P&R-Insolvenz: Erster BGH-Beschluss zur Klärung der Frage der Anfechtbarkeit von Zahlungen
Fortschritte bei der Klärung der Frage der Anfechtbarkeit der an die Anleger geleisteten Zahlungen durch die Pilotverfahren - Erste Anfechtungsklage rechtskräftig zurückgewiesen Entscheidung bestätigt, dass die Strategie der Insolvenzverwalter, die Rechtsfragen möglichst effizient und kostengünstig in Pilotverfahren zu klären, richtig war
Der
Bundesgerichtshof hat mit dem heute dem Insolvenzverwalter zugestellten Beschluss
vom 26.01.2023 eine erste Entscheidung in den von den Insolvenzverwaltern
eingeleiteten Pilotverfahren gefällt. Er wies darin die
Nichtzulassungsbeschwerde des Insolvenzverwalters der P&R
Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH gegen die Entscheidung des
Oberlandesgerichts Karlsruhe zurück, wodurch diese rechtskräftig geworden ist.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte entschieden, dass keine
Anfechtungsansprüche in Bezug auf die in den letzten vier Jahren vor
Insolvenzantrag geleisteten Zahlungen bestehen. Die Entscheidung des
Bundesgerichtshofs ist – anders als die meisten Entscheidungen in
Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren – ausführlich begründet.
Zum Hintergrund: Effiziente Klärung der Rechtsfrage in Pilotverfahren
Die effiziente Klärung der Frage, ob an die Anleger in den letzten vier Jahren vor Antragstellung im Jahr 2018 gezahlte Gelder gegebenenfalls im Wege der Insolvenzanfechtung zurückgefordert werden können, hatte eine große Relevanz für die heutigen Gläubiger der P&R-Gesellschaften.
Da es keine Vorgabe des Bundesgerichtshofs gab, wie derartige Fälle zu beurteilen sind, und auch die in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen, haben die Insolvenzverwalter von Beginn an im Interesse der Gläubiger einen möglichst effizienten und kostenschonenden Weg gesucht, um die für die Gläubiger bedeutsame Rechtsfrage zu klären. Die Insolvenzverwalter haben sich dazu entschieden, deutschlandweit lediglich sechs Pilotverfahren durch die Instanzen zu führen, um die Frage der Anfechtbarkeit höchstrichterlich klären zu lassen.
Allen anderen betroffenen Anlegern wurden Hemmungsvereinbarungen vorgeschlagen, damit die Insolvenzverwalter ebenso wie die Anleger den Ausgang der Pilotverfahren abwarten können, und umfangreiche verjährungshemmende Maßnahmen, die entsprechenden Aufwand und Kosten mit sich bringen, nach Möglichkeit zu vermeiden. So wurden seitens der Insolvenzverwalter mehr als 125.000 Hemmungsvereinbarungen an die betroffenen Anleger versandt, die eine Hemmung der Verjährung bis zum 31.12.2023 vorsahen. Die Anleger und Gläubiger haben diese Strategie der Insolvenzverwalter begrüßt und unterstützt. Rund 99 Prozent der Betroffenen haben diese Vereinbarung akzeptiert. Nur in vergleichsweise wenigen Fällen mussten über die Pilotverfahren hinaus Rechtsstreitigkeiten eingeleitet werden, um die Verjährung zu hemmen.
Da bis zur
soeben erfolgten Zustellung der Entscheidung durch den Bundesgerichtshof nicht
absehbar war, wann der Bundesgerichtshof entscheiden wird, wurden die Anleger
vor wenigen Tagen ausführlich über den Sachstand informiert und ihnen der
Abschluss einer Verlängerungsvereinbarung vorgeschlagen. Die jetzt vorliegende
Entscheidung des Bundesgerichtshofs konnte dabei noch nicht berücksichtigt
werden, da sie den Insolvenzverwaltern noch nicht bekannt war.
Völlig unterschiedliche Entscheidungen der Instanzgerichte
Dass der Bundesgerichtshof die Entscheidung ausführlich begründet hat, ist auch deshalb wichtig, da damit den Gerichten in Deutschland ebenso wie den Insolvenzverwaltern eine Leitlinie an die Hand gegeben wird, wie vergleichbare Fälle zu behandeln sind, und hat eine grundlegende Bedeutung über den entschiedenen Einzelfall hinaus. Wie dringend dies notwendig war, zeigt der Verlauf der geführten Verfahren:
In drei der sechs Pilotverfahren sind gerichtliche Entscheidungen ergangen, in denen die Anfechtungsansprüche aus § 134 Abs. 1 InsO zumindest teilweise bejaht wurden, und zwar mit völlig unterschiedlichen Ergebnissen:
- So hat das Landgericht Stuttgart mit Urteil vom 08.10.2020 den beklagten Anleger zur Zahlung der Rückkaufpreiszahlungen verurteilt
- Kurze Zeit später hat das Landgericht München I in seinem Urteil vom 07.12.2020 die Anfechtbarkeit der an die Anlegerin geleisteten Gewinne bejaht.
- Das Oberlandesgericht Hamm hat in seinem Urteil vom 15.06.2021 den beklagten Anleger zur Rückzahlung der erhaltenen Mietzinszahlungen verurteilt.
Zwischenzeitlich haben in Verfahren, die zur Hemmung der Verjährung eingeleitet werden mussten, das Landgericht Hof mit Urteil vom 10.02.2023 und das Landgericht Passau mit Urteil vom 16.12.2022 die Anleger sogar zur Rückzahlung in voller Höhe verurteilt. Andere Gerichte haben die Klagen großteils abgewiesen.
Auswertung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs steht noch aus
Die Insolvenzverwalter begrüßen sehr, dass der Bundesgerichtshof nunmehr in Folge der von ihnen eingeleiteten Pilotverfahren eine ausführlich begründete Entscheidung erlassen hat, die nunmehr ausgewertet wird. Die Entscheidungen in den drei weiteren anhängigen Nichtzulassungsbeschwerden stehen noch aus.
Weitere Informationen:
Dr. jur. Michael
Jaffé wird seit über zwei Jahrzehnten regelmäßig von den Gerichten in
schwierigen und großen Insolvenzfällen bestellt, in denen es darum geht, das
Vermögen für die Gläubiger zu sichern und bestmöglich zu verwerten. Eine
besondere Expertise liegt dabei auf mehrstufigen Konzerninsolvenzverfahren und
Verfahren mit grenzüberschreitenden Sachverhalten. Zu den national und
international bekanntesten Insolvenzverfahren von Dr. jur. Michael Jaffé zählen
der Medienkonzern KirchMedia des verstorbenen Dr. Leo Kirch, der vormals
weltweit tätige Speicherchip-Hersteller Qimonda sowie die deutschen
Tochtergesellschaften der Petroplus-Gruppe. Als Insolvenzverwalter von drei
deutschen P&R Container-Verwaltungsgesellschaften verwertet er die
weltweite Containerflotte. Seit 25. August 2020 ist er darüber hinaus als
Insolvenzverwalter der Wirecard AG sowie weiterer Wirecard -Gesellschaften
tätig.
Dr. jur. Philip
Heinke ist Wirtschaftsmediator sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht und wird
seit über fünfzehn Jahren überregional als Insolvenzverwalter bestellt. Er
verfügt über umfangreiche Erfahrungen in Bezug auf Betriebsfortführungen von
Unternehmen verschiedenster Branchen sowie in grenzüberschreitenden
Insolvenzverfahren ebenso wie in Kapitalanlageverfahren. So wurde er unter
anderem als Insolvenzverwalter in den Verfahren hm touristik GmbH & Co. KG
sowie P & R Container Leasing GmbH, P & R AG und Wirecard Retail
Services GmbH bestellt.
Die Kanzlei JAFFÉ Rechtsanwälte Insolvenzverwalter ist seit mehr als zwei Jahrzehnten eine der führenden Kanzleien auf den Gebieten Insolvenzverwaltung, Insolvenzrecht sowie Sanierung (nach dem ESUG), insbesondere in komplexen und grenzüberschreitenden Verfahren. Eine wichtige Grundlage dafür ist die regelmäßig gerade bei komplexen Verfahren gefragte langjährige Erfahrung, Kompetenz und Unabhängigkeit. Nicht zuletzt deshalb genießt die Kanzlei seit Jahrzehnten das Vertrauen von Gerichten und Gläubigern gerade in schwierigen Verfahren, in denen widerstreitende Interessen der Beteiligten bestehen. Die Kanzlei kann mit ihrer eigenen leistungsstarken und über Jahre gewachsenen Struktur Verfahren jeder Größenordnung im Interesse der Gläubiger begleiten.
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