Münchener Restrukturierungsforum: Umbruch in der Automobilindustrie
Was kommt auf die Restrukturierungsszene zu?
Unter den Bundesländern ist Bayern der Automobilstandort Nummer eins. Was lag da also näher, als sich beim Münchener Restrukturierungsforum mit dem Thema Automotive auseinanderzusetzen. Eine Branche, die vor grundlegenden Veränderungen steht. Doch was kommt auf die Restrukturierungsszene zu? Dieser Frage gingen die Experten Dr. Rainer Bizenberger, Dr. Elmar Kades, Dr. Thomas P. Meichsner und Daniel Steinmetz nach. Rund 100 Gäste verfolgten die praxisnahe Diskussion zum Thema „Umbruch in der Automobilindustrie: Was kommt auf die Restrukturierungsszene zu?“.
Dr. Andreas Bauer (GSK Stockmann) begrüßte die Teilnehmer und gab mit dem Schlagwort „CASE“ (connected, autonomous, shared, electrified) die aktuellen Megatrends im Bereich Automotive wieder. Dr. Elmar Kades und Dr. Rainer Bizenberger, beide Managing Directors bei AlixPartners, skizzierten anschließend in einem gemeinsamen Impulsvortrag den derzeitigen Wandel in der Automobilindustrie.
Gute Wachstumsaussichten attestierte Dr. Kades der globalen Automobilindustrie – angetrieben von robusten Nachfragesteigerungen in China, die AlixPartners auch in den nächsten Jahren erwartet. Die Rahmenbedingungen und vor allem die Auswirkungen der „CASE“-Trends würden den Transformationsdruck allerdings deutlich steigen lassen. Die fortschreitende Elektrifizierung des Antriebsstrangs habe massive Auswirkungen auf die Fertigungsstrategie und mache hohe Investitionen unumgänglich. Zudem gewännen laut Dr. Kades neue Mobilitätsmodelle wie Car-Sharing- und Ride-Sharing stark an Bedeutung. In das klassische Automotive-Segment würden vermehrt auch neue, kleinere Lieferanten und innovative Start-ups als Player eintreten und die Entwicklung mitprägen.
Dr. Bizenberger stellte die Bedeutung für die Restrukturierung heraus. Zwar erwarte er bei Verbrennungsmotoren keinen unmittelbaren „Strömungsabriss“, gleichwohl würde sich der Wandel beschleunigen und die Diversifizierung von Antriebstechnologien würde zunehmen. Als Risikosegmente bei den Zulieferern wertete Dr. Bizenberger die Bereiche Chassis- und Powertrain-Systeme. Zudem beobachte er, dass strategische Käufer aus Asien vermehrt an der Akquisition europäischer Zulieferer interessiert seien. Aufgrund des hohen Investitions- und Transformationsbedarfs sehe er vor allem die Perspektiven derjenigen Zulieferer kritisch, die bereits heute operative und finanzielle Schwächen aufwiesen und auf Systeme spezialisiert seien, in denen mittelfristig von Nachfragerückgängen auszugehen sei.
Die anschließende Diskussion moderierten Andreas Warner (Deloitte) und Martin Schoebe (hww hermann wienberg wilhelm): Auf die Frage an Dr. Thomas P. Meichsner (Senior Advisor Technology und Operations bei der Sono Motors GmbH) nach den Chancen des Autolands Deutschland gab dieser einen Ausblick auf die Herausforderungen der E-Mobilität für OEMs, zumal das künftige Marktumfeld sämtliche bisherige Herstellungs-, Vertriebs- und Servicewege in Frage stelle. Dr. Meichsner wies darauf hin, dass er bei OEMs und deren Beratern ein hohes Maß an Flexibilität für entscheidend halte, um dem bevorstehenden „Disruptive Change“ zu begegnen. Abgesehen von der Diversifizierung von Antrieben erläuterte er am Beispiel Sono Motors wie die E-Mobilität durch Solarenergie in „Smart-Grid“ Energiekonzepte eingebunden werden könne. „Die Software ums Fahrzeug herum und nicht die Hardware im Auto sei entscheidend“, argumentierte Dr. Meichsner.
Auf die Frage, welche Risiken er im Bereich Automotive für Finanzierer erkenne, betonte Daniel Steinmetz (Sector Head Automotive, Group Risk Management, Commerzbank AG), dass es für die Automobilindustrie keine pauschale Betrachtung gebe. Eine Veränderung der Branche sei voll im Gange, aber der Wandel komme nicht über Nacht, wie es häufig suggeriert werde, sondern evolutionär. Kurzfristig sei vor allem wegen der Nachfrage aus China global mit weiterem Wachstum zu rechnen. Viele Finanzierungsnehmer, besonders größere Zulieferer, könnten derzeit Marktveränderung noch aus einer Position der Stärke aufgreifen. Gleichzeitig sei aber in der Zulieferindustrie bereits seit einiger Zeit eine Konsolidierung zu beobachten. Kleinere Unternehmen und besonders Diesel-lastige Zulieferer sähen sich teils vor existenziellen Herausforderungen. „Unternehmen sind aus meiner Sicht gut beraten, wenn sie permanent ihr eigenes Geschäftsmodell überprüfen und die Megatrends der Automobilindustrie aufgreifen. Das ist auch eine wichtige Voraussetzung für die weitere Finanzierungssicherheit“, so Commerzbank-Experte Steinmetz.
Mit Blick darauf, dass in Deutschland derzeit über 1,8 Mio. Beschäftigte in der Automobilindustrie tätig seien, betonte Dr. Bizenberger, dass aufgrund der Diversifizierung der Antriebstechnologien in den nächsten Jahren ein Anstieg der Beschäftigten erwartet werde. Er hoffe auf die Anpassungsfähigkeit und die Kompetenz des Automobilstandorts Deutschland, um sich auch danach im Weltmarkt mit qualifizierten Arbeitsplätzen behaupten zu können.
Dr. Kades unterstrich, dass die deutschen OEMs im aktuellen Markt bei der Elektrifizierung eher als so genannte „Fast Follower“ agierten und sich dabei stark engagierten, neue „CASE“-Partnerschaften einzugehen. Keinesfalls würden sich deutsche OEMs etwa bei Connectivity und Softwareentwicklung in Zuliefererrollen drängen lassen.
Dr. Meichsner gab dabei zu bedenken, dass er ab einem Marktanteil der E-Mobilität von 10% einen signifikant steigenden Restrukturierungsbedarf für die Branche erwarte. Soweit nicht alle Zulieferer auf einen „Disruptive Change“ reagieren könnten, diskutierten die Teilnehmer abschließend, wie Marktaustritt oder Insolvenz als letzter Befreiungsschlag genutzt werden könne. Dr. Meichsner empfahl den Aufsichtsräten bzw. den Beiräten, die Führungskräfte in den Unternehmen entsprechend dem Megatrend „E-Mobility“ neu auszurichten, um die Chancen nicht zu verschlafen.
Das Münchener Restrukturierungsforum brachte mit seiner Veranstaltung wieder rund 100 Experten der Sanierungsbranche zusammen. Damit hat sich einmal mehr gezeigt, dass das Münchener Restrukturierungsforum ein wichtiges Branchentreffen im Münchener Restrukturierungsmarkt ist.
Das Münchener Restrukturierungsforum ist eine Plattform für Experten der Branche und wird von anchor Rechtsanwälte, Deloitte, GSK Stockmann und hww hermann wienberg wilhelm in München veranstaltet. Es bringt zwei Mal pro Jahr alle an der Sanierung eines Unternehmens Beteiligte zusammen. Hochrangige Gäste stellen aus verschiedenen Blickwinkeln ein aktuelles Thema vor und teilen ihr Expertenwissen mit den Gästen in der Diskussion. Ein Empfang rundet die Veranstaltung ab. Im Frühjahr 2018 findet die nächste Ausgabe des Münchener Restrukturierungsforums statt.
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