Steigender Restrukturierungsbedarf bei kommunalen Unternehmen
Das fünfte Berliner Restrukturierungsforum widmete sich am 13. Mai dem spannenden Thema „Ebbe in der Kasse? Führen knappe öffentliche Haushalte zu einer Flut von Restrukturierungen bei den kommunalen Beteiligungen?“.
Rund 80 Gäste verfolgten
die lebhafte Diskussion. Fazit am Ende der Veranstaltung: Die Zahl der Restrukturierungsfälle
wird steigen, aber einen signifikanten Anstieg von Insolvenzen kommunaler
Unternehmen wird es nicht geben.
Eröffnet wurde der Abend mit dem Impulsvortrag „Die Sanierung kommunaler Unternehmen – im Spannungsfeld zwischen öffentlicher Verwaltung und neuer Realität“ von Dr. Gunnar Gerig (Executive Director Ernst & Young GmbH), der verstärkt als Sanierungsberater im Bereich der kommunalen Unternehmen auftritt. Einige kommunale Unternehmen seien zum einen bedingt durch das jeweilige Geschäftsmodell und die Branche, zum anderen bedingt durch die kommunalen Strukturen krisengefährdet bzw. befinden sich bereits in der Krise. Das Problem: Kommunale Prioritäten stehen häufig nicht im Einklang mit dem wirtschaftlichen Interesse nachhaltiger Rentabilität.
Dr. Gerrit Hölzle, Rechtsanwalt und Partner bei GÖRG Rechtsanwälte, sieht ebenfalls die besondere Herausforderung in der Einflussnahme der Kommunen. Damit muss und will er sich als Insolvenzverwalter auseinandersetzen, um sich bestmöglich fachlich und thematisch auf diese Insolvenzfälle vorzubereiten. Doch es gäbe noch viele weitere ungeklärte Fragen, die diese Branche aus seiner Sicht hoch spannend machen: Wie bewertet man z. B. ein Wassernetz? Und wer kommt als Käufer dafür in Betracht? Kann man Gemeinden zwingen, dem Abschluss des Versorgungsauftrages an den vom Insolvenzverwalter ausgewählten Käufer zu zustimmen? Was ist mit Vergaberechten?
Für Stephan Hoffmann, Leiter Wirtschaftsförderung Investitionsbank Berlin, spielt bei der Vergabe von Krediten an kommunale Unternehmen vor allem das Geschäftsmodell sowie die Frage, wer darauf wie Einfluss nimmt, eine wichtige Rolle. Außerdem schaut er sehr genau darauf, wie sich das Umfeld und die Branche entwickelt. Daher gibt es bei der IBB für viele Branchen Spezialisten, die sich genau damit auskennen. Neben dem Geschäftsmodell spielt auch die Frage einer möglichen Besicherung eine immer gewichtigere Rolle.
Doch was unterscheidet die Sanierung kommunaler von rein privatwirtschaftlichen Unternehmen? Kommunale Unternehmen verschließen zu lange die Augen vor den Problemen und arbeiten viel zu lange weiter, als sei nichts gewesen, ist Dr. Gerig überzeugt. Das sei bei privatwirtschaftlichen Unternehmen zwar oft ebenfalls so, aber bei kommunalen noch stärker ausgeprägt. Was die Restrukturierung schwierig mache, sei die Komplexität der vielfältigen Interessen und die politische Einflussnahme. Auch die viel stärkere öffentliche Wahrnehmung mache es nicht einfacher. Dr. Gerig vergleicht das mit Fußball: „Auch hier meint jeder mitreden zu können und macht das auch“. Dadurch seien der öffentliche Druck und die Beobachtung sehr groß. Die politischen Vertreter reagieren zwar darauf, aber mit unterschiedlichen Zielen und oft nicht im Sinne des Unternehmens.
Aus Sicht von Dr. Hölzle haben Schutzschirmverfahren und Insolvenzplanverfahren durchaus Potenzial, einer Gemeinde Wege aufzuzeigen und Handlungsdruck auf seine Stakeholder zu erreichen. „Vor allem das Schutzschirmverfahren kann sehr sinnvoll sein, da es von vornherein auf Fortführung ausgelegt ist. Aber die Insolvenz ist ein Gestaltungsinstrument, was in den Köpfen noch ankommen muss. Das muss kommuniziert und Werbung dafür gemacht werden“, erklärt Dr. Hölzle.
Alle drei Diskutanten sind sich mit Blick auf die nächste Zukunft in zwei Punkten einig: Es wird wohl nicht viele Insolvenzen geben, aber der Sanierungsbedarf öffentlicher Beteiligungen wird steigen. Hoffmann geht außerdem davon aus, dass eine weitere Professionalisierung eintreten wird, so dass u.a. auch die Geschäftsführungs- und Aufsichtsrats-Positionen mit noch mehr Sachverstand besetzt werden. Eine Reihe von Privilegien, die kommunale Unternehmen bei der Kreditaufnahme heute noch haben, wird aus seiner Sicht aufgrund von europaweiten Regulierungsänderungen wegfallen. Die gefühlte Sicherheit bei der Vergabe von Krediten an Kommunen werde abnehmen und die Kredite werden aufgrund nachlassender Bonitäten und damit steigender Risikoprämien teurer.
„Die Spielräume für kommunale Unternehmen werden enger werden und der Druck wird erheblich steigen“, so Dr. Gerig. Dass die Anzahl der Insolvenzverfahren kommunaler Unternehmen nicht ansteigen wird, liegt aus seiner Sicht daran, dass es „immer noch einen Topf gibt, in dem Geld gefunden wird“. Auch wenn diese Töpfe in ihrer Größe langsam abnähmen. Dr. Hölzle appelliert an die Berater. Sie sollen bei Restrukturierungen kommunaler Unternehmen auch die Insolvenz als einen sinnvollen Sanierungsweg aufzeigen. Die Bereitschaft ernsthafter darüber nachzudenken, müsse gefördert werden. Das Berliner Restrukturierungsforum brachte mit seiner fünften Veranstaltung erneut rund 80 Experten der Sanierungsbranche zusammen. Die Organisatoren, Dr. Kirsten Schümann-Kleber von GÖRG Rechtsanwälte, Burkhard Jung von hww wienberg wilhelm und Bernd Richter von der Ernst & Young GmbH, freuten sich über die gelungene Veranstaltung und den großen Zuspruch.
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