23.10.2014 - Kategorie "Insolvenzverfahren"

Cavalier Gruppe und Auer Lighting GmbH übernehmen Technische Glaswerke Ilmenau

die insolventen Glaswerke Ilmenau haben wieder eine Zukunft

Der Gläubigerausschuss im Insolvenzverfahren Technische Glaswerke Ilmenau hat am 22.10.2014 entschieden, das Unternehmen der TGI an die Cavalier Gruppe, Tschechien, zu veräußern.


Zuvor war am 15.10.2014 mit Zustimmung des Gläubigerausschusses die Veräußerung eines Teilbetriebs, des Geschäftsbereichs ‚Technische Schaugläser‘ an die Fa. Auer Lighting GmbH, Bad Gandersheim vertraglich vereinbart worden. Von den zuletzt noch 190 Mitarbeitern werden 112 Mitarbeiter und mehr übernommen, wobei die nicht übernommenen Mitarbeiter die Möglichkeit haben, in eine Transfergesellschaft zu gehen.

 

Die Cavalier Gruppe wird am Standort in Ilmenau den Geschäftsbetrieb mit 100 Mitarbeitern fortsetzen, insbesondere sollen die sog. Wannen 1 und 3 fortgeführt werden. Die Cavalier Gruppe hat angekündigt, beträchtliche Investitionen in die Erneuerung der Wannen tätigen zu wollen, um den Standort zu erhalten. Cavalierglass ist seit über 175 Jahren einer der weltweit führenden Produzenten im Bereich Borosilikatglas. Durch höchste Produktqualität und Vertriebskompetenz hat die Marke SIMAX der Cavalier Gruppe nach eigenen Angaben in allen internationalen Märkten höchste Akzeptanz und befindet sich seit Jahren auf Wachstumskurs. Cavalier bezeichnet die TGI als ihren idealen strategischen Partner. In der gemeinsamen Konstellation würden Synergieeffekte in den Bereichen Produktion, Vertrieb, Marketing und Administration zur Sicherung und zum Ausbau von Marktanteilen führen. Strategisch sinnvoll sei die Übernahme, weil Cavalier und die TGI zum Teil über Produktionstechnologien verfügen, über die der jeweils andere Partner bisher nicht verfügen könne und sich die Potentiale optimal ergänzen.

 

Die Auer Lighting GmbH übernimmt demgegenüber die sog. Nachbearbeitung der Linie 2, die dem Geschäftsbereich „Technische Schaugläser“ zugeordnet ist, inklusive der Marke „Ilmadur“. Die Produktion wird nach dem Vollzug der Transaktion in Bad Gandersheim, dem Stammsitz von Auer Lighting, fortgesetzt werden. Der Vollzug der Transaktion ist für November geplant. Über die Höhe des Kaufpreises wurde Stillschweigen vereinbart. Der Auer Lighting ermöglicht die Akquisition den raschen Ausbau von Kapazitäten zur Präzisionsbearbeitung von optischen Gläsern. Neben der weiteren Stärkung des deutschen Stammsitzes der Auer Lighting im niedersächsischen Bad Gandersheim ist eine „deutlich verkürzte Reaktionszeit auf Anforderungen der Kunden“ die maßgebliche Motivation, so Dr. Dieter Simon, Geschäftsführer der Auer Lighting GmbH. Für 12 Mitarbeiter bietet sich eine neue Beschäftigungsmöglichkeit in Bad Gandersheim.

 

Das Insolvenzverfahren war am 08.05.2014 unter schwierigsten Umständen in Gang gekommen, nachdem eine Krankenkasse einen Fremdinsolvenzantrag gestellt hatte. Der Insolvenzverwalter hatte festgestellt, dass das Unternehmen bereits mindestens seit dem 01.03.2013 zahlungsunfähig gewesen ist und der Insolvenzantrag erheblich zu spät gestellt wurde. „ Das Unternehmen war zu Beginn des Verfahrens im Mai 2014  deshalb völlig ausgezehrt. Es gab keinen Versicherungsschutz, die Energieversorgung war nicht sichergestellt, die Lieferanten lieferten mangels Bezahlung nicht, die Spediteure lieferten mangels Bezahlung die Waren nicht aus und die Arbeitnehmer hatten seit 10 Wochen kein Geld erhalten“, sagte der Insolvenzverwalter RA Klaus Siemon. Besonders schwer wog auch, dass Erneuerungsinvestitionen über Jahre vernachlässigt worden waren und dadurch die Produktionskapazitäten während des gesamten Verfahrens eingeschränkt waren. Der Insolvenzverwalter sagte zum Verfahrenverlauf weiter: „Durch Nutzung der insolvenzspezifischen Instrumentarien sind wir in der Lage gewesen, uns aus eigener Kraft zu finanzieren. Wir haben während der gesamten Zeit seit Mai eine ausgezeichnete Liquiditätsausstattung gehabt. Im Juli 2014 haben wir mit einer Gesamtleistung von 1,65 Mio. € ein leicht positives Ergebnis erzielt; in den anderen Monaten wurden Verluste erwirtschaftet. Ich erwarte aber, dass Cavalier die Ergebnisse deutlich verbessern kann, weil Cavalier den Markt und die Kunden hat und zu Investitionen in die technische Erneuerung der Anlagen in der Lage ist, was die Ertragssituation des Unternehmens deutlich verbessern wird.“

 

RA Klaus Siemon weiter: „Wir haben über 6 Monate hinweg mit sehr hohem Aufwand weltweit einen Investorenprozess geführt und dabei 413 nationale Unternehmen, 170 Private-Equity Investoren und 357 ausgewählte strategische Investoren aus dem Ausland angesprochen, um einen Investor an das Unternehmen heranzuführen. Dabei waren auch eine Reihe Interessenten aus Thüringen, die jedoch sämtlichst abgesagt haben. Wir glauben, mit Cavalier einen strategischen Partner für TGI gefunden zu haben, der das Potenzial hat, den Glasstandort in Ilmenau dauerhaft zu erhalten und zu stärken.“

 

 

Zur Situation der Arbeitnehmer sagte Siemon: „Ich bedauere es sehr, dass wir nicht mehr Arbeitsplätze erhalten konnten. Wir bieten den nicht übernommenen Mitarbeitern den Übergang in eine Transfergesellschaft an. Es ist sehr wichtig gewesen, die Übertragung des Geschäftsbetriebes jetzt zu vollziehen, um den übernommenen Mitarbeitern eine Chance in der neuen Gesellschaft zu geben. Bei einem längeren Verbleib in der Insolvenzsituation wäre ein beträchtlicher Verlust von Marktanteilen die Folge gewesen. Insgesamt gebührt den Arbeitnehmern der TGI ein außerordentliches Lob. Diese haben in beispielloser Form zu ihrem Unternehmen gestanden und damit die Fortführung des Unternehmens in der Insolvenz und die erzielten Ergebnisse erst ermöglicht.“

 

Zum zukünftigen Verfahrensverlauf ist darauf zu verweisen, dass die Insolvenzmasse aus den gesamten Transaktionen einen Zufluss von ca. 4 Mio. € erhält. Dadurch bestätigt sich die im Bericht zur Gläubigerversammlung mitgeteilte Erwartung einer Insolvenzquote für alle Gläubiger von 40 %, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass sich dieser Wert noch verbessert. Siemon weiter: „Ich gehe davon aus, dass auch die Sozialplanansprüche werthaltig sind und wir werden prüfen, ob diese in der ersten Hälfte des Jahres 2015 zumindest zum Teil ausbezahlt werden können.“

 

Als Interimsmanager ist für den Insolvenzverwalter Herr Sören Quent im Unternehmen tätig gewesen. Die Begleitung des Insolvenzverwalters in den rechtlichen und steuerrechtlichen Angelegenheiten des M&A Prozesses und der Transaktion erfolgte durch das Team der P+P Pöllath + Partners, Rechtsanwälte und Steuerberater, Frankfurt/Main, federführend durch Rechtsanwältin Katharina Reuther (Corporate/M&A). Den Investorenprozess haben im Auftrag des Insolvenzverwalters die hww Unternehmensberater GmbH München, die Herren Rucker und Schuller, geführt. Die arbeitsrechtlichen Angelegenheiten hat die Anwaltskanzlei Siemon, Rechtsanwalt Thomas Jahn und Rechtsanwältin Maria Hohmann, betreut.


Bild: © M. Rice

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