Auch in Zukunft ein Instrument zur Unternehmensfinanzierung: Mittelstandsanleihen
Berliner Restrukturierungsforum: Anleihen in Krise und Insolvenz – Schiffbruch oder Rettung aus schwerer See?
Das siebente Berliner
Restrukturierungsforum widmete sich am 7. Mai dem Thema „Anleihen in Krise und
Insolvenz – Schiffbruch oder Rettung aus schwerer See?“. Fast 90 Gäste
verfolgten einen spannenden Praxisvortrag mit anschließender Diskussion. Einig
waren sich alle Referenten in einem Punkt: Die Mittelstandsanleihe wird als
Instrument zur Unternehmensfinanzierung auch in Zukunft eine Rolle spielen –
aber die funktioniert nur, wenn das Unternehmen über ein gutes, tragfähiges
Geschäftsmodell verfügt und transparent kommuniziert.
Zamek, SiC Processing, Pfleiderer, Praktiker – die Liste von Unternehmen, deren Mittelstandsanleihen durch Insolvenzen ausgefallen sind, ist lang. Doch es gibt auch andere Beispiele von Unternehmen, die eine erfolgreiche finanzielle und operative Restrukturierung geschafft haben. Dazu zählt u. a. die SolarWorld AG, deren Finanzvorstand Philipp Koecke mit seinem Impulsvortrag das siebente Berliner Restrukturierungsforum eröffnete. Er zeigte den Weg vom frühzeitigen Erkennen möglicher Schwierigkeiten über unzählige Gespräche mit Banken und Gläubigerversammlungen bis hin zum erfolgreichen Abschluss der finanziellen Restrukturierung im Februar 2014 – alles außerhalb eines Insolvenzverfahrens.
In der anschließenden Podiumsdiskussion – moderiert durch Dr. Christian Becker, Partner bei GÖRG Rechtsanwälte – berichteten alle Panelisten von dem Trend zur Mittelstandsanleihe: „Anleihen boomen, fast so stark wie 2007. Der Trend geht weg von der Bank- hin zur Anleihenfinanzierung“, so Niklas Lerche, Managing Director Houlihan Lokey (Europe) Ltd. Das kann auch Koecke bestätigen: „Da die Banken immer restriktiver werden, müssen sich Unternehmen nach Alternativen umschauen.“ Auf die Frage, ob er wieder eine Mittelstandsanleihe für SolarWorld platzieren würde, antwortet er überzeugt: „Ja, wenn die Bedingungen und die Story stimmen. Denn Mittelstandsanleihen sind ein gutes Instrument für die Unternehmensfinanzierung.“
Die Refinanzierung der Mittelstandsanleihen sei aus Sicht von Lerche augenblicklich kein so großes Problem, denn derzeit seien die Märkte sehr liquide. Solange das Geschäftsmodell tragfähig sei und die Politik der EZB andauere, sei eine Refinanzierung gut möglich.
Hans Joachim Weidtmann, Managing Director und Head of GRM-IC Corporates bei der Commerzbank AG sieht, dass sich das Verhalten vieler Banken verändert hat. Sie waren nach 2009 deutlich konservativer und geben diese Haltung langsam wieder auf. Weidtmann fordert ein Rating für Mittelstandsanleihen. Solange es dieses nicht gebe, müsse man dem Käufer von Mittelstandsanleihen klarmachen, was es heißt, ein Produkt zu kaufen, was nicht unabhängig geprüft wurde. Der Banker ist sich sicher, dass es auch in Zukunft einen Markt für Mittelstandsanleihen geben wird: „Es ist allerdings ein für den Anleger nicht ganz risikoloses Instrument, das eine finanzielle Restrukturierung eines Unternehmens, auch bei vernünftigem Geschäftsmodell, nicht unbedingt einfacher machen wird.“ Er hofft, dass diese in der Zukunft professionalisiert ablaufen werde.
Nach der Ansicht von Axel Bierbach, Partner und Insolvenzverwalter bei Müller-Heydenreich Bierbach & Kollegen, seien sich viele Unternehmen nicht bewusst, was für heterogene Gläubigerstrukturen sie mit der Finanzierung über eine Mittelstandsanleihe eingehen. Das sei vor allem bei einer Restrukturierung oder Insolvenz problematisch. Aufgrund der undurchsichtigen Gläubigerstrukturen sei ein gemeinsamer Vertreter sehr wichtig, wobei es augenblicklich zu wenige, unabhängige und professionelle Gläubigervertreter gebe. Daher wünscht sich Bierbach, dass mehr Berater bzw. Anwälte dieses Feld für sich entdecken und als unabhängige gemeinsame Vertreter auftreten. Koecke geht sogar noch einen Schritt weiter und fordert neben mehr Professionalität und größerem Wettbewerb, dass der gemeinsame Vertreter auch in guten Phasen dabei ist – als sogenannter Vertragsvertreter und Ansprechpartner.
Das Berliner Restrukturierungsforum brachte mit seiner siebenten Veranstaltung erneut rund 90 Experten der Sanierungsbranche zusammen. Die Organisatoren, Dr. Kirsten Schümann-Kleber von GÖRG Rechtsanwälte, Burkhard Jung von hww wienberg wilhelm und Dr. Gunnar Gerig von der Ernst & Young GmbH, freuten sich über die diskussionsreiche Veranstaltung und den großen Zuspruch. Das Berliner Restrukturierungsforum ist eine Plattform für Experten der Branche und wird von hww wienberg wilhelm, GÖRG Rechtsanwälte Partnerschaft mbB und Ernst & Young GmbH in Berlin veranstaltet. Es bringt zwei Mal pro Jahr alle an der Sanierung eines Unternehmens Beteiligten zusammen. Hochrangige Gäste stellen aus verschiedenen Blickwinkeln ein aktuelles Thema vor und teilen ihr Expertenwissen mit den Gästen in der Diskussion. Mehr unter: www.berliner-restrukturierungsforum.de. Die nächste Veranstaltung findet am 9. September 2015 statt.
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