16.01.2017 - Kategorie "Recht und Gesetz"

Gravenbrucher Kreis zum Richtlinienvorschlag der EU-Kommission

Der Gravenbrucher Kreis: Zusammenschluss der führenden, überregional tätigen Insolvenzverwalter und Sanierungsexperten Deutschlands

Gravenbrucher Kreis kommentiert Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission zu Restrukturierung


Der Gravenbrucher Kreis – der Zusammenschluss der führenden, überregional tätigen Insolvenzverwalter und Sanierungsexperten Deutschlands – begrüßt grundsätzlich die Einführung eines europaweit abgestimmten, präventiven Restrukturierungsrahmens, wie ihn die Europäische Kommission in ihrem Richtlinienvorschlag Ende November 2016 skizziert hat.

Zugleich hält der Gravenbrucher Kreis es für wichtig, bestehende gut funktionierende Insolvenz- und Restrukturierungsregime stärker zu berücksichtigen. Dazu gehören laut einer Studie der Weltbank (Doing Business 2017, Oktober 2016) in Europa die entsprechenden Rechtsregime in Finnland, Portugal und Deutschland. Öffnungsklauseln in der künftigen europäischen Rahmensetzung sollten zumindest sicherstellen, dass erfolgreiche nationale Rechtssysteme nicht beeinträchtigt werden. Denn die deutschen Mindeststandards für Sanierung gehen weit über die Intention der Europäischen Kommission hinaus.

„Europa braucht ein in allen Mitgliedstaaten funktionsfähiges, einheitliches Restrukturierungsrecht, um im weltweiten Systemvergleich noch wettbewerbsfähiger zu werden“, sagte Lucas F. Flöther, Sprecher des Gravenbrucher Kreises. „Wir sollten zugleich das sehr gut funktionierende deutsche Insolvenzrecht erhalten. Hier ist kein Paradigmenwechsel von der Gläubigerbefriedigung hin zur Entschuldung nötig, sondern lediglich eine Ergänzung um die Werkzeuge eines Restrukturierungsrahmens.“


Im deutschen Insolvenz- und Sanierungsrecht sollte eine eigenständige RestrukturierungsOrdnung zusätzliche Werkzeuge bieten, um in Schieflage geratende Unternehmen frühzeitig zu stabilisieren und damit Arbeitsplätze zu sichern. Um die wirtschaftliche Bestandsfähigkeit des betroffenen Unternehmens zu sichern, soll die Passivseite der Bilanz restrukturiert werden, d.h. es sollen Absprachen mit Kreditgläubigern außerhalb eines Insolvenzverfahrens ermöglicht werden. Weitergehende Sanierungsmaßnahmen dürfen über vorinsolvenzliche Restrukturierungsverfahren jedoch nicht möglich sein. Auch sollte sich das Entschuldungsziel des präventiven Restrukturierungsrahmens auf überfällige offene Kreditforderungen beschränken.


Der europäische Gesetzgeber sollte die verschiedenen Verfahren für Restrukturierung, Insolvenz und Sanierung klar voneinander unterscheiden. Zudem sollte das laufende europäische Gesetzgebungsverfahren in seiner Richtlinie Umsetzungsspielräume für diejenigen Mitgliedstaaten lassen, in denen bereits effektive sanierungsfreundliche Verfahren existieren.


Nach Ansicht des Gravenbrucher Kreises sollte beispielsweise ein individueller Vollstreckungsstopp bei Sanierungsverhandlungen gemäß europäischem Restrukturierungsrahmen nur nach Einzelfallprüfung durch ein Gericht erfolgen dürfen. Ein umfassendes Moratorium zu Lasten aller Gläubiger sollte weiterhin ausschließlich im Rahmen eines ordentlichen Insolvenzverfahrens möglich sein.


Nur wenn ein Restrukturierungsplan von betroffenen Kreditgläubigern unterstützt wird, die gemeinsam mindestens 75 Prozent der Summe der Forderungen repräsentieren, und ein Gericht sich von dieser Unterstützung überzeugt hat, sollte das Gericht diesen Restrukturierungsplan bestätigen können. Dieses hohe Quorum ist nach Ansicht des Gravenbrucher Kreises wesentlich für den Minderheitenschutz im Sinne der Gläubiger.


Zudem setzt sich der Gravenbrucher Kreis dafür ein, dass Sanierungs- oder Überbrückungskredite sowie Umsetzungsmaßnahmen und sonstige Transaktionen im Zusammenhang mit der Restrukturierung durch den neuen europäischen Restrukturierungsrahmen nicht pauschal privilegiert werden sollen, damit bei einer etwaigen Folgeinsolvenz des betroffenen Unternehmens andere Gläubiger nicht benachteiligt werden.


Um auch auf gerichtlicher Seite den sich ändernden Anforderungen an Restrukturierungs- und Insolvenzverfahren Rechnung zu tragen, sollten nach Meinung des Gravenbrucher Kreises ausgewählte Amtsgerichte als spezialisierte Restrukturierungsgerichte fungieren.


Die detaillierten Ausführungen des Gravenbrucher Kreises entnehmen Sie bitte dem Thesenpapier „Vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren in Deutschland?“ vom 14. Januar 2017, das der Kreis im Vorfeld der Veröffentlichung mit Fachleuten aus Banken, Justiz, Versicherungen, Verbänden, Verwaltung und Wissenschaft erörtert hat.


Die Thesen berücksichtigen einerseits den Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission für einen präventiven Restrukturierungsrahmen vom 22. November 2016 und adressieren zudem die für das Frühjahr 2017 geplante Evaluation des deutschen Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG).




Über den Gravenbrucher Kreis

Im Gravenbrucher Kreis sind seit 1986 Vertreter der führenden Insolvenzkanzleien Deutschlands zusammengeschlossen, die sich durch überregionale Restrukturierungs- und Sanierungserfahrung sowie umfassende Kompetenz auszeichnen. Die Mitglieder verpflichten sich und ihre Organisationen zu höchsten Qualitäts- und Leistungsstandards, die sie durch das exklusive, von unabhängigen Auditoren geprüfte Zertifikat InsO Excellence nachweisen. Der Kreis umfasst aktuell 20 aktive Mitglieder. Sprecher des Gravenbrucher Kreises ist seit März 2015 Prof. Dr. Lucas F. Flöther.

Seit seiner Gründung sieht sich der Gravenbrucher Kreis gefordert, als Kompetenzzentrum das Insolvenzrecht und angrenzende Rechtsgebiete aus der Perspektive der Praxis fortzuentwickeln. Darüber hinaus bringt der Gravenbrucher Kreis seine Erfahrung in grenzüberschreitende Konzerninsolvenzen ein und beteiligt sich an der Fortentwicklung internationaler Standards und Regeln im Bereich der Restrukturierung.

Der interdisziplinäre Erfahrungsaustausch und die gemeinsamen Diskussionen innerhalb des Gravenbrucher Kreises führen zu profunden Einschätzungen und fachkundigen Stellungnahmen. Diese genießen in der nationalen und internationalen Fachwelt des Insolvenz- und Restrukturierungsrechts hohe Anerkennung und finden in Gesetzgebungsverfahren Gehör.



Wollen Sie umgehend informiert werden, wenn es Neuigkeiten zu diesem Verfahren gibt?


Testen Sie kostenfrei und unverbindlich 3 Tage lang diese Funktionalität - zum Beispiel über unser "Risk-Paket" - und wir benachrichtigen Sie, sobald zum Verfahren neue Nachrichten oder neue Beschlüsse vorliegen.


Jetzt zur Paketauswahl