12.08.2014 - Kategorie "Insolvenzverfahren"

Vorschlag des Gravenbrucher Kreises zur Reformierung des Anfechtungsrechts

Reform des Insolvenz-Anfechtungsrechts

Das Recht der Insolvenzanfechtung sah sich in der jüngeren Vergangenheit teils massiver Kritik ausgesetzt.


I. Vorbemerkungen

1. Zum Stand der Kritik an den Anfechtungsvorschriften

 

Das Recht der Insolvenzanfechtung sah sich in der jüngeren Vergangenheit teils massiver Kritik ausgesetzt. Die vornehmlich von den Wirtschaftsverbänden erhobenen Einwände wurden auch im Rahmen der Anhörung des Rechtsausschusses des Bundestages vom 02.04.2014 aufgegriffen. Im Mittelpunkt der Diskussionen steht dabei das Recht der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO, das im Wesentlichen durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmt ist. Hauptkritikpunkt der Wirtschaftsverbände ist die angebliche Ausweitung des Anfechtungsrechts, die mit einem erheblichen Maß an Rechtsunsicherheit einhergehe. Die zuweilen als „ausufernd“ bezeichnete Rechtsprechung des BGH zu den subjektiven Anfechtungsvoraussetzungen, flankiert durch die in § 133 InsO geregelte Anfechtungsfrist von 10 Jahren, die Anfechtbarkeit kongruenter Deckungen i.R.d. Vorsatzanfechtung sowie schließlich die Möglichkeit zur Geltendmachung von Verzugszinsen ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens, habe zu unkalkulierbaren wirtschaftlichen Risiken in den unterschiedlichen Branchen geführt

 

2. Mangelnde empirische Grundlage

 

Vorab merkt der Gravenbrucher Kreis an, dass es an einer seriösen empirischen Grundlage für die Kritik an den derzeitigen Anfechtungsregelungen vollständig fehlt. So mangelt es beispielsweise an einer statistischen Grundlage für die Behauptungen, dass insbesondere kleine und mittelständische Handelsunternehmen „durch die Rechtsprechung des BGH besonders belastet“ werden (Gemeinsames Positionspapier von BDS, BGA, BDB, etc. vom 03.03.2014, S. 12). Gleiches gilt für die Feststellung, dass zahlreiche Unternehmen zur Rückzahlung der angefochtenen Beträge außer Stande seien und hierdurch weitere Anschlussinsolvenzen provoziert würden (Forderungspapier des Mittelstandsverbundes – ZGV e.V. vom 19.04.2013, S.5, vgl. Gemeinsames Positionspapier vom 03.03.2014, S. 2).

 

Eingriffe in die Bestimmungen der Insolvenzanfechtung ohne die Erhebung und Auswertung empirischer Daten können das fein austarierte System der Insolvenzordnung aus der Balance bringen. Insoweit räumen die vorgenannten Verbände selbst ein, dass die Auswirkungen des geltenden Anfechtungsrechts „nicht immer leicht erkennbar sind“ (Gemeinsames Positionspapier vom 03.03.2014, S. 6). Schon vor diesem Hintergrund sollte unbedingt von übereilten „Korrekturen" abgesehen werden.

 

Darüber hinaus ist es kaum nachvollziehbar, wenn in Diskussionsrunden zum Thema, etwa im Rahmen des letzten Deutschen Insolvenzrechtstags, von den genannten Verbänden angeführt wird, Unternehmen würden auf die bloße Anforderung von Geldern durch den Insolvenzverwalter, die mit wenigen Sätzen begründet seien, bereits erhebliche Zahlungen leisten, was zu unbilligen Belastungen führe. Aus der Praxis seiner Mitglieder kann der Gravenbrucher Kreis ein solches Verhalten von Anfechtungsgegnern nicht bestätigen.

 

Allerdings kann der Gravenbrucher Kreis auch nachvollziehen, dass in einigen der gebildeten Beispielsfälle die derzeitige gesetzliche Regelung zu Ergebnissen führt, die die Beteiligten belasten. Dies gilt vor allem für solche Geschäftsbeziehungen, die auch in der Krise – bspw. begleitet durch Stundungs- oder Rückzahlungsvereinbarungen zum Ausgleich saisonaler Schwankungen – fortgesetzt werden, um das Überleben des in Schieflage befindlichen Geschäftspartners zu sichern. Hiervon abgegrenzt werden müssen allerdings diejenigen Fälle, denen eine in dieser Weise „redliche Motivation" nicht zugrunde liegt.

 

3. Grenzen einer jeden Reform des Anfechtungsrechts

 

Insoweit darf nicht übersehen werden, dass die Anfechtungsvorschriften die Gläubigergleichbehandlung sicherstellen und sozial inadäquates Verhalten sanktionieren. Überdies stellt das Anfechtungsrecht ein wesentliches Fundament für die Funktionsfähigkeit der Insolvenzordnung dar und erfüllt damit nicht zuletzt zentrale ordnungspolitische Funktionen. So liegt es auf der Hand, dass insbesondere bestimmte sozial inadäquate Verhaltensweisen des Schuldners in einer späteren Insolvenz rückgängig gemacht werden müssen.

 

Darüber hinaus können die Anfechtungsvorschriften eine frühzeitige Insolvenzantragstellung sicherstellen. Gerät ein Unternehmen in die Krise, müssen sich seine Vertragspartner darauf einstellen, möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt Insolvenzanfechtungsansprüchen ausgesetzt zu sein, sollte es zu einer Verfahrenseröffnung kommen. Ist dieses Risiko hoch, werden sie möglicherweise keine Geschäfte mehr mit dem Krisenunternehmen machen oder selbst einen Insolvenzantrag stellen. Die Anfechtungsvorschriften müssen insoweit angemessen sein, als sie eine Fortführung von Unternehmen, die auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens eine Sanierungsaussicht hätten, nicht behindern dürfen. Umgekehrt darf gut informierten oder durchsetzungsstarken Gläubigern kein übermäßiger Anreiz gesetzt werden, mit einem Unternehmen, das sich in einer schweren Krise befindet, weiter in einer Weise Geschäfte zu machen, die die anderen Gläubiger, die schlechter informiert oder weniger durchsetzungsstark sind, benachteiligt (vgl. Kirchhof, MüKo-InsO, 3. Aufl. 2013, Vorb. §§ 129 ff., Rn. 2). Die Anfechtungsvorschriften dienen insoweit auch dem Schutz der „schwachen“ Gläubiger, wie etwa der Arbeitnehmer des Insolvenzschuldners.

 

So erfasst die im Fokus der Kritik stehende Vorschrift des § 133 Abs. 1 InsO viele Fälle, deren Anfechtbarkeit auch von den betroffenen Wirtschaftsverbänden, die Kritik an der Vorschrift üben, nicht ernsthaft in Frage gestellt werden kann. Zu nennen sind bspw. Fälle kollusiven Zusammenwirkens, die Veräußerung der letzten verbleibenden Vermögenswerte des Schuldners kurz vor der Antragstellung oder aber Gesellschafterverhalten, das nicht bereits dem Regelungsbereich von § 135 InsO unterliegt. Man darf „das Kind daher nicht mit dem Bade ausschütten“, und muss jede Änderung von § 133 Abs.1 InsO kritisch auf ihre Wechselwirkungen überprüfen (Bork, ZIP 2014, 810).

 

Schließlich darf man nicht übersehen, dass sämtliche ungesicherten Gläubiger des Unternehmens von den Anfechtungsvorschriften profitieren, also auch diejenigen, die nun Kritik an den Anfechtungsvorschriften üben. Jede Schwächung der Anfechtungsvorschriften führt dazu, dass die ungesicherten Gläubiger, zu denen beispielsweise auch die Arbeitnehmer oder die Finanzverwaltung und andere öffentliche Stellen gehören, eine schlechtere Quote erhalten.

 

Insbesondere muss verhindert werden, dass Vorrechte für bestimmte Gläubigergruppen eingeführt werden. Solche Vorrechte, die es unter der Konkursordnung noch gab und die erhebliche Verteilungsungerechtigkeiten nach sich zogen, führten damals dazu, dass ein Großteil der beantragten Insolvenzverfahren mangels Masse gar nicht erst eröffnet werden konnten (Paulus, DStR 2003, 34: vgl. BT-Drs. 12/2443, S. 90).

 

4. Kein gesonderter Regelungsbedarf bzgl. Arbeitnehmern

 

Angesichts der jüngsten Rechtsprechung des Bundearbeitsgerichts (vgl. nur BAG Urt. v. 29.01.2014, 6 AZR 345/12, NZA 2014, 372; Urt. v. 27.02.2014, 6 AZR 367/13, NZA 2014, 681), das strenge Maßstäbe an die Anfechtung gegenüber Arbeitnehmern stellt, gibt es aus Sicht des Gravenbrucher Kreises an dieser Stelle keinen Regelungsbedarf. Ohnehin stellt die Anfechtung gegenüber Arbeitnehmern eine eher seltene Ausnahme in Insolvenzverfahren dar. Es ist davon auszugehen, dass die Rechtsprechung diese Fälle sachgerecht lösen wird.

 

 

 

II. Vorschlag

 

Es wird vor diesem Hintergrund vorgeschlagen, die Regelungen der §§ 133, 142 und 143 InsO wie folgt zu modifizieren:

 

 

 

„§ 133

Vorsätzliche Benachteiligung

 

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

 

(2) unverändert

 

(3) War der andere Teil im Zeitpunkt der Rechtshandlung unredlich oder war er zur Zeit der Handlung eine nahestehende Person (§ 138), verlängert sich die Anfechtungsfrist des Absatzes 1 von drei auf zehn Jahre.“

 

 

 

„§ 142

Bargeschäft

 

Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 gegeben sind und der andere Teil im Zeitpunkt der Rechtshandlung unredlich war oder es sich bei dem anderen Teil um eine nahestehende Person (§ 138) handelte.“

 

 

 

„§ 143

 

Rechtsfolgen

 

(1) bis (3) unverändert

 

(4) Im Falle der §§ 134 und 135 InsO schuldet der Empfänger einer Geldleistung die Verzugszinsen ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dies gilt bei allen anderen Anfechtungen auch dann, wenn der Empfänger im Zeitpunkt der Rechtshandlung unredlich oder eine nahestehende Person (§ 138) war. In allen übrigen Fällen wird der Anfechtungsanspruch erst mit Verzug des Empfängers mit seiner Verpflichtung zur Rückgewähr verzinst.“

 

 

 

III. Begründung

1. Verkürzung der Anfechtungsfrist des § 133 Abs. 1 InsO

 

Ein wesentlicher Punkt der seitens der Wirtschaftsverbände vorgebrachten Kritik besteht darin, dass die Vorschrift des § 133 Abs. 1 InsO eine Anfechtung von Rechtshandlungen der letzten zehn Jahre ermöglicht. Zwar wird diese Möglichkeit in der Praxis kaum ausgeschöpft, schon weil der Nachweis der Kenntnis des Anfechtungsgegners für länger zurückliegende Zeiträume kaum möglich ist. Regelmäßig wird die Vorschrift des § 133 Abs. 1 InsO nach den Erfahrungen der Mitglieder des Gravenbrucher Kreises bereits in ihrer jetzigen Form nur für Rechtshandlungen in den letzten ein oder zwei Jahren vor Antragstellung relevant. Andererseits ist nachvollziehbar, dass für Unternehmen das Drohrisiko einer Anfechtung, die zehn Jahre in die Vergangenheit reicht, nur schwer kalkulierbar ist.

 

Es gibt aber auch Fälle, in denen eine Verkürzung der Anfechtungsfrist kaum sachgerecht sein kann.

 

Der Gravenbrucher Kreis schlägt daher vor, die Regelfrist für die Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO auf drei Jahre zu verkürzen. Drei Jahre im Regelfall stellen einen überschaubaren Zeitraum dar, innerhalb dessen ein Leistungsempfänger im Zusammenhang mit der Insolvenz eines Geschäftspartners damit rechnen muss, wegen der Leistung noch einmal in Anspruch genommen zu werden.

 

Eine Verkürzung der Anfechtungsfrist ist jedoch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO nicht in allen Fällen sachgerecht. So erfasst die Vorschrift – wie geschildert – beispielsweise auch Fälle, in denen Anfechtungsgegner und Insolvenzschuldner kollusiv zusammengewirkt haben. Schließlich ist auch ein Anfechtungsgegner nicht schutzwürdig, der die Leistung in Kenntnis ihrer Unzulässigkeit angenommen und gebilligt hat, mithin also selbst in dem Bewusstsein handelte, andere Gläubiger zu benachteiligen. Der Begriff der Unredlichkeit erlaubt dabei, da insoweit das Kriterium sozial-missbilligenswerten Verhaltens impliziert ist, punktuell diejenigen Rechtshandlungen zu sondieren, deren Anfechtung auch von den Kritikern des Anfechtungsrechts nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden kann, ohne dass der Kreis möglicher Anfechtungsgegner vorab unangemessen eingeschränkt wird.

 

Auch erscheint eine zeitliche Privilegierung bei nahestehenden Personen (§ 138 InsO) gegenüber der bisherigen Rechtslage nicht angemessen.

 

2. Bargeschäftseinwand auch bei § 133 Abs. 1 InsO

 

Kritisiert wird zudem, dass der reguläre Leistungsaustausch, bei dem eine Gegenleistung in das Vermögen des Insolvenzschuldners fällt, der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO unterliegt. Es wird dazu von den Wirtschaftsverbänden vorgeschlagen, die Anfechtungnach § 133 Abs. 1 InsO im Falle eines Bargeschäfts auszuschließen (vgl. Gemeinsames Positionspapier vom 03.03.2014, S. 6 f.).

 

Der Gravenbrucher Kreis greift diesen Vorschlag auf, regt aber gleichwohl an, die Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO in bestimmten Sonderfällen auch bei Bargeschäften zuzulassen. Auch hier bietet sich an, auf die Redlichkeit des Anfechtungsgegners abzustellen und auch bei nahestehenden Personen (§ 138 InsO) eine Anfechtung des Bargeschäftes zuzulassen.

 

3. Zinsen

 

Nach der Rechtsprechung des BGH müssen Anfechtungsgegner im Falle einer erfolgreichen Anfechtung von Geldleistungen Zinsen ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung zahlen (vgl. BGH Urt. v. 01.02.2007 – IX ZR 96/04, NJW-RR 2007, 557).

 

Zuweilen wird in den zum Thema geführten Diskussionen kritisiert, dass Insolvenzverwalter mitunter bis zur Grenze der Verjährung abwarten würden, bis sie Anfechtungsansprüche geltend machen und durchsetzen, um auf diese Weise in den Genuss hoher Zinszahlungen zu kommen.

 

Die einschlägigen Regelungen der Berufsverbände der Insolvenzverwalter sehen hierzu vor, dass Anfechtungsansprüche stets zeitnah nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufzuarbeiten und geltend zu machen sind, ein Abwarten wäre mithin unzulässig (vgl. etwa die „Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenzverwaltung“ (GOI) des Verbands Insolvenzverwalter Deutschlands e.V.(VID)).

 

Vor diesem Hintergrund sollte es in der Tat keinen gesetzlichen Anreiz für den Insolvenzverwalter geben, mit der Durchsetzung der Ansprüche über Gebühr zuzuwarten. Für die meisten Anfechtungsansprüche böte sich die nun vom Gravenbrucher Kreis zu § 143 Abs. 4 InsO n.F. vorgeschlagene Regelung an, nach der Zinsen – wie bei jeder anderen Forderung auch – nur geschuldet sind, wenn der Gegner des Anfechtungsanspruchs in Verzug gerät, was in der Regel eine entsprechende Mahnung durch den Insolvenzverwalter voraussetzt.

 

Auch hier gibt es jedoch Ausnahmen, bei denen eine Verzinsung ab Insolvenzeröffnung angemessen erscheint: Dies gilt sowohl für die Schenkungsanfechtung nach § 134 InsO als auch die Anfechtung gegenüber dem Gesellschafter nach § 135 InsO. In beiden Fällen darf der Zahlungsempfänger nicht privilegiert werden, muss er doch mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohnehin damit rechnen, dass er die erhaltene Leistung im Interesse der Gesamtgläubigerschaft zurückgewähren muss. Dies gilt auch für sonstige nahestehende Personen sowie unredliche, d.h. solche Anfechtungsgegner, die im Zeitpunkt der Rechtshandlung nicht davon ausgehen konnten, die empfangenen Leistungen zulässigerweise behalten zu dürfen.

 

4. Bewertung der weiteren diskutierten Vorschläge

 

Der Gravenbrucher Kreis geht davon aus, dass der oben genannte Vorschlag der geäußerten Kritik an den Anfechtungsvorschriften angemessen Rechnung trägt. Demgegenüber gehen jedoch einige der diskutierten Vorschläge weit darüber hinaus:

 

a) Keine Absicht des Schuldners i.R.v. § 133 Abs. 1 S. 1 InsO

 

Teilweise wird gefordert, i.R.v. § 133 Abs. 1 S. 1 InsO den tatbestandlich geforderten Vorsatz des Schuldners durch eine entsprechende Absicht zu ersetzen (so Forderungspapier des Mittelstandsverbundes – ZGV e.V. vom 19.04.2013, S. 6; BDI/ ZDH, Positionspapier v. 14.10.2013, S. 3 f.). Hiervon rät der Gravenbrucher Kreis dringend ab. Ein in diesem Sinne zielgerichteter Wille des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, wird sich nur höchst selten nachweisen lassen. Insbesondere mit Blick auf die Fälle inkongruenter Deckungen würde der Anwendungsbereich von § 133 InsO dann unangemessen stark beschnitten (Bork, ZIP 2014,. S.810). Sofern in diesem Zusammenhang der sanktionsartige Charakter der Norm betont wird, ist diesem nach ganz allgemeinen Grundsätzen auch dann hinreichend Rechnung getragen, wenn man mit der Rechtsprechung das Vorliegen bedingten Vorsatzes genügen lässt

 

b) Keine Anpassung der Vermutungsregelung gem. § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO

 

Nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO wird nach geltendem Recht die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners vermutet, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

 

Hierzu wird diskutiert, die Regelung zu streichen (so bspw. IHK München, 10 Empfehlungen für ein wettbewerbsfähiges Wirtschaftsrecht, Januar 2014, S. 9) oder sie auf Fälle zu beschränken, in denen der Anfechtungsgegner die bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kannte. Eine Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit soll dann nicht mehr ausreichen, um die Vermutungswirkung zu begründen.

 

Eine Anpassung dieser Vermutungsregelung erscheint – wenn man dem hiesigen Vorschlag des Gravenbrucher Kreises folgt – jedoch weder angemessen noch notwendig, da bereits die Begrenzung des Anfechtungszeitraums zu einer deutlichen Risikoverringerung für die betroffenen Unternehmen führt.

 

Dem gegenüber steht jedoch das Interesse der Gesamtgläubigerschaft, dass die Anfechtungsansprüche, die das Gesetz dann noch vorsieht, auch zeitnah und effizient vom Insolvenzverwalter durchgesetzt werden können. Vermutungsregeln schaffen hier einen Interessenausgleich in solchen Fällen, in denen der Anspruchsinhaber mit Beweisschwierigkeiten zu rechnen hat.

 

Würde man die Vermutungsregelung aus dem Gesetz streichen, müssten Anfechtungsstreitigkeiten wesentlich häufiger als bisher vor den Gerichten ausgetragen werden, da die Streitparteien ohne die gesetzliche Vermutung eine weitaus größere Unsicherheit bei der Beurteilung der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO hätten. Eine solche größere Unsicherheit dürfte aber dazu führen, dass die Parteien weniger einigungsbereit sind und mehr gestritten wird. Die vielen Indizien, die die Rechtsprechung zur Beurteilung der Frage der Kenntnis des Anfechtungsgegners aufgestellt hat, würden an Bedeutung gewinnen und zu einer weitaus größeren Rechtsunsicherheit für die Beteiligten führen. Höhere Abwicklungskosten i.R.d. Insolvenzverfahren und eine höhere Belastung der Gerichte wären die Folge.

 

Aber auch eine Einschränkung der Vermutungsregelung erscheint nicht sachgerecht, würde sie doch letztlich die gleiche Wirkung entfalten: Der Nachweis, dass einem Anfechtungsgegner die tatsächlich bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit bekannt war, dürfte in den seltensten Fällen erfolgreich geführt werden können. Die Vermutungsregelung würde leer laufen, es bliebe bei den von der Rechtsprechung aufgestellten Indizien für das Vorliegen von Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bzw. der Kenntnis des Anfechtungsgegners davon. Auch hier wäre eine höhere Unsicherheit bei der Bewertung von Anfechtungsfällen die unvermeidbare Folge. Anfechtungsstreitigkeiten würden – mit höheren Kosten für alle Beteiligten – häufiger vor Gericht ausgetragen.

 

c) Behandlung kongruenter Deckungen

 

Entgegen den Forderungen der Wirtschaftsverbände (Gemeinsames Positionspapier vom 03.03.2014, S. 7 f.) sollte nach Auffassung des Gravenbrucher Kreises überdies von einer generellen Ausklammerung der kongruenten Deckungen aus dem Anwendungsbereich der Vorsatzanfechtung abgesehen werden, da hiervon auch Fälle kollusiven Zusammenwirkens sowie böswillige Gläubiger erfasst wären. Dies wäre im Interesse der Gläubigergesamtheit nicht hinnehmbar (Bork, ZIP 2014, 809). Im Übrigen wird der Behandlung kongruenter Deckungen bereits durch die vorgeschlagene Verjährungsverkürzung angemessen Rechnung getragen.

 

 

 

Dr. Frank Kebekus     Dr. Michael Jaffé     Prof. Dr. Lucas Flöther

RA/FA InsR                RA/FA InsR             RA/FA InsR


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