicht die letzten Insolvenzen gewesen sein. Es wird nach unserer Einschätzung auch in der Zukunft das eine oder andere Textilunternehmen geben, das in Schieflage gerät.“

 

Preisdruck und wetterbedingte Volatilität machen zu schaffen – Multi-Channel ein Muss
Der textile Einzelhandel kämpft zum einen mit einem hohen Preisdruck, vor allem getrieben durch Bekleidungs-Discounter, und zum anderen mit wetterbedingten Volatilitäten und vor allem der Notwendigkeit einer umfassenden Multi-Channel-Strategie, die mit hohen Investitionen verbunden ist. Die Bedeutung des Onlinehandels nimmt zu, er verzeichnet ein überproportionales Wachstum. Bereits rund 40% aller Waren im Bekleidungssektor werden in Deutschland heute schon online gekauft – Tendenz steigend, insbesondere auch in Nischensegmenten.

 

Reines Filialkonzept weitestgehend veraltet – Pullis kaufen Verbraucher viel im Netz
„Pullis, Bücher, Handys oder Wasserkocher haben eines gemeinsam: Es sind Produkte, die sehr gut vergleichbar sind und wenig beratungsintensiv“, sagte Van het Hof. „Deshalb ist bei Elektronikartikeln, Büchern und eben auch Textilien der Online-Anteil am Umsatz heute schon sehr hoch, während Möbel, Heimwerkerbedarf und Lebensmittel noch überwiegend im stationären Handel gekauft werden. Wichtig und entscheidend für alle Händler ist deshalb eine ‚richtige‘ Multi-Channel-Strategie. Das Konzept, nur Filialen zu haben und ausschließlich den stationären Handel betreiben zu wollen, ist heute weitestgehend veraltet. Ohne eine Kombination mit einem Internetauftritt haben auch stationäre Händler kaum eine Chance mehr. Das geht heutzutage höchstens noch bei kleinen regionalen Einzelhändlern mit wenigen kleinen Filialen.“

 

Kunden informieren sich heute vor dem Kauf im Internet über Angebot, Material und Produkte, um zu sehen, ob es sich überhaupt lohnt, in den Laden zu gehen. Umgekehrt kaufen aber sehr preisbewusste Kunden online, nachdem sie im Laden Größe und Material geprüft haben – um eventuell einen niedrigeren Kaufpreis zu bezahlen.

 

Mehr Marge verschafft Wild Card im Strukturwandel
„Allerdings ist der Internetversand auch kein Allheilmittel, weil Unternehmen für Investitionen und teils sehr lange Anlaufphasen hohe Kosten einplanen müssen“, sagte Van het Hof. „Händler mit geringer Marge müssen diese Aufwendungen auch finanzieren können. Deshalb kommt es letztlich auf die Margen und die Dicke der Finanzdecke an. Wer mehr Marge hat und mehr finanziellen Spielraum, ist auch automatisch beim Strukturwandel weit vorne dabei. Eine Wild Card quasi. Auch davon gibt es in der Branche einige gute Beispiele von Unternehmen, die in einer guten Ausgangslage sind.“

 

Textilherstellung: uneinheitliche Trends – „fast fashion“ als Herausforderung für Lieferkette

Die Trends in der Textilbranche sind demnach uneinheitlich, auch außerhalb des textilen Einzelhandels: Während sich Hersteller technischer Textilien stark spezialisiert haben und in einem relativ hochpreisigen Nischensegment agieren, sind Hersteller von Bekleidung in Deutschland durch die hohen Lohnkosten kaum noch konkurrenzfähig. Sie sind seit Jahren gezwungen, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern, in asiatische Länder wie China oder Bangladesch oder zuletzt zunehmend auch nach Osteuropa.

 

„Das schnelllebige Konsumentenverhalten, sogenanntes ‚fast fashion‘, zwingt Hersteller dazu, immer mehr Kollektionen pro Jahr auf den Markt zu bringen“, sagte Van het Hof. „Dies erfordert schnellere Lieferzeiten, die aus osteuropäischen Fabriken besser realisierbar sind als aus Asien. Die Lieferketten verändern sich also ebenfalls und darauf müssen sich Unternehmen einstellen.“

 


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