Venture-Capital-Markt wächst: Staat vervielfacht Beteiligungskapital für Start-ups
Studie von LUTZ ABEL zum 'Staat als Venture-Capital-Investor': Bund erhöht staatliche Venture-Capital-Mittel seit 2014 deutlich auf jährlich 467 Mio. Euro
Der Staat stellt Unternehmensgründerinnen und -gründern immer mehr Geld zur Verfügung und wird für die deutsche Innovationslandschaft somit noch wichtiger.
Jährlich rund 467 Mio. Euro an Bundesmitteln fließen in den Start-up-Markt. Im Vierjahresvergleich haben sich die Mittel damit vervielfacht - 2014 waren es noch (unter Ausklammerung des ERP-Dachfonds) 109 Mio. Euro. Die Bundesländer haben ihre Investitionsvolumina gleichfalls deutlich, wenn auch weniger beeindruckend, gesteigert - von insgesamt 113 auf 161 Mio. Euro. Doch es gibt erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. Das sind zentrale Ergebnisse der Studie "Der Staat als Venture-Capital-Investor", die die Wirtschaftskanzlei LUTZ ABEL nach 2014 in diesem Jahr zum zweiten Mal durchgeführt hat. Analysiert wurden dabei die Investitionsvolumina und Beteiligungshöhen sowie bestimmte Beteiligungskriterien und Fund-of-Fund-Aktivitäten staatlicher Fonds, die aktiv und ausschließlich oder zumindest schwerpunktmäßig in Deutschland investieren. Zielsetzung der Studie ist es, die Transparenz im VC-Markt zu erhöhen und sowohl Investoren wie auch Gründern eine Datenbasis mit Empfehlungen für die Zusammenarbeit zu liefern.
Engagement vor allem in der Frühphase
Junge Gründer und Firmen, die am Anfang ihrer Entwicklung stehen, sind häufig auf Beteiligungskapital angewiesen. Die Verfügbarkeit von privatem Beteiligungskapital zur Start-up-Förderung ist aber hierzulande immer noch vergleichsweise gering - deshalb spielt staatliches Beteiligungskapital eine tragende Rolle: Der Staat ist in Deutschland der aktivste Venture-Capital-Investor. In fast der Hälfte aller Frühphasen-Investments engagieren sich Schätzungen zufolge öffentliche Beteiligungsfonds: Allein der mit Bundesmitteln ausgestattete High-Tech Gründerfonds (HTGF) ist beispielsweise deutschlandweit an jedem fünften Frühphasen-Investment beteiligt. "Im rohstoffarmen Deutschland sind wir auf die beständige Entwicklung neuartiger, wettbewerbsfähiger Produkte und Dienstleistungen angewiesen. Die Politik erkennt, dass Wagniskapital ein Standortfaktor ist, und legt viele neue Programme auf, die den VC-Markt beleben sollen", konstatiert Studienautor Lorenz Jellinghaus, Rechtsanwalt und Partner am Hamburger Standort von LUTZ ABEL. "Das bedeutet aber auch: Der Staat setzt bei Investments über seine Beteiligungsgesellschaften eigene Akzente und kann direkt beeinflussen, welche Geschäftsmodelle und Innovationen künftig vom Start weg besser mit Kapital ausgestattet sind."
Staatliches Venture Capital aktiviert private
Folgeinvestitionen
Für Gründer sind mehr öffentliche Mittel eine gute Nachricht: Oft bedeutet das Engagement staatlicher Investoren auch mehr privates Kapital. Sind nämlich bereits staatliche Eigenkapitalmittel im Spiel, kann ein Start-up oftmals wesentlich leichter privates Kapital mobilisieren. "Staatliche Gelder wirken hier oft wie ein Magnet und ziehen ein Vielfaches an privatem Kapital an", stellt Jellinghaus fest.
NRW überholt Bayern - beide setzen auf
Fund-of-Fund-Strategie
Verglichen mit der ersten Erhebung 2014 hat sich einiges in den Bundesländern getan: Bayern kann über seine entsprechend ausgerichteten Programme insgesamt rund 37 Mio. Euro jährlich zur Verfügung stellen; 2014 waren es noch vier Mio. weniger. Für den erneuten Spitzenplatz reicht das allerdings nicht:
Nordrhein-Westfalen hat mit nun 48 Mio. Euro einen kräftigen Schritt nach vorne gemacht und führt jetzt das Länderranking vor Bayern an.
"Bei der Start-up-Landschaft an Rhein und Ruhr dürfen wir deshalb mit einem deutlichen Schub rechnen", so der VC-Experte Jellinghaus, der sowohl Investoren als auch Start-ups rechtlich berät. "Der deutliche Abstand der beiden Flächenländer NRW und Bayern vor dem Rest erklärt sich vermutlich auch damit, dass beide Länder zusätzlich auf Fund-of-Fund-Strukturen setzen." Bei dieser Förderungsstrategie werden staatliche Mittel privaten VC-Fonds als "Co-Investments" zur Verfügung gestellt. Diese verfügen dann über höhere Volumina und können Investmententscheidungen noch stärker nach Marktkriterien treffen. Wie die Studie zeigt, arbeiten einige Länder auch mit Mischformen, bei denen private Gesellschaften mit der Verwaltung des Fonds beauftragt werden (z.B. Mecklenburg-Vorpommern).
Mittel aus dem EU-Regionalfonds begünstigen
Ostdeutschland
Brandenburg (10 Mio. Euro), Sachsen, Rheinland-Pfalz (jeweils 8 Mio.Euro), Hamburg (3 Mio. Euro) und Baden-Württemberg (1,5 Mio. Euro) bleiben im Ländervergleich auf demselben Niveau wie vor vier Jahren. Weniger in den Töpfen als 2014 haben Thüringen (von 20 auf jetzt 15 Mio.), Berlin (von 14 Mio. auf 11,1 Mio. Euro) und Sachsen-Anhalt (von 12 auf 10 Mio. Euro). Niedersachsen dagegen springt von null auf 4,16 Mio. Euro, Schleswig-Holstein von 1,7 Mio. auf 2,3 Mio. Euro und Bremen knackt die Millionen-Marke. Auffällig ist laut Studie:
Zweistellige Millionenbeträge pro Jahr können außer NRW und Bayern diejenigen Bundesländer investieren, die über guten Zugang zu Mitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) verfügen: Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin. Die vier Länder bilden zudem sowohl 2014 als auch heute die Spitzengruppe, wenn man das Investitionsvolumen ins Verhältnis zur Einwohnerzahl setzt.
Das Saarland und Hessen stellen derzeit überhaupt keine neuen öffentlichen VC-Mittel für die Investitionsphase bereit. Die Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen hat jedoch angekündigt, sich mit bis zu drei Mio. Euro an einem Frühphasen-Fonds zu beteiligen, der vom Nachbarland Baden-Württemberg aufgelegt wurde - dies wäre die erste bundeslandübergreifende Kooperation in diesem Bereich.
Alle Bundesländer zusammen investieren 159 Mio. Euro pro Jahr und damit 40 Prozent mehr als bei der vorangegangenen Betrachtung. Auch, so die Studienergebnisse, gibt es weiterhin Unterschiede in der maximalen Beteiligungshöhe pro Unternehmen - die Liste reicht von 400.000 Euro als Höchstgrenze in Schleswig-Holstein bis 10 Mio. Euro in Nordrhein-Westfalen und umfasst verschiedene Modelle, meist so genannte Pari-Passu-Investments und Nachrangdarlehen. Bei ersterem investiert der staatliche Beteiligungsfonds unter den gleichen Vorgaben wie der private Investor, was ein enges Kooperationsverhältnis voraussetzt. Jellinghaus empfiehlt hier deshalb, dass Business-Angels und Investoren für zügige Investmententscheidungen engen Kontakt zu den öffentlichen Beteiligungsgebern pflegen. Zur offenen Beteiligung, verknüpft mit einem Nachrangdarlehen, rät Jellinghaus Gründern eher in der Seed-Phase.
Neue Zuständigkeitsverteilung zwischen Staat und privaten
VC-Gebern
Die Fund-of-Fund-Strukturen nutzt zunehmend auch der Bund. Dabei werden nicht nur deutschen, sondern privaten Fonds aus ganz Europa Mittel zur Verfügung gestellt - mit der Vorgabe, dass sie schwerpunktmäßig und zu späteren Entwicklungsstadien in deutsche Start-ups investieren. Ziel dabei ist es, die allgemein konstatierte Finanzierungslücke für spätere Finanzierungsphasen kleiner werden zu lassen. Diese Änderung der Investmentstrategie des Bundes wird sich aus Sicht des Experten auf den Markt auswirken: "Die Beteiligungsgesellschaften der Länder könnten sich künftig noch mehr auf die Frühphase konzentrieren, während private Fonds-Investments eher die Anschlussfinanzierungen übernehmen", prognostiziert Jellinghaus. Umso wichtiger ist es für alle Marktteilnehmer, die internationale Vernetzung voranzutreiben, den Kontakt zu nationalen und internationalen Fonds zu pflegen und größere Finanzierungsrunden zusammenzustellen. "Die Zeichen für den deutschen VC-Markt stehen weiterhin auf Expansion", so Lorenz Jellinghaus.
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